Erding: Peter Pichlers neues Trautonium-Album -Zukunftsmusik aus der Vergangenheit – Erding | ABC-Z

Mr. Spock aus dem Raumschiff Enterprise, an den sich die Älteren sicher noch erinnern, hat in der Regel alles immer sehr genau durchschaut. Manchmal aber musste auch er als Oberlogiker einräumen, dass es Unerwartetes und schwer Kategorisierbares gibt. In solchen Situationen sagte der sonst so wortgewandte Mr. Spock nur ein fein betontes Wort: „Faszinierend!“
Was hat das mit Peter Pichler und dem Trautonium zu tun? Es ist, zugegeben, ein frei assoziativer Gedankengang. Er hilft zur Erklärung aber vielleicht gerade deswegen. Pichler hat ein Album mit klassischen Originalstücken für Trautonium gemacht. Und es ist wie ein Zeit-und-Raum-Paradoxon, das sich nicht leicht erschließt, in dem aber tiefergehende Erkenntnisse stecken. Es ist eine künstlerische Zeitreise um einige Jahrzehnte zurück und im selben Moment ist es unglaublich aktuell. Peter Pichler präsentiert uns faszinierende Zukunftsmusik aus der Vergangenheit.
Das bei Neos erschienen Album hat den Titel „Ins Nichts mit ihm – Music against Despots for Mixturtrautonium and Voice“. Zu hören sind darauf Originalstücke von Harald Genzmer, Paul Hindemith und Paul Dessau, der ein Brecht-Drama vertont hat, außerdem eine Bearbeitung einer Arie von Henry Purcell sowie Kompositionen von Peter Pichler. Neben dem Trautonium ist die grandiose Sopranistin Melanie Dreher zu hören. Am vergangenen Freitag fand in den Kammerspielen München das Release-Konzert statt.
Peter Pichler ist im Landkreis Erding nicht wenigen Menschen als ganz realer und reeller Typ bekannt: als Gitarrenlehrer an der Kreismusikschule Erding. Er hat seit mehr als 20 Jahren mehrere Hundert Buben und Mädchen in der Handhabung des vielleicht beliebtesten und bekanntesten Instruments der Welt unterrichtet und er tut es noch immer.
Er mache es gerne, betont er, weil die KMS Erding eine tolle Musikschule sei. Und er möchte auch weiterhin Gitarrenlehrer sein, weil er von seinen Schülerinnen und Schülern immer wieder selbst so viel Neues über Musik lernen kann. Sie haben ihm immer wieder Musik gezeigt und vorgespielt, an die er, Jahrgang 1967, nicht gedacht hatte. Zuletzt zum Beispiel die Musik aus Computerspielen.
1930 war das Trautonium das modernste Instrument überhaupt
Als Musikstudent lernte Peter Pichler das Trautonium kennen, das damals kaum unbekannter war als heute. Es ist eines der ganz frühen elektronischen Instrumente. Das Trautonium war 1930, als es erstmals in Berlin vorgeführt wurde, jedoch alles andere als ein Gimmick – es war nicht weniger als das modernste Instrument überhaupt. Wie überhaupt Berlin damals der modernste Ort der Welt war, allen anderen einen Schritt voraus.
Das Trautonium wurde an der Rundfunkversuchsstelle der Musikhochschule Berlin entwickelt, wo man sich vorgenommen hatte, das Verhältnis von Musik und Technik im Rundfunk zu erforschen. Man glaubt es kaum, wie ernst man diese Sache genommen hat.
Von wegen, im Radio spielt man halt Schlager und Hits rauf und runter. Tatsächlich ging es um die Zukunft der Musik, die fraglos elektronisch sein würde, so wie alles andere auch. Denn elektronisch erzeugte Musik ließe sich, so die Überlegung, direkt in den Äther senden. Und es wäre viel einfacher und günstiger, hätte man schließlich nur ein Instrument, auf dem sich alles spielen ließe. Wer bräuchte da noch Orchester.
Paul Hindemith, damals Anfang 30 und schon ein weltweit anerkannter Star als Komponist, entwickelte zusammen mit dem Ingenieur Friedrich Trautwein das neue Instrument. Dazu kam der junge Oskar Sala, ein kaum 20 Jahre junger, hochbegabter Schüler Hindemiths, der das Trautonium spielte.
„Doch die Geschichte des Trautoniums ist eine Geschichte des Scheiterns“, sagt Peter Pichler. Denn so überzeugt und hoffnungsvoll die Sache angegangen wurde, klappte es aus mehr als einem Grund nicht. Als 1933 die Nationalsozialisten die Macht ergriffen, war erst einmal Schluss mit dem künstlerisch avantgardistischen und technisch modernistischem Ansatz. Für Joseph Goebbels war Rundfunk kein Medium zur Verbreitung von Kunst, sondern ein Propagandainstrument.
Ein Verkaufsschlager wurden die von der Firma Telefunken gebauten Trautonien in verschiedenen Ausführungen auch nicht. Das Instrument war zu teuer und kompliziert zu spielen, erst recht das Mixturtrautonium, mit dem man überhaupt erst mehrstimmig spielen konnte.
Peter Pichler aber entdeckte es als Student für sich, war fasziniert und besuchte mehrmals Oskar Sala, dem Einzigen, der noch Trautonium spielte, um mehr darüber zu lernen. Sala trat aber nicht mehr auf, sondern verlegte sich auf Filmmusiken. In Hitchcocks „Die Vögel“ ist das Trautonium zu hören oder beim Zeichentrickklassiker „Ein Münchner im Himmel“. Nunmehr ist Pichler der einzige auf der Welt, der die klassischen Stücke für Trautonium erklingen lassen kann. Kommen er und das Trautonium noch groß raus? Pichler sagt: „In hundert Jahren bin ich berühmt.“
Peter Pichler spielt Teile seines neuen Albums am Samstag, 10. Mai, während der Langen Nacht der Musik im Schiffsgarten des Deutschen Museums.