Initiative „Bavaria ruft“ wirbt um Frauen in der Kommunalpolitik: Start in Anzing – Ebersberg | ABC-Z

„Bavaria ruft!“ So ist eine bayernweite Kampagne überschrieben, die mehr Frauen in die Kommunalpolitik bringen soll. Mitinitiatorin ist die Bürgermeisterin der Gemeinde Anzing, Kathrin Alte, deshalb startet die Kampagne am Freitag, 11. Juli, auch in ihrem Rathaus. Unterstützt wird die Initiative von Frauenverbänden und Politikerinnen unterschiedlicher Couleur, etwa von der CSU-Sozialministerin Ulrike Scharf oder der Fraktionssprecherin der Grünen im Bayerischen Landtag, Katharina Schulze. Schirmherrin ist Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU). Im Interview erklärt Kathrin Alte, was es mit der Kampagne auf sich hat.
SZ: Was ist „Bavaria ruft“?
Kathrin Alte: „Bavaria ruft“ ist eine überparteiliche Initiative, mit der wir pünktlich zu den nächsten Kommunalwahlen den Anteil an Frauen in der Kommunalpolitik erhöhen wollen. Ein schöner Zufall ist es, dass die Wahlen genau am Weltfrauentag 2026 stattfinden. Das haben wir uns zwar nicht ausgedacht – aber schlecht ist es auch nicht.
Wieso ist denn so eine Initiative überhaupt nötig?
Weil wir immer noch zu wenige Frauen in den Gremien und auch an der Spitze der Rathäuser haben. Nur zehn Prozent der 2056 Kommunen in Bayern werden von Frauen geführt. Und mich wundert es, dass Frauen zunehmend zurückhaltender werden in der politischen Diskussion. Auch im Bundestag ist ja der Frauenanteil wieder zurückgegangen. Deshalb wollen wir Unterstützerinnen finden. Wir wollen dazu beitragen, die Hürden abzubauen im Kopf. Wir wollen sagen: Du schaffst das, auch mit Kindern, Beruf und Ehrenamt.
:Kathrin Alte ist in Anzing als Bürgermeisterin angekommen
Die neue Anzinger Rathauschefin Kathrin Alte schaut mit einem weiblichen Blick auf die Kommunalpolitik und will die Gemeindeentwicklung entsprechend prägen.
Und wie wollen Sie das umsetzen?
Wir müssen viel konkreter werden, Frauen wirklich für die Gemeinderäte gewinnen. Ich meine, worum geht es denn im Gemeinderat? Um die Schulsanierung, um den Neubau eines Kindergartens, um Radwege. Das sind doch Themen, die jede und jeder mitgestalten kann. Im Gemeinderat verwalte ich ja nichts anderes als mein direktes Lebensumfeld. Dafür brauche ich nicht Baujurist zu sein oder Finanzwissenschaften studiert haben. Ich kann mit gesundem Menschenverstand mitreden. Und wenn jemand etwas nicht weiß – dafür haben wir ja die Verwaltung, die man fragen kann. Deshalb ist uns die Roadshow durch ganz Bayern so wichtig: Wir wollen Rathäuser in allen Regierungsbezirken aufmachen und zeigen, was wir hier machen. Wir legen mal die Tagesordnung auf den Tisch.
Damit sind die praktischen Probleme der Frauen aber noch nicht ausgeräumt. Neben Beruf und Familie ist es nicht so einfach, mal eben schnell noch im Gemeinderat mitzuwirken.
Auch hier geht es um konkrete Lösungsansätze. In Anzing etwa bauen wir jetzt mit Blick auf unsere ehrenamtlichen Gemeinderäte unseren Sitzungssaal um: Es wird ab kommendem Jahr sogenannte Hybridsitzungen geben, das heißt, man kann sich online zuschalten und trotzdem an Abstimmungen teilnehmen. Das ist nach der Corona-Pandemie jetzt rechtlich möglich.
Das wird aber vielleicht noch dauern, bis diese technischen Voraussetzungen in allen Rathäusern Bayerns geschaffen sind.
Das stimmt, aber „Bavaria ruft“ schaltet sich bereits auf der Ebene davor ein, führt vieles zusammen: Parteien, Gruppierungen, Stiftungen, es gibt Institutionen wie die Politische Akademie in Tutzing, die arbeiten mit FidiP (Verein Frauen in die Politik) eng zusammen, oder tolle Angebot des Landesfrauenrats. In allen Parteien gibt es Mentoringprogramme für Frauen. Und wir bündeln das alles, jede Frau kann uns anrufen, und wir vermitteln sie dann weiter. Da kann man sich fachlich weiterqualifizieren oder persönlich. Unabhängig davon, auf welcher Partei-Liste jemand stehen will. Wir müssen einfach das ganze Feld der Kandidatinnen unterstützen.
Das heißt, Parteizugehörigkeit spielt gar keine Rolle? Sie haben ja auch die Grünen-Fraktionschefin im Landtag, Katharina Schulz in Ihren Reihen…
Sie war von Anfang an dabei. Bei einer Podiumsdiskussion der Arbeitsgemeinschaft „Frauen führen Kommunen“ des bayerischen Gemeindetags war sie Gast und hat sofort ihre Unterstützung für unser Projekt signalisiert, ebenso wie Landtagspräsidentin Ilse Aigner und Sozialministerin Ulrike Scharf. Und ich kann Ihnen gar nicht sagen, zu welchen Parteien die Bürgermeisterinnen gehören, die darüber hinaus dabei sind, weil ich nie gefragt habe. Wichtig ist nur, die Mischung hinzubekommen: Bei uns in der CSU gibt es beispielsweise ein Mentoring für Frauen, die Grünen kommen von der „paritätischen Schiene“, auf all ihren Listen bei Wahlen sind 50 Prozent Frauen und 50 Prozent Männer gesetzt. Hier läuft das eine gut, dort etwas anderes. Ich finde den Austausch einfach spannend.
Es gibt also keine politischen Differenzen auf dieser Ebene?
Also, wir haben jetzt keine großen Diskussionen über Migrationspolitik geführt, darum geht es nicht. Kern des Ganzen ist es, die Demokratie wieder besser ins Laufen zu bringen. Wenn aber viele, viele Frauen sich nicht an der Demokratie beteiligen, aus diversesten Gründen, dann haben wir mittel- und langfristig noch ein viel größeres Problem. Weil einfach die Hälfte der Bevölkerung nicht politisch repräsentiert ist. Frauen sind ja nicht unbedingt die besseren Politiker, aber sie haben andere Biografien, andere Lebenswirklichkeiten. Das abzubilden, ist wichtig.
Nun werden Kommunalpolitiker immer häufiger angefeindet. Nicht gerade verlockend, sich dem auszusetzen.
Es ist wichtig, diese Diskussion zu führen, ganz konsequent muss man gegen das Thema Hate Speech vorgehen, das trifft ja Männer wie Frauen. Und es gibt ja auch Möglichkeiten, sich juristisch zu wehren. Ich habe mit Katharina Schulze lange darüber gesprochen, die davon massiv betroffen ist. Sie zeigt alles konsequent an. Ich will da auch nichts verharmlosen, es ist eine Aufgabe der Demokratie, der Institutionen, Kommunalpolitiker zu schützen. Aber wir haben andererseits auch nicht jeden Tag sechs Stunden damit zu tun, uns mit solchen Dingen auseinander zu setzen. Es geht um das, was wir gestalten können. Wenn wir einen Spielplatz bauen wollen, dann tun wir das, wenn wir einen Radweg nach Forstinning bauen wollen, dann machen wir auch das. Und dann fahren wir die nächsten 20 Jahre dran vorbei und sagen: Jawoll, das haben wir umgesetzt. Auf keiner anderen politischen Ebene habe ich solche Gestaltungsmöglichkeiten wie in der Kommunalpolitik.
Glauben Sie, dass mehr Frauen in der Politik einen wertschätzenderen Umgang miteinander bewirken können?
Frauen können, weil sie teilweise ein anderes Kommunikationsverhalten haben, schon etwas ändern. Schauen wir uns Studien an: Da, wo gemischte Teams arbeiten, läuft es meistens besser.
Im Landkreis Ebersberg ist zumindest die Quote der Chefinnen in den Rathäusern ja ganz gut.
Das stimmt, wir haben fünf Bürgermeisterinnen, Egmating, Emmering, Anzing, Steinhöring und seit vergangenem Jahr auch noch Markt Schwaben. Fünf von 21 ist eigentlich nicht schlecht, und wir arbeiten parteiübergreifend immer gut zusammen. Das ist auch ein positives Beispiel für unseren Nachwuchs. Umso leichter wird es für die nächste Generation.
Sie sind Mitgründerin der Initiative „Bavaria ruft“. Wie kam es denn zu dem Namen?
Unser Vorbild haben wir in der Schweizer Kampagne „Helvetia ruft“ gefunden. Die Frauen in der Schweiz haben die gleichen Themen, von ihrer Arbeit können wir lernen. Und unsere Bavaria schaut ein bisserl so ähnlich aus wie die Helvetia, sie hat nur etwas mehr Volumen, a ganz a g’standene Frau. Das soll ja auch ein Signal sein: Auch Frauen über 50 können und sollen sich in und für die Demokratie engagieren.
Auftakt Roadshow „Bavaria ruft“ am Freitag, 11. Juli, 15 Uhr bis 16 Uhr im Anzinger Rathaus mit Ilse Aigner, Ulrike Scharf und Katharina Schulze. Um 17 Uhr gibt es auf Einladung der beiden Volkshochschulen im Landkreis (Vaterstetten und Ebersberger Land) eine Veranstaltung „Kommunalpolitik braucht Frauen“ mit Abgeordneten, Bürgermeisterinnen und engagierten Frauen im Gemeinde- oder Stadtrat. Anmeldungen zur Roadshow für politisch engagierte Frauen sind unter https://bavariaruft.de/kontakt möglich.