Aiwanger beschwört im Hofoldinger Forst die Energiewende – Landkreis München | ABC-Z

Im Forst wird Hubert Aiwanger sehr schnell zum Waldbauern, der er im Nebenerwerb auch noch ist. An diesem Freitagnachmittag steht Bayerns Wirtschaftsminister mitten im Hofoldinger Forst östlich der Salzburger Autobahn, blickt auf die Baumkronen der hinter dem Feldweg aufragenden Fichten und fällt sein Urteil: „Die schauen nicht besonders aus, die muss man eh bald rausschneiden.“ Soll heißen: Um die dürren Stangerl ist es nicht schade. Und möglicherweise ist es diese Erkenntnis, dass hier im Staatsforst kein wertvoller Baumbestand dem gigantischen Turm zum Opfer fällt, der sich hinter dem Minister in den Himmel reckt, die den Freie-Wähler-Chef ein klares Bekenntnis ablegen lässt: „Wenn die Debatte geführt wird, ob Windräder im Wald verantwortbar sind, muss man das eindeutig dreimal mit Ja beantworten.“
Noch liegen die gigantischen, etwa 80 Meter langen Rotorblätter auf der Baustelle im Forst auf der Erde, erst in den kommenden Tagen werden Bauarbeiter mithilfe eines mehr als 200 Meter hohen blauen Krans die Flügel auf 160 Meter Höhe an den Turm montieren. Dann steht auch das Windrad auf Gebiet der Gemeinde Aying. Wer den Blick nach Westen richtet, der sieht – hinter der A8 – bereits die Windenergieanlage der Gemeinde Otterfing mit ihren Flügeln über den Baumkronen thronen. Und nur wenige hundert Meter weiter nördlich wird sich voraussichtlich in zwei Wochen das Sauerlacher Windrad, das erste von insgesamt drei im Hofoldinger Forst, nach dem Wind ausrichten, drehen und grünen Strom produzieren.
Aiwanger ist nicht zum ersten Mal im Münchner Süden, um sich selbst ein Bild davon zu machen, wie die Energiewende dank der Windkraft vorankommt. Vor ziemlich genau einem Jahr war er nur ein paar Kilometer weiter im Höhenkirchner Forst beim Spatenstich von ebenfalls drei Windrädern der Gemeinden Höhenkirchen-Siegertsbrunn, Egmating und Oberpframmern. Das Projekt aber musste unterbrochen werden, weil die Gemeinde Ottobrunn, die ihr Trinkwasser aus dem dortigen Wasserschutzgebiet bezieht, gegen den Weiterbau geklagt hatte.
Im Hofoldinger Forst aber kann Aiwanger eine Erfolgsgeschichte bestaunen, die einen sehr langen Vorlauf hatte – und ausgerechnet der Minister selbst gibt sich überzeugt, dass der Freistaat in den kommenden Jahren einen regelrechten Boom beim Ausbau der Windenergie erleben wird. Vor allem auf jenen Waldflächen, die dem Freistaat Bayern gehören: den Staatsforsten wie eben dem Hofoldinger Forst. Mit einer Fläche von rund 800 000 Hektar machen diese etwa elf Prozent der bayerischen Landesfläche und ein Drittel des gesamten Waldbestands aus. Etwa 500 Windräder sollen dort in den kommenden Jahren entstehen. Der bayerische Wirtschafts- und Energieminister hat dem Ausbau der Windenergie in Staatsforsten selbst mit der Abschaffung des Vetorechts der Kommunen gegen Windräder in staatlichen Wäldern Vorschub geleistet. Allerdings musste Aiwanger in jüngerer Vergangenheit auch Rückschläge hinnehmen: etwa beim geplanten Windpark in Mehring im Landkreis Altötting, dem größten Onshore-Projekt in Bayern, der mehrheitlich durch einen Bürgerentscheid abgelehnt wurde.
Die Unterstützung der Bürger für die Windräder ist groß, weil sie sich finanziell beteiligen konnten
In den Gemeinden Sauerlach, Aying und Otterfing indes ist die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger für die Windräder enorm – weil sie an dem kleinen Windpark finanziell beteiligt worden sind. Im vergangenen Jahr, erinnert Ayings Bürgermeister Peter Wagner (CSU) beim Aiwanger-Besuch am Freitag, wurden bei einer Crowdfunding-Aktion sechs Millionen Euro eingesammelt, und zwar ausschließlich von Anlegern aus den drei Gemeinden. „Innerhalb von zweieinhalb Stunden waren die sechs Millionen gezeichnet“, so Wagner, der wie seine Amtskollegen Barbara Bogner (Unabhängige Bürgervereinigung) aus Sauerlach und Michael Falkenhahn (SPD) aus Otterfing betont, dass es für die Akzeptanz entscheidend gewesen sei, die Menschen aktiv mitzunehmen. „Wir waren als Bürgermeister auch bei jeder Infoveranstaltung dabei und haben versucht, auch alle technischen Fragen zu beantworten“, sagt er. Und als Bogner an die lange Planungszeit von mehr als zehn Jahren und politische Hindernisse wie die bayerische 10-H-Regel erinnert, die jahrelang den Bau neuer Anlagen verhindert hat, nickt Aiwanger merklich.

Der Wind hat sich offenbar auch innerhalb der Staatsregierung gedreht. Und der Minister verspricht, dass die Politik ihre Hausaufgaben machen werde, damit Projekte wie das im Hofoldinger Forst nachhaltig Erfolgsgeschichten blieben. „Nicht dass wir Windparks haben, aber die Leitungsnetze sind nicht ertüchtigt“, sagt Aiwanger. Es müssten rechtzeitig „aufnehmende Leitungen“ geschaffen werden. Denn innerhalb der nächsten Jahre, so der Minister, würden in Bayern um die tausend Windräder neu gebaut. 250 befänden sich derzeit im Genehmigungsverfahren, weitere 140 seien bereits genehmigt, aber bisher nicht gebaut. Und auch private Waldbesitzer, so Aiwanger, hätten vermehrt Interesse an Windenergieanlagen auf ihrem Grund. Mit der Pacht verdienten sie auch mehr als mit der Waldbewirtschaftung selbst.
In wenigen Wochen werden sich alle drei Windräder im Hofoldinger Forst drehen und Strom für nahezu 9000 Haushalte erzeugen. Im benachbarten Höhenkirchner Forst laufen die Planungen mittlerweile wieder auf Hochtouren. Anstatt der dort ursprünglich geplanten drei Anlagen sollen künftig sogar fünf grünen Strom liefern.