Berliner Behindertenparlament: Fokussieren auf die größten Baustellen | ABC-Z

Eine feste Struktur hat das 2020 vom Behindertenaktivisten Christian Specht ins Leben gerufene Parlament bis heute nicht, es lebt von freiwilligem Engagement, dem Rückhalt der Verbände und einer relativ prekären Finanzierung aus diversen Fördertöpfen. „Mit den tausenden Stunden Ehrenamt, die geleistet werden, könnte man eine Behörde betreiben“, formuliert es Thorsten Gutt von der Landesvereinigung Selbsthilfe Berlin etwas zugespitzt. Er gehört zum „Vorbereitungsteam“, das auch das Quasi-Präsidium des Parlaments stellt.
Formale Gremien gibt es bis auf Weiteres nicht, allerdings hat sich das Prozedere bewährt, bei dem „Fokusgruppen“ sich über das Jahr hinweg mit drängenden Themen befassen. Bei der jährlichen Sitzung im Plenarsaal des Abgeordnetenhauses – die letzte fand im Dezember 2024 statt – formulieren die im Losverfahren ermittelten 100 Mitglieder dann Anträge an die Politik.
Auch hier gibt es freilich noch keinen konkreten Mechanismus, mit dem die Verwaltung auf die Forderungen reagiert. Für Dominik Peter vom Paritätischen Wohlfahrtsverband, ebenfalls Mitglied des Vorbereitungsteams und Moderator der Auftaktveranstaltung, ist es trotzdem schon ein großer Gewinn, dass Menschen mit Behinderung über das Parlamentsformat der Politik „auf Augenhöhe begegnen: Das unterscheidet dieses offene Gremium von der Beteiligung der Behindertenverbände.“
Wie ernst der Senat das Behindertenparlament nimmt, zeigte sich an der breiten Teilnahme von SenatorInnen am letzten Parlamentstag: Von der SPD standen Franziska Giffey (Wirtschaft), Cansel Kiziltepe (Soziales) und Ina Czyborra (Gesundheit), Rede und Antwort, für die CDU Stefan Ewers (Finanzen) und Ute Bonde (Mobilität). Auch die InklusionspolitikerInnen der Fraktionen sind feste AnsprechpartnerInnen und Counterpart des Parlaments.
Auch wenn Menschen mit Behinderung in allen Lebensbereichen besondere Bedürfnisse haben, hat das Parlament in diesem Jahr die Fokusgruppen auf 4 von 9 reduziert, um sich nicht in der Vielfalt zu verlieren: Arbeit und Beschäftigung, Bildung, Mobilität sowie Kultur und Medien. Am Dienstag stellten sie vor, was den Beteiligten unter den Nägeln brennt.
Sonnenblumen im ÖPNV
In Sachen Mobilität etwa reichten die Forderungen von einer Quote für Behindertenparkplätze über mehr abgeflachte Bordsteinkanten und die Verbannung von E-Scootern bis zu einem „Sunflower Lanyard“ für den ÖPNV – nach dem Vorbild von Flughäfen, wo sich Menschen mit einer „unsichtbaren Behinderung“ ein Sonnenblumen-Bändchen umhängen können, das ihre besonderen Bedürfnisse signalisiert.
Auch Versprechen wurden am Dienstag gegeben: Verkehrsstaatssekretär Johannes Wieczorek, der mit seinen KollegInnen für Soziales und Bildung, Aziz Bozkurt und Christina Henke, für eine einleitende Runde gekommen war, versicherte, dass der Begleitservice des VBB „nicht sterben“ werde – dafür sei das gut angenommene Angebot viel zu wichtig.