Der US-amerikanische Mediendiskurs gleicht einer Marktschreierei. Alle brüllen wild durcheinander, oft wiederholen sie sich. Lügen, Übertreibungen und Diffamierungen sind die Norm. Der Lärm ist ohrenbetäubend, das Angebot ist spärlich. Während das Geschrei möglichst viele Leute von einer Seite überzeugen soll, haben sich die meisten längst entschieden. So wird um wenige Unentschlossene gebrüllt, gezankt, gekämpft. Und all das, während die lautesten Marktschreier den leisen die Stimme stehlen. Die Lösung? Noch lauter schreien? Nein, es müssen alternative Märkte her.
Die journalistischen Fronten in den USA sind nicht erst seit Trumps zweiter Präsidentschaft verhärtet. Während der Journalismus längst nicht nur dort bedroht ist, zeigt sich besonders in der weltweit ältesten Demokratie seine Aushöhlung. Den Nachrichtenagenturen Associated Press (AP), Bloomberg und Reuters wird der Zutritt zum Weißen Haus verwehrt. Trump verbannt jede kritische Berichterstattung zu seiner Person als „illegal“. Fox News und weitere Vertreter der erzrepublikanischen Presse wettern permanent gegen das angeblich demokratische „Establishment“. Dazu haben Trump, Vance und Co längst das Potential einer neuen Gruppe erkannt: das Influencertum.
Bereits Ende Januar ließ die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, auch Podcaster und Influencer in den Presseraum. Schon im Wahlkampf nutzte Trump den Moderator Joe Rogan und seinen gleichnamigen Podcast als mitunter wichtigstes Sprachrohr. Nun mobilisiert Pastor Franklin Graham für den Präsidenten die evangelikalen Kräfte in den sozialen Medien, während Influencer wie die Black-Lives-Matter-Gegnerin Candace Owens und Morgonn Blaire McMichael die junge Zielgruppe ansprechen. Als Gen-Z-Stimme nutzt McMichael nicht nur ihre eigenen Kanäle, sondern auch die der erzkonservativen Studierendenorganisation Turning Point USA. Mit reichlich Kalkül ließ Trump sich schon im Wahlkampf mit jungen Influencern wie Logan Paul, The Nelk Boys und Adin Ross sehen und tauchte in deren Livestreams auf.
Demokratische Antwort von Influencer*innen
Doch der trumpsche Griff nach der Influencer-Welt bleibt nicht ohne demokratische Antwort. Künstlerinnen wie Zoe Saldana, Kerry Washington, Jojo Siwa und Yara Shahidi distanzieren sich in aller Öffentlichkeit von Trump und mobilisieren ihre millionenfache Followerschaft. Während sich in den sozialen Medien – das ehemalige Twitter einmal ausgenommen – Positionen gegen Trump noch offen kommunizieren lassen, ist die etablierte Presse im Umbruch.
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Verkörpert wird dieser Wandel unter anderem durch die Washington Post, die seit über einem Jahrzehnt dem Multimilliardär Jeff Bezos gehört. Mit ihrem Verkauf büßte die Zeitung ihre journalistische Integrität ein, denn Bezos nutzt die Plattform, um seine eigenen wirtschaftlichen Narrative zu setzen. Auch deswegen verließ die langjährige Kolumnistin Jennifer Rubin das Blatt Anfang des Jahres und gründete ihren eigenen trumpkritischen Substack-Newsletter The Contrarian. Der Untertitel – „Not Owned By Anybody“ – macht deutlich, wie sehr Rubin auf journalistische Unabhängigkeit setzt. Nach gerade einmal vier Monaten hat sie den Zuspruch von über einer halben Million Abonnent:innen.
Seit 2015 sammeln Susanne Köhler und Gerhard Keller auf wahrheitskaempfer.de Porträts ermordeter und inhaftierter Journalist:innen aus aller Welt. Über 800 Bilder, ergänzt durch Informationen zu den Personen, erinnern an Opfer von Gewalt und Repression. So entstand ein einzigartiges Archiv weltweiter Unterdrückung der Pressefreiheit. Hier zeigen wir einige ausgewählte Porträts.
Pawel Grigorjewitsch Scheremet – 28. 11. 1971–20. 7. 2016: Er war ein regimekritischer belarussischer und später russischer Radio-, Fernseh- und Internetjournalist. In Belarus saß er zweimal im Gefängnis, ihm wurde die Staatsbürgerschaft aberkannt, worauf er für russische Medien arbeitete. Er starb in Kyjiw durch die Explosion einer Autobombe mußmaßlich des belarussischen Geheimdienstes.
Kunst: Angelika Bomhard Wey
Rafael Murúa Manriquez – 1985-2019: Der mexikanische Reporter des Radiosenders Kashana in Santa Rosalina (Baja California Sur) berichtete über Menschenrechte, Umweltschutz und Kultur. Am 20. Januar 2019 wurde er entführt. Die Leiche des damals 34-Jährigen wurde bald darauf mit zahlreichen Stichwunden am Straßenrand zwischen Santa Rosalia und San Ignacio gefunden.
Kunst: Johannes Stahl
Hero Bahadin – 1997–23. 8. 2024: Die irakisch-kurdische Videoredakteurin arbeite für Sterk TV, einem der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) nahestehenden Sender. Am 23. August 2024 wurde die 27-Jährige durch einen gezielten türkischen Drohnenangriff auf einer Straße östlich von Sulaymaniyyah in der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak getötet.
Kunst: Huriye Genc
Nanou Kazaku – Die Radiojournalistin aus Goma, der Hauptstadt der Provinz Nord-Kivu in der Demokratischen Republik Kongo, berichtete am 17. Februar 2021 über die gewaltsame Räumung von illegal besetztem Land und über eine Demonstration vor Ort. Die zum Teil bewaffneten Demonstranten lieferten sich Schusswechsel mit der Polizei, als Kazaku eine Kugel traf. Es blieb unklar, woher die Kugel abgefeuert wurde.
Kunst: Verena Rossow
Adel Zourob -Der freiberufliche palästinensische Journalist arbeitete für mehrere Medien, darunter das der Terrororganisation Hamas nahestehende Al-Aqsa Voice Radio. Am 18. Dezember 2023 traf ein israelischer Luftangriff das Haus seiner Familie in Rafah im südlichen Gazastreifen. Der Journalist wurde zusammen mit 25 Familienmitgliedern getötet.
Kunst: Patrick MacAllister
Maulana Siddique Mengal – Der pakistanische freie Journalist und Präsident des Khuzdar Press Club war in der Provinz Belutschistan auch Funktionär für die den Taliban nahestehende Partei Jamiat Ulema-e-Islam. Mengal wurde am Internationalen Tag der Pressefreiheit, dem 3. Mai 2024, von einer Explosion getötet, als er zur Moschee fuhr. Er ist der dritte ermordete Präsident des Khuzdar Press Club seit 2009
Kunst: CUCULUM (Axel Kuckuk)
Ryan Evans – 1986–24. 8. 2024: Der walisische Brite arbeitete als Sicherheitsberater für Medien. Früher war er Soldat, dann wurde er Personenschützer für Diplomaten. Evans war einer von sechs Mitarbeitern der Nachrichtenagentur Reuters, deren Hotel in Kramatorsk (Ukraine) am 24. August 2024 von einer russischen Rakete getroffen wurde. Evans starb, zwei Kollegen wurden verletzt, davon ein Kameramann schwer.
Kunst: Maria von Stülpnagel
Eduardo Sestoso – 1967–1. 5. 2018: Der philippinische Radiojournalist des Senders 91.7 FM in Dumaguete City im Süden der zentralen Insel Negros wurde auf dem Heimweg von der Arbeit von mehreren unbekannten Schützen angeschossen. Er überlebte nur noch einen weiteren Tag im Krankenhaus. Sestoso war der bereits neunte Journalist, der unter der Präsidentschaft von Rodrigo Duterte (2016–2022) ermordet wurde.
Kunst: Christian Scharfenberg
Austin Bennett Tice – Der US-Amerikaner reiste im Mai 2012 31-jährig als freier Journalist nach Syrien. Er war einer der wenigen ausländischen Reporter, die während der Intensivierung des Bürgerkrieges vor Ort waren. Am 13. August 2012 wurde er nahe Damaskus entführt. Die US-Regierung nimmt an, dass er vom damaligen Assad-Regime oder von ihm nahen Gruppen entführt wurde. Seitdem bleibt er verschwunden.
Kunst: Carole Isler
Jelena Milaschina – Die russische Investigativjournalistin der unabhängigen Zeitung Nowaja Gaseta setzte u.a. in Tschetschenien die Recherchen ihrer 2006 ermordeten Kollegin Anna Politkowskaja fort. 2006 wurde Milaschina im nordossetischen Beslan angegriffen, 2012 erneut nahe Moskau. Im Juli 2023 wurden Milaschina und ihr Anwalt kurz nach ihrer Ankunft in Grosny zusammengeschlagen und schwer verletzt.
Kunst: Steff Murschetz
Romelson Vilcin war in Haiti Korrespondent für den Radiosender Génération 80. Am 30. Oktober 2022 forderte er mit anderen Journalisten vor dem Polizeirevier Delmas 33 in der Hauptstadt Port-au-Prince die Freilassung eines zu Unrecht inhaftierten Journalistenkollegen. Die Polizei versuchte, sie mit Tränengas und Schlägen zurückzudrängen. Ein Tränengasgeschoss traf Vilcin am Kopf. Er starb später im Hospital.
Kunst: Susanne Köhler
Viktorya Roschtschyna – 1996–2024: Die ukrainische Journalistin berichtete aus Mariupol und Saporischschja. Als sie aus der russisch besetzten Ostukraine berichten wollte, wurde sie dort im August 2023 vom Geheimdienst FSB verhaftet. Russland erklärte sie sei im September 2024 gestorben. Die Leiche wurde im Februar 2025 von Russland übergeben, wies Spuren von Folter auf, und Organe waren entnommen worden.
Kunst: Susanne Köhler
Serkan Sedat Güray – Der in der Türkei preisgekrönte Radiojournalist wurde 2016 festgenommen unter dem Vorwurf, auf Twitter Staatspräsident Erdoğan zu beleidigen. Güray bestritt dies und kam auf Bewährung frei. Im Februar 2017 wurde er erneut festgenommen wegen angeblicher Terrorpropaganda im Radio. Es dauerte allein 16 Monate bis zu einer Anklageschrift. Güray wartet in Haft immer noch auf ein Urteil.
Kunst: Christina Hermann
Dieser von der Öffentlichkeit schwarmfinanzierte Journalismus ist eine junge, aber erfolgreiche Alternative zu den üblichen Kanälen. Prodemokratische Plattformen wie MeidasTouch, The Majority Report und The Young Turks finanzieren sich zum Großteil durch Crowdfunding, beeinflussen die US-amerikanische Medienlandschaft und sind mit ihren Moderator:innen selbst Teil des Influencertums. Cenk Uygur, der Gründer und CEO von The Young Turks, meint: „Die Pressefreiheit in Amerika war großartig, bis Trump kam. Jetzt verklagt er die Medienunternehmen, die ihn kritisieren, und bedroht ihre Lizenz. Er ist ein klassischer autoritärer Tyrann.“
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