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„Wir haben mehr Buchungen als vor den Zöllen“ | ABC-Z

Herr Habben Jansen, Donald Trumps Zollkrieg sorgt für Chaos auf der Welt. Kommen jetzt die ganzen chinesischen Waren zu Dumpingpreisen nach Europa statt in die USA?

Nach Trumps massiven Zollerhöhungen vor allem gegen China ist die Verschiffung von dort in die USA je nach Route um bis zu 30 Prozent gesunken. Ein Teil wurde durch höhere Transporte aus Südostasien wie Thailand, Vietnam und Kambodscha ausgeglichen. Ein anderer Teil der Waren staute sich in den Häfen oder in Lagern. Nach Europa oder Südamerika wurde nicht viel mehr transportiert als sonst auch.

Und wie entwickelten sich die Transporte von Europa in die USA?

Sie waren weitgehend stabil, auch weil die anfänglich angehobenen Zölle rasch wieder reduziert wurden. Einige Kunden zögerten mit der Ausfuhr in die Vereinigten Staaten, die Lager füllten sich.

Sind deutsche Häfen betroffen?

Ja, aber im Wesentlichen nicht wegen der Zölle, sondern aufgrund neuer Allianzen in unserer Branche, die andere Häfen bevorzugen. In Europa trifft es aber hauptsächlich die Häfen in England und den Hafen von Rotterdam. Hier stauen sich derzeit die meisten Container.

Am Montag einigten sich die USA und China überraschend darauf, die Zölle für 90 Tage massiv zu senken. Wird jetzt wieder alles gut?

Einfach wird es nicht. Zudem wurden die Zölle nur für 90 Tage gesenkt. Niemand weiß, ob sie danach wieder steigen. Und schon auf dem jetzigen, gerade reduzierten Niveau sind sie so hoch wie seit den Dreißigerjahren nicht mehr.

Steigen die Buchungen seit der Einigung wieder?

Sehr deutlich. Die Buchungen sind um rund 50 Prozent gestiegen. Sie liegen jetzt sogar höher als vor den Zollanhebungen Anfang April.

Der Niederländer Rolf Habben Jansen, 58, ist seit 2014 Vorstandsvorsitzender von Hapag-Lloyd, der fünftgrößten Container-Reederei der Welt, mit Sitz in Hamburg.Niklas Grapatin

Das glaube ich nicht. Wir erwarten, dass viele Unternehmen die Güter jetzt schnellstmöglich per Schiff zu ihren Kunden transportieren wollen, bevor sich die Zölle vielleicht wieder erhöhen. Abhängig davon, wie China und die USA sich in den nächsten Wochen einigen, könnte die starke Nachfrage aber länger andauern.

Wie kommt eine Reederei wie Hapag- Lloyd mit solchen sich ständig ändernden Kundenwünschen zurecht?

Das sind hektische Zeiten, in denen wir ständig unsere Schiffe umdisponieren müssen. Im April haben wir größere durch kleinere Schiffe ersetzt, um auf den Einbruch der Buchungen zu reagieren, jetzt werden wir es umgekehrt machen. Dabei hilft uns auch unsere Kooperation mit der weltweit zweitgrößten Containerreederei Maersk für den Ost-West-Verkehr unter dem Namen „Gemini“. Wir verfügen gemeinsam über mehr als 300 Schiffe und sind damit viel flexibler als vorher.

Das jüngste Chaos im weltweiten Schiffsverkehr ist noch gar nicht lange her. Es war während der Corona-Pandemie. Es dauerte Monate, um es aufzulösen. Droht das jetzt wieder?

Nein, Corona war herausfordernder. Es war die ganze Welt betroffen, es galten strenge Quarantänevorschriften, und die Mitarbeiter waren zu Hause und fehlten in den Häfen. Das ist ja jetzt nicht der Fall. Außerdem haben wir durch Corona viel gelernt, was uns jetzt nützt.

Wir können jetzt schneller auf Störungen reagieren. Wir haben dafür eine bessere Unterstützung durch Computersysteme und eine bessere Ortung unserer Container. Arbeit im Homeoffice ist nun für uns normal.

Welche finanziellen Folgen hat der Handelskrieg für Hapag-Lloyd?

Im ersten Quartal profitierten wir davon, dass viele Kunden im Vorgriff auf höhere Zölle noch rasch ihre Waren in die USA verschiffen wollten. Die Nachfrage war hoch. Deswegen stieg die durchschnittliche Frachtrate im Vergleich zum ersten Quartal 2024 um neun Prozent auf 1480 Dollar je Standardcontainer. Unser operatives Ergebnis wuchs so um 27 Prozent auf 463 Millionen Euro.

Wie viel macht denn das Amerika-Geschäft aus?

22 Prozent des globalen Transports gehen in die USA oder davon weg, bei uns sind es 27 Prozent. Der Handel zwischen China und den USA macht 5 Prozent aus.

Das zweite Quartal wird sicher viel schlechter.

Das ist momentan noch nicht absehbar, Im April ist die Nachfrage für Transporte von China in die USA deutlich zurückgegangen. Wir erwarten jetzt nach der kurzfristigen Senkung der Zölle eine deutliche Erholung. Für das Gesamtjahr bleiben wir aber bei unserem Ausblick. Das heißt: ein operativer Gewinn von null bis 1,5 Milliarden Euro und damit weniger als im vergangenen Jahr.

Eine ganz schön große Spanne!

Ja, die Unsicherheit ist groß, denn niemand kennt den Ausgang des Zollstreits. Das macht unsere Kunden zurückhaltend bei Buchungen. Zudem schwanken die Frachtraten stark, nach dem Shanghai-Frachtindex lagen sie zum Beispiel in diesem Jahr auch schon über 2000 Dollar. Eine 100 Euro höhere Frachtrate würde unseren Umsatz um mehr als eine Milliarde Euro erhöhen.

Wie stark treffen Sie die Hafengebühren, die die USA für in China produzierte Schiffe erhebt? Die Hapag-Flotte stammt zu 23 Prozent aus China.

So gut wie gar nicht. Die ursprünglichen Pläne hätten uns massiv belastet. Sie wurden dahingehend korrigiert, dass zwar Gebühren erhoben werden, sie aber für nicht-chinesische Reedereien deutlich geringer ausfallen.

Nicht nur der Zollkrieg sorgt für Unsicherheit, sondern auch die Angriffe der Huthi-Rebellen im Jemen auf Handelsschiffe im Roten Meer. Wie reagieren Sie darauf?

Wir umfahren das Rote Meer und nehmen den Umweg über das Kap der Guten Hoffnung. Das produziert Mehrkosten von etwa zehn Prozent, etwa für zusätzlichen Treibstoff und mehr Personal.

Bei so vielen Unsicherheiten: Wie schützen Sie Hapag-Lloyd vor den Folgen?

Da hat man nur begrenzte Möglichkeiten. Wenn die Lage so instabil bleibt, werden wir weniger neue Schiffe kaufen. Und wir müssen operativ schnell reagieren können. Dabei hilft wie erwähnt auch die Kooperation mit Maersk.

Die läuft seit Februar. Was hat sie sonst gebracht?

Das Hauptziel der Zusammenarbeit ist die Verbesserung der Pünktlichkeit. Früher lag sie bei nur 60 Prozent, im Sommer sollte sie bei 90 Prozent sein. Wir haben dieses Ziel schon jetzt erreicht.

Pro Fahrt werden jetzt weniger Häfen angesteuert, dadurch sinkt die Verspätungsanfälligkeit. Und wir kontrollieren nun die wichtigsten Terminals durch Beteiligungen. Das hilft im Management der Verladungen. Mit Maersk konnten wir zudem ein sogenanntes Hub-System einführen, wie man es in der Luftfahrt von Drehkreuzflughäfen wie Frankfurt kennt. Das heißt: Kleinere Schiffe transportieren Waren in große Umschlaghäfen, von wo sie mit großen Schiffen gebündelt weiterbefördert werden. Probleme auf einer Zubringerroute stören dann nicht den ganzen Weitertransport.

Den Hamburger Hafen kontrollieren Sie aber nicht, hier ist Konkurrent MSC eingestiegen. Weichen Sie verstärkt auf andere deutsche Häfen aus?

Ja, Hamburg nutzen wir etwa zehn Prozent weniger, dafür verstärkt Wilhelmshaven und Bremerhaven.

Könnte die Gemini-Kooperation der erste Schritt zu einer Fusion mit ­Maersk sein?

Nein. Wir sind mit Gemini als operativer Kooperation sehr gut aufgestellt. Darüber hinausgehende Aktivitäten stehen nicht zur Diskussion. Außerdem verfolgen beide Unternehmen sehr unterschiedliche Geschäftsstrategien.

Ein großes Thema in der Schifffahrt ist der Klimaschutz. Wie stark wollen Sie die Emissionen verringern?

Unser Ziel bleibt es, bis 2045 klimaneu­tral zu werden. Bis 2030, also schon in fünf Jahren, wollen wir 30 Prozent Kohlendioxid im Vergleich zu 2022 einsparen.

Zum einen, indem wir alte Schiffe durch neue ersetzen. Ein neues Schiff der Standardgröße mit 15.000 Containern verbraucht 30 bis 45 Prozent weniger Treibstoff als ein gleich großes Schiff vor zehn Jahren. Bis 2028 werden wir 24 neue Schiffe bekommen, was das Durchschnittsalter der Flotte von derzeit 13,3 Jahren deutlich senkt. Zum anderen wollen wir andere Treibstoffe nutzen, zum Beispiel Biodiesel, Biomethan oder grünes Methanol. Aber hierfür stehen noch zu geringe Mengen bereit. Denkbar sind sogar atombetriebene Schiffe, weil sie emissionsfrei und auch schneller fahren, aber das ist ein Thema für das nächste Jahrzehnt.

Wenn die im Hafen lägen, würde die atomkritische Bevölkerung aber nervös werden.

Das ist ja alles noch Zukunftsmusik. Aber es könnte eine emissionsfreie Option für Verkehre mit großen Containerschiffen etwa zwischen Asien und den USA sein.

Seit 2024 ist die Schifffahrt in den Emissionshandel der EU eingebunden. Für jeden Transport, der EU-Häfen ansteuert, müssen Sie abhängig von der Strecke Emissionszertifikate kaufen. Wie stark hat das den Transport verteuert?

Im ersten Quartal 2025 hatten wir Mehrkosten von 35 Millionen Euro. Der Transport von China nach Deutschland kostet dadurch ungefähr drei bis fünf Prozent mehr. Die Kosten werden in den nächsten Jahren weiter steigen.

Sie könnten die Kosten verringern, indem Sie Häfen außerhalb, aber nahe der EU, ansteuern und von dort in die EU weiterfahren.

Das machen wir nur in geringem Maße, indem wir etwa von Asien nach England fahren und dann weiter in die EU.

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