Nach Attacke auf SPD-Politikerin – Angeklagter irritiert mit Respektlosigkeit | ABC-Z

Berlin. Vier junge Männer sollen im Dezember mehrere SPD-Mitglieder in Lichterfelde attackiert haben. Seit Mittwoch stehen sie vor Gericht.
Während Florian K. den ganzen Mittwochvormittag über mit versteinerter Miene in den Saal blickte, musste sein jüngerer Bruder Pascal wieder und wieder das Lachen unterdrücken. Vor allem die von der Staatsanwältin und von Zeugen zwar sachlich, aber im Wortlaut vorgetragenen frauen- und fremdenfeindlichen Beleidigungen und Parolen schienen den 17-Jährigen sichtlich zu amüsieren. Die Vorwürfe gegen ihn und seine drei Mitangeklagten wiegen dafür umso schwerer.
Knapp fünf Monate nach einem brutalen Überfall auf eine SPD-Politikerin und ihren Ehemann müssen sich die vier mutmaßlichen Neonazis vor dem Amtsgericht Tiergarten dafür verantworten. Die Anklage gegen die Brüder Pascal und Florian G. (19) sowie Elias U. (19) und Phillip B. (20) lautet auf gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung, Beleidigung, Widerstand gegen sowie tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte. Der Prozess begann mit einem Geständnis. Während drei der Angeklagten schwiegen, äußerte sich der vierte zu den Vorwürfen.
Angeklagten kamen aus Sachsen-Anhalt nach Berlin
Über seinen Anwalt räumte Elias U. ein, am 14. Dezember 2024 an der Attacke auf SPD-Kommunalpolitikerin Carolyn Macmillan, ihren Ehemann sowie mehrere Polizeibeamte in Lichterfelde beteiligt gewesen zu sein. „Durch Schubsen, Schläge und Tritte habe ich auch in Kauf genommen, dass die Personen verletzt werden und habe auch erkannt, dass es sich um Personen handelt, die auch politisch aktiv waren.“ Macmillans Mann musste im Nachgang im Krankenhaus behandelt werden. Ein Polizist erlitt laut Anklage eine drei Zentimeter lange Schnittwunde unter dem Auge.
SPD-Kommunalpolitikerin Carolyn Macmillan sagte als erste Zeugin aus.
© SPD Berlin | SPD Berlin
Die Opfer und die mutmaßlichen Täter trafen dabei zufällig aufeinander. Die Männer aus Sachsen-Anhalt, die Ermittler der gewaltbereiten rechten Jugendszene zurechnen, kamen am Tattag aus Halle (Saale) nach Berlin, um an einer rechten Demonstration in der Hauptstadt teilzunehmen. Sie seien dann an der falschen Haltestelle ausgestiegen, gab Elias U. zu Protokoll. Statt wie geplant nach Lichtenberg fuhren sie nach Lichterfelde.
Angreifer erkannten SPD-Mitglieder an ihren Mützen
Laut Anklage hätten sie „bei Gelegenheit gegen politische Gegner“ vorgehen wollen, heißt es in der Anklage. Die Gelegenheit bot sich an der Bushaltestelle gegenüber des S-Bahnhofs Lichterfelde-Ost. Dort hatten Macmillan, Vorsitzende der SPD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf, und ihre Genossen gerade ihren Wahlkampfstand eingepackt. Plötzlich hätten ihnen Unbekannte ihre Mützen mit SPD-Logo vom Kopf gerissen, sagte die Politikerin. Dann sei ihr Mann umgestoßen worden. Im Anschluss hätten die Täter teils mit Springerstiefeln auf den am Boden liegenden 50-Jährigen eingetreten.
Auch interessant

Im Zeugenstand sprach Macmillan von „Todesangst“. „Ich habe gedacht, mein Mann stirbt gleich“, sagte die 49-Jährige. „Ich lag auf dem Boden und dachte, ich bin die nächste.“ Die Angreifer hätten ihrem Eindruck nach unter dem Einfluss von Substanzen gestanden, „die einen mutig machen“. Elias U. gab tatsächlich an, erheblich alkoholisiert gewesen zu sein.
Laut des Ehepaars seien sie von den Angreifern auch immer wieder etwa als „linke Zecken“ beschimpft worden. „Ich hatte keine Chance, mich zu wehren“, sagte der Ehemann im Zeugenstand. Er sei gegen Oberkörper und Kopf getreten worden. Die Attacke sei wie „aus dem Nichts gekommen“. Auch als die Polizei eintraf, beruhigte sich die Lage nicht. Zwar hätten die Männer von Macmillan und ihrem Mann abgelassen. Stattdessen haben die vier laut Anklage dann aber die Beamten angegriffen, wobei die Fensterscheibe eines Imbisses zerstört und einer der Polizisten durch eine Scherbe im Gesicht verletzt worden sei.
Insgesamt fast 500 Straftaten im Vorfeld der Bundestagswahl
„Mein Ziel war, dass ich meine Gesinnung auch mit Gewalt zum Ausdruck bringen wollte und war auch bereit, Gewalt auszuüben“, teilte Elias U. über seinen Anwalt mit. Er sprach von einem „Irrweg“ und versprach, „politisch andere Wege einschlagen“ und „der Gewalt abschwören“ zu wollen. „In der Haft habe ich über mein Verhalten und meine Einstellung nachgedacht.“ Elias U. sowie die beiden Brüder Florian und Pascal K. sitzen seit ihrer Festnahme in Berlin in Untersuchungshaft. Lediglich Phillipp B. ist auf freiem Fuß.
Morgenpost der Chefredaktion
Die ersten News des Tages sind Chefsache: Täglich um 6.30 Uhr schreibt Ihnen die Chefredaktion.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der
Werbevereinbarung
zu.
Insgesamt erfasste die Polizei in Berlin im Zusammenhang mit dem Bundestagswahlkampf bis zum Wahltag am 23. Februar 491 Straftaten, wie die Behörde der Berliner Morgenpost auf Anfrage mitteilte. Der größte Teil davon waren Sachbeschädigungen (374) – zumeist beschmierte oder runtergerissene Wahlplakate. Insgesamt 19 Gewaltdelikte wurden registriert, darunter elf Fälle von Körperverletzung. Der Prozess gegen die vier mutmaßlichen Neonazis soll am 28. Mai fortgesetzt werden.