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Stern-Preis 2025 in Hamburg: Welche Recherchen gewonnen haben – Medien | ABC-Z

Fast am Ende der Preisverleihung passiert etwas, das fast nie auf solchen Veranstaltungen geschieht, auf denen die Medienbranche unter sich feiert. Am späten Mittwochabend, verliehen wird einer der wichtigsten Journalistenpreise Deutschlands, stehen zwei Protagonistinnen neben den Preisträgern auf der Bühne, eine greift zum Mikro.

Die Schwestern heißen Jihan und Sawsan Alomar, sie sind Jesidinnen, von ihrem Schicksal und dem ihrer Familie handelt der seit Mittwochabend mit dem Stern-Preis in der Kategorie „Dokumentation“ auszeichnete ARD-Film „Bêmal – Heimatlos. 10 Jahre Völkermord an den Jesiden“. Die Terrormiliz des sogenannten Islamischen Staates wollte die religiöse Minderheit im Nordirak 2014 auslöschen. Jihan Alomar sagte vor Dutzenden Reporterinnen und Redakteuren im Publikum unter Tränen, dass ihr diese Auszeichnung viel bedeute. Dass es ihr Hoffnung gebe, dass die deutschen Medien nicht wegschauen. Dass dieser Film in ihrem Leben einen Unterschied mache. Es ist der bewegendste Moment des Abends.

Düzen Tekkal und David Körzdörfer erzählen in ihrem Film die Geschichte von vier Geschwisterpaaren, die vor dem Genozid nach Deutschland fliehen konnten. Laut Juryurteil erzeugt der Film „Empathie und Nähe“, vermittle aber auch „Kontext und Fakten über Massenmord, Versklavung und Vergewaltigung“.

Der Stern-Preis, früher Nannen-Preis, wird von der gleichnamigen Zeitschrift gestiftet, das Hamburger Magazin gehört inzwischen zu RTL. Unabhängige Jurymitglieder entscheiden über die Vergabe der renommierten Journalistenpreise in fünf Kategorien. Ein Preisgeld gibt es nicht, aber eine unhandliche Trophäe und einen Abend mit „feministischem Humus“ und Crémant. Der Preis war vor vier Jahren umbenannt worden, aktuell läuft die Forschung rund um die Vergangenheit des Stern-Gründers Henri Nannen im Nationalsozialismus noch.

RTL-Moderatorin Pina Atalay, die gemeinsam mit Stern-Chefredakteur Gregor Peter Schmitz durch die Verleihung führte, hatte Mühe, den richtigen Ton für den Abend zu finden. Die Texte, Filme und Fotos, die in Hamburg ausgezeichnet werden, sind das Gegenteil von Unterhaltung und Lebenshilfe. Also den Themen, auf die immer mehr Medien in diesen Zeiten setzen, um die Bedürfnisse der Leserinnen und Leser zu befriedigen.

Moderatorin Pinar Atalay (vorne links) fotografiert sich mit den Siegerinnen und Siegern des Stern-Preises 2025. (Foto: Marcus Brandt/Marcus Brandt/dpa)

In der Kategorie „Investigation“ entschied sich die Jury für eine Recherche, „die an einigen Stellen eine Zumutung ist“. Die Reporterinnen Isabell Beer und Isabel Ströh des öffentlich-rechtlichen Funk-Formats „STRG_F“ haben ein weltweites Vergewaltiger-Netzwerk auf Telegram aufgedeckt. In den Chatgruppen tauschten sich die mehr als 70 000 User nicht nur darüber aus, wie sie Frauen betäuben, quälen und vergewaltigen können – sie teilten ihre Taten auch in Echtzeit. Die Jury findet: „Das Ausmaß des Missbrauchs macht fassungslos, war so bislang nicht bekannt – und rief zahlreiche Reaktionen hervor.“

Für landesweite Schlagzeilen und politische Konsequenzen sorgte auch die Recherche des Reporter-Teams der Augsburger Allgemeinen, die in der Kategorie „Lokal“ gewannen. Die Rechercheure enthüllten einen Folterskandal in einem bayerischen Gefängnis: Häftlinge mussten teils bis zu drei Wochen in isolierten Spezialzellen vegetieren – oft nackt, oft ohne Matratze, ohne Decken, oft mit zu wenig Essen. Mit ihrer Berichterstattung über die Justizvollzugsanstalt Gablingen haben die Journalisten „gravierende Missstände enthüllt und beispielhaft gezeigt, was lokaler Journalismus leisten kann“, urteilte die Jury.

80 Jahre nach Kriegsende ging der Egon-Erwin-Kisch-Preis für die beste Reportage an Malte Henk von der Zeit für seinen Text über das Konzentrationslager Buchenwald. Er habe in einer Zeit, in der die rechtsextreme AfD in Umfragen und Wahlen immer häufiger vorne liegt, „Geschichte ins Jetzt geholt“ und Widersprüche seziert, zwischen denen, „die jedes Wort analysieren, und denen, die fühlen, sie dürfen nicht mehr sagen, was sie denken“.

Zur „Fotogeschichte des Jahres“ wählte die Jury die eindrucksvolle Geschichte „Sie machen das Land kaputt“ des Schweizer Fotografen Dominic Nahr in der Neuen Zürcher Zeitung über den Krieg der islamistischen Huthi-Miliz im Bürgerkriegsland Jemen.

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