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„Beim Waffentraining war Omar richtig sauer“ | ABC-Z

Miss Washington, „Shadow Force – Die letzte Mission“ (jetzt im Kino) ist ein waschechter Actionfilm, im Zentrum stehen zwei ehemalige, verheiratete Elitesoldaten. Was reizte Sie daran mehr: dass Sie eine solche Hauptrolle eigentlich noch nie gespielt hatten oder dass es diese Art Film fast nie mit zwei Schwarzen Schauspielern im Zentrum zu sehen gibt?

Puh, das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Tatsächlich war ich beim ersten Lesen des Skripts erst einmal begeistert, dass es sich um einen Actionfilm handelte. So etwas hatte ich seit sicher 20 Jahren nicht mehr gedreht, seit meiner Nebenrolle in „Mr. & Mrs. Smith“. Darauf hatte ich einfach Lust, zumal mir gefiel, dass es nicht nur um Action um der Action wegen ging. Im Kern steht schon eine echte Geschichte mit realen Emotionen; das ist in Liebe, Familie und Aufopferung verwurzelt. Erst als wir dann begannen, das Projekt auf die Beine zu stellen, wurde mir bewusst, dass es sich eben dezidiert um schwarze Liebe und eine schwarze Familie handelt. Das fand ich so erfrischend wie wichtig, denn tatsächlich sieht man so etwas gerade im Actionkino eher selten.

Schon früher, etwa als Sie die Hauptrolle der Olivia Pope in der Serie „Scandal“ spielten, haben Sie immer betont, dass Sie sich Ihren Figuren am liebsten über deren Körperlichkeit nähern. Das gilt vermutlich bei einem Actionfilm umso mehr, oder?

Ja, das macht es einfacher, weil schon zur Vorbereitung ganz viel physische Arbeit gehört: Waffentraining, Kampfchoreographien, Stuntarbeit. Dabei habe ich viel gelernt, über meinen Körper genauso wie über die Frau, die ich spiele. Und über meinen Kollegen Omar Sy, denn wir haben vieles davon gemeinsam absolviert. Der Kampfgeist, der dieses Ehepaar ausmacht, entstand dabei durchaus auch zwischen uns.

Dafür brauchte es Training: Kerry Washington mit großer Waffe in „Shadow Force“AP

Apropos Waffentraining: Wie fühlt sich das eigentlich an, als friedliebender Mensch mit so schwerem Geschütz umgehen zu müssen?

Das ist schon eine ziemlich interessante Erfahrung. Die Arbeit mit den eher kleinen Handwaffen hat eigentlich richtig Spaß gemacht. Und ich war auch erstaunt, wie gut ich im Schießen mit den Pistolen war. Omar gelangen nicht annähernd so viele Volltreffer wie mir, der war richtig sauer. Aber als wir dann zu den Maschinengewehren wechselten, ging mir das auf eine ganz andere Art und Weise nahe. Die Kraft, die von diesen Waffen ausgeht, hatte etwas Überwältigendes. Und ich konnte gar nicht anders, als darüber nachzudenken, welche Tragödien der Missbrauch solcher Gewehre in der Öffentlichkeit schon nach sich gezogen hat. Im Film spielen wir professionelle Scharfschützen, das ist ein ganz anderer Fall. Aber dass man solche Waffen auch als ganz normaler Bürger in die Hände bekommen kann, ist ebenso unnötig wie gefährlich.

Viele der Frauen, die Sie über die Jahre gespielt haben, würde man als stark, couragiert oder kämpferisch bezeichnen. Sind das Adjektive, die Sie auch auf sich selbst anwenden würden?

Parallel zur Arbeit an „Shadow Force“ schrieb ich meine Autobiographie. Da ging es viel um sehr intime, private Familiengeheimnisse, und mir wurde sehr bewusst, wie viel Stärke mir nicht nur in die Wiege gelegt, sondern auch vorgelebt wurde. Dass ich gleichzeitig die Chance hatte, diese innere Stärke, die ich schon immer in mir gespürt habe, vor der Kamera auch ganz körperlich zu demonstrieren, war mehr als reizvoll.

Geht Stärke für Sie mit Furchtlosigkeit einher? Sie selbst sind als Person des öffentlichen Lebens auch immer sehr politisch engagiert gewesen. Das erfordert durchaus Mut, nicht wahr?

Mehr noch als Mut braucht man einen klaren Blick und ein politisches Bewusstsein. Zu viele Menschen melden sich gedanklich ab und denken, Politik sei die Aufgabe der anderen. Dabei ist unser gesamter Alltag politisch. Was wir essen ist politisch, wo wir leben, wie und was wir lernen, was wir anziehen oder was wir mit unseren Körpern machen dürfen oder nicht. Das geht uns alle an, nicht nur irgendwelche Männer in Anzügen, die in der Regierung sitzen. Wer dieses Bewusstsein nicht entwickelt, gibt die Verantwortung für sein eigenes Leben an andere ab und lässt die die Entscheidungen treffen. Aber dass andere Leute über mich entscheiden, war immer schon das Letzte, was ich wollte.

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So ticken Sie schon immer, oder? Bereits als Vierzehnjährige sprachen Sie vor laufenden Kameras über AIDS, in einer TV-Aufklärungskampagne. Das hätte sicherlich nicht jeder Teenager gemacht, zumal 1991.

Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie eng mein Aktivismus und mein politisches Engagement immer schon mit meiner künstlerischen Arbeit verknüpft waren. Durch die Schauspielerei war ich immer schon den unterschiedlichsten Aspekten und Themen des menschlichen Daseins ausgesetzt, auch damals in meiner Jugendtheatergruppe in New York. Wenn man immer in die Haut anderer Leute schlüpfen muss und sich mit Erfahrungen beschäftigt, die mit einem selbst nichts zu tun haben, kann man gar nicht anders, als mitfühlend zu werden und Verständnis zu entwickeln. Was wiederum den Weg ebnet zu einem politischen Bewusstsein und Aktivismus.

Sie erwähnten gerade Ihre Memoiren, die vergangenes Jahr unter dem Titel „Thicker Than Water“ erschienen. Warum haben Sie, die sonst sehr auf den Schutz Ihrer Privatsphäre bedacht sind, sich dazu entschieden?

Eigentlich hatte ich ein vollkommen anderes Buch geplant. Nach dem Ende von „Scandal“ war die Idee, eine Art Selbsthilfebuch zu schreiben, „Zehn Dinge, die ich von Olivia Pope gelernt habe“ oder so. Das schien mir ein guter Weg zu sein, etwas zu schreiben, bei dem es nicht um mein Privatleben oder meine Familie geht. Doch nicht lange nachdem ich diese Idee verkauft hatte, eröffneten mir meine Eltern nach vier Jahrzehnten, dass mein Vater nicht mein biologischer Vater ist, sondern ich das Kind eines Samenspenders bin. Das war ein riesiger Schock für mich, eine Offenbarung, die meine Familie für immer veränderte. Ich konnte einfach nicht mehr über Olivia Pope schreiben, während ich mich gleichzeitig auf einer ganz neuen Suche nach mir selbst befand, weil plötzlich 50 Prozent meiner DNA zu einem Mysterium geworden waren und für unsere Familie ein ganz neuer Weg begonnen hatte.

Aber diese Reise mit der Öffentlichkeit zu teilen, ist ein großer Schritt, oder?

Den wollte ich auch erst gar nicht gehen. Aber ich wollte all das für mich selbst aufschreiben. Meinem Verlag wollte ich den Vorschuss zurückzahlen, doch die sagten: Schreib erst mal, dann sehen wir weiter. Und siehe da: Je länger ich daran schrieb, desto mehr wuchs mein Wunsch, diese Ereignisse doch mit anderen zu teilen. Einerseits weil ich finde, dass viele der Lektionen, die ich und wir gelernt haben, auch für andere wertvoll sein können. Und andererseits weil es mir wichtig war, dass ich diese Geschichte erzähle und nicht irgendwann jemand anderes. Ich wollte, dass meine Familie die Deutungshoheit darüber behält.

Hatte das Schreiben in diesem Fall auch etwas Therapeutisches?

Definitiv, das war ein sehr hilfreiches, heilsames Ventil. Für uns alle. Mir war auch wichtig, mittels dieses Buchs meine Eltern zu feiern und ihnen Dankbarkeit zu zeigen. Und das eben nicht nur privat, sondern so, dass es jeder hören kann.

Von „Scandal“ war nun schon ein paar Mal die Rede, die Serie lief sieben Staffeln lang. Zu ihrem großen Erfolg trug auch bei, dass sie – befeuert nicht zuletzt durch Ihr Engagement – wie kaum eine andere auf Twitter diskutiert wurde. Heute sind Sie, wie viele andere, auf der Plattform nicht mehr aktiv. Sehen Sie soziale Netzwerke inzwischen nur noch kritisch?

Nein, nicht ausschließlich. Aber ich denke, wir müssen viel dafür tun, gerade junge Menschen, aber auch unsere eigene mentale Gesundheit zu schützen. Das wird online immer schwieriger. Bei einem sehr bewussten Umgang kann Social Media aber nach wie vor sehr positiv genutzt werden, etwa um sich zu engagieren und Gleichgesinnte zu finden. Selbst bei der Planung von „Shadow Force“ waren soziale Netzwerke im Spiel. Als ich Omar Sy die männliche Hauptrolle anbieten wollte, ging ich nämlich nicht den üblichen, umständlichen Weg über Agenten und Manager, sondern schrieb ihm eine Nachricht auf Instagram!

Das Ende der Serie liegt nun sieben Jahre zurück, aber nichts liebt Hollywood aktuell ja so sehr wie das Wiederauflebenlassen früherer Erfolge. Könnten Sie sich vorstellen, dass wir Olivia Pope doch noch einmal wiedersehen?

Keine Ahnung. Wenn, dann nicht in Serienform. Die Rolle noch einmal über einen längeren Zeitraum zu spielen, kann ich mir nicht vorstellen. Aber ein „Scandal“-Film? Das könnte doch ganz spaßig sein.

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