Wirtschaft

Das Ratespiel „Die Firmenfeier“ in der Spielekolumne | ABC-Z

„Ist dir mal aufgefallen, wie teuer Schokolade ist?“, fragte ich unsere Freundin, die Buchhändlerin, die gerade sortierte, was vor und neben ihrer Ladenkasse lag: Notizbücher, Plastikfiguren mit Umhängen und Zauberstäben, Bleistifte mit Drachenköpfen am Griff und Täfelchen mit Milchschokolade, auf deren Verpackung Kinderbuchgestalten durch eine riesige Bibliothek liefen.

„Ich weiß“, sagte die Buchhändlerin. „Schokolade ist schon im Einkauf so teuer, da verdiene ich so gut wie nichts.“ Dann erzählte sie von einem Krimi, „Bretonische Versuchungen“, in dem die erste Leiche in einem Bottich flüssiger Schokolade ertrinkt. „Man lernt dabei eine Menge darüber, wie der Streit über das richtige Schokoladenrezept eskalieren kann“, sagte sie noch, obwohl sie das auch vom Einkaufen mit Ullrich kenne. Dann machten wir einen Termin für einen neuen Spieleabend aus.

Alles voller Blut

Mein nordhessischer Cousin hatte einen dicken Umschlag mitgebracht, als Dank dafür, dass wir ihn bei uns aufgenommen hatten, als seine Wohnung wegen der Risse in den Wänden gesperrt worden war. „Krimispiel“ stand darauf, eine Zeichnung zeigte ein Fabrikgebäude aus Backstein mit dem Firmenschild „Edelberger Schokolade“ und einem Banner mit „100 Jahre Jubiläum“. Ullrich hatte eine Flasche Baileys dabei.

Nach dem Essen erklärte uns mein Cousin die Regeln. Wir sollten im Auftrag des Eigentümers von „Edelberger Schokolade“ gemeinsam in einem Mordfall ermitteln, der sich während der Firmenfeier zugetragen hat. Dabei wurde der Mitarbeiter Oliver Borgmann tot aufgefunden, außerdem der zugedröhnte Firmenerbe Ferdinand Edelberger, mit Blut vollgeschmiert und ohne Erinnerung an die letzten Stunden.

Dessen Vater, Edelberger Senior, wandte sich nun an uns und schickte einen Haufen Papier mit: Quittungen, Fotos von der Feier, ein Polizeiprotokoll, Gutachten, Ausdrucke von Websites und dergleichen mehr. Wir sollten uns daraus ein Bild machen, den Täter finden, das Motiv ermitteln und den Verlauf des Abends rekonstruieren.

Kommissar Ullrich in Hochform

Ullrich fragte, warum das nicht jeder für sich lösen solle, dann könne man ja sehen, wer am schnellsten ist. Er schnappte sich eines der Beweisstücke, die von der Polizei gesammelt wurden, und las von einem Zettel vor: „Ich bin schwanger, wir sollten reden. Triff mich um 21 Uhr im Konferenzraum Madrid.“

Dann studierte er die Fotos, die Gäste dabei zeigten, wie sie einander zuprosteten, während meine Frau ein psychologisches Gutachten einer Mitarbeiterin ansah, die als bösartig und manipulativ, aber nicht körperlich aggressiv beschrieben wurde. Unser Sohn studierte ein Verhörprotokoll der Polizei und mein Cousin den Lageplan der Firma.

„Schaut mal“, sagte die Buchhändlerin, „hier ist die Telefonnummer des Opfers. Wollen wir mal anrufen?“ Ich fand das gruselig, die anderen waren begeistert, Oliver Borgmanns Schwäbisch zu hören. Dann sahen wir Handyvideos von der Feier, die wohl ziemlich eskaliert war, vor allem auf der Tanzfläche, und Ullrich lächelte bei jedem neuen Beweisstück, nickte, murmelte „so, so“ und machte sich Notizen.

Kein gutes Vater-Sohn-Verhältnis

„Also, Ullrich“, sagte mein Cousin, „das hält ja keiner mehr aus. Weißt du, wer es war?“

„Ihr denn nicht?“, fragte Ullrich angestrengt erstaunt. Die Buchhändlerin seufzte.

Dann erklärte uns Ullrich, dass natürlich der Firmenpatriarch der Täter sei.

„Aber sein eigener Sohn ist der Hauptverdächtige“, sagte ich.

„Vielleicht haben die kein so gutes Verhältnis“, sagte Ullrich, „das kommt in den besten Kreisen vor. Noch Fragen?“

„Ja“, sagte meine Frau. „Warum beauftragt dann ausgerechnet der Täter uns mit den Ermittlungen?“

Wenn der Chef keine Abfindung zahlen will

„Alles Tarnung. Noch was?“

„Warum bringt er seinen Angestellten um, Kommissar Ullrich?“, fragte die Buchhändlerin. „Was ist das Motiv?“

„Vielleicht wollte er ihn loswerden und keine Abfindung zahlen“, sagte Ullrich.

Als unser Sohn sagte, dass der Firmenchef nach der Überwachungskamera zur Tatzeit gar nicht mehr im Gebäude war, nannte Ullrich ihn einen kleinen Besserwisser und sagte, dass Sherlock Holmes keinen einzigen Fall gelöst hätte, wenn Watson ihn ständig mit so unsinnigen Kommentaren unterbrochen hätte.

Am Ende lösten wir den Fall ohne Ullrich. Der sprach von einem Fehlurteil und dass mal wieder ein Unschuldiger für die Verbrechen der Reichen büßen müsse.

Und ich brachte unseren Sohn ins Bett.

Spielekolumne „Einer wird gewinnen“

Einmal im Monat kommen die Freunde vorbei, um Gesellschaftsspiele zu testen: Brettspiele, Kartenspiele und auch solche, für die man nur Stifte, Zettel oder Würfel braucht. Wie diese Abende ablaufen, verrät unsere neue Kolumne „Einer wird gewinnen“ jeweils am letzten Montag des Monats.

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