Bezirke

Oberallgäu: Was hinter dem Rückzug von Indra Baier-Müller steckt – Bayern | ABC-Z

Der Landkreis Oberallgäu ist CSU-Land, immer wurde er von CSU-Landräten regiert. Da war es eine Überraschung, als Indra Baier-Müller bei der Kommunalwahl 2020 den Landrätinnen-Posten für die Freien Wähler holte. Noch dazu als Seiteneinsteigerin ohne kommunalpolitische Erfahrung. Die Sozialpädagogin war bis 2020 Geschäftsleiterin der Diakonie Kempten Allgäu. Freude und Genugtuung waren riesengroß bei den FW – mitten in der Corona-Pandemie, die damals herrschte.

Nun, gute fünf Jahre später, hat Baier-Müller hingeschmissen.  Dieser Tage erklärte die Oberallgäuer Landrätin, bei der Kommunalwahl 2026 nicht mehr zur Wiederwahl anzutreten. Gleichzeitig kündigte sie an, alle ihre Ämter bei den FW niederzulegen. Die Erklärung der Landrätin habe ihn und andere lokale FW-Politiker „in gewisser Weise überrascht“, sagte der Vorsitzende der FW-Fraktion im Oberallgäuer Kreistag, Philipp Prestel, dem BR.

Indra Baier-Müller, die noch im zurückliegenden Bundestagswahlkampf als Direktkandidatin der FW angetreten war, begründet ihren plötzlichen Rückzug mit Problemen mit ihrer Partei. „In den vergangenen Monaten ist deutlich geworden, dass mein Stil, meine Haltung und meine Art der klaren Worte innerhalb der Freien Wähler im Oberallgäu nicht die Unterstützung finden, die es für eine erneute Kandidatur bräuchte“, schreibt sie in einer Erklärung. „Ich akzeptiere dies – und ziehe meine Konsequenz.“  Weiter heißt es: „Ich hätte mich anpassen, taktischer agieren, mehr Rücksicht auf parteipolitische Erwartungen und politische Akteure nehmen können. Aber ich glaube nicht daran, dass Politik besser wird, wenn man sich verbiegt.“

Wer jetzt vermutet, Baier-Müllers abruptes Hinschmeißen sei ein erstes Anzeichen dafür, dass die FW ein Dreivierteljahr vor der Kommunalwahl Probleme mit ihrer Basis draußen auf dem Land bekommen, dürfte aber zu kurz denken. Wie es aussieht, hat die Entscheidung der Oberallgäuer Landrätin vor allem lokale Gründe, die nicht ohne Weiteres auf andere Regionen übertragbar sind. So sagen es zumindest die Beobachter im Oberallgäu, mit denen man in diesen Tagen spricht.

Als Beispiel wird dabei immer wieder auf den Streit um die Zerstörung eines hochkarätigen Naturschutzgebiets in den Allgäuer Alpen verwiesen, des Rappenalpbachs. Bei Bekanntwerden des Frevels hatte Baier-Müller sofort klar Position gegen die Bauern in dem Gebiet bezogen, die ihn begangen hatten. Als Gerichte später entschieden, dass auch ihr Landratsamt einen gewissen Anteil an der Zerstörung hatte, musste sie zurückrudern. Doch da hatte sie es sich schon mit der für die FW auch im Oberallgäu zentralen Klientel verdorben. Und zwar gründlich.

Baier-Müllers unvermittelter Rückzug wirkt auf lokale Beobachter denn auch wie eine späte Konsequenz aus diesem Vorfall. Zumal er nicht das einzige Beispiel dafür ist, dass sich die Landrätin und das für die FW auch im Oberallgäu so entscheidende ländliche Milieu eher fremd geblieben sind. Dazu kommt, dass Baier-Müller die Stichwahl 2020 denkbar knapp mit gerade mal 51,8 gegen 48,2 Prozent gewonnen hatte und ihre Wiederwahl auch von daher kein Selbstläufer gewesen wäre. Zumal der Oberallgäuer CSU nachgesagt wird, dass sie erbittert darum kämpft, ihre Scharte von 2020 auszuwetzen.

Dass der Fall Baier-Müller nicht unmittelbar mit Strukturproblemen bei den Freien Wählern zu tun hat, bedeutet aber nicht, dass es keine gibt. Nach den Enttäuschungen bei der Europawahl und der Bundestagswahl würden der Partei Erfolge bei der Kommunalwahl 2026 gut tun. Nicht wenige bei den FW sind froh, dass der Fokus des Wahlkampfs dann wieder zurückgeht zu den Wurzeln, die bei keiner anderen Partei so sehr im Kommunalen liegen. Diese Bodennähe sahen manche zuletzt gefährdet – durch die Expansionspläne von FW-Chef Hubert Aiwanger, der seine Partei diesmal nicht nur in den Bundestag führen wollte, sondern direkt in die Regierung. Im Frühjahr 2024 hatte sich Aiwanger gedanklich schon ins Bundeswirtschaftsministerium befördert. Es kam bekanntlich anders.

Ausgerechnet Aiwanger, der früher den „Größenwahn“ der CSU geißelte und den Christsozialen mit dieser Rhetorik viele Stimmen abnehmen konnte, steht nun mehr denn je selbst im Ruf des Größenwahns – ein Image, das die FW im Kommunalwahlkampf so gar nicht brauchen können. Dass Aiwangers jüngste Wahlkämpfe polarisiert haben und sich teils weit rechts der Mitte bewegten, mache die Kandidatensuche für die Kommunalwahl auch nicht einfacher, heißt es in der Partei.

Die Freien Wähler im Oberallgäu sind derweil optimistisch, bald einen Kandidaten oder eine Kandidatin für die Nachfolge von Indra Baier-Müller zu finden. FW-Kreistagsfraktionschef Prestel sagt: „Wir haben mehrere gute Optionen.“

Back to top button