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RomCom mit Inuit: Nunavut und der Name der Robbenfellstiefel | ABC-Z

Für den Eskapismus ab und zu muss es manchmal die cute und extrem vorhersehbare Rom-Com-Serie sein: erwartbare Beziehungskonstellationen, genauso erwartbare, plötzlich auftauchende Hürden und, wenn alle zusammen sie überwinden, das Happy End. Wer das will, sollte bei Netflix die erste Staffel der Serie „North of North“ schauen. Denn die klassische Story passiert in einem ganz unklassischen Umfeld: in einer Inuitcommunity in der nördlichsten kanadischen Provinz Nunavut.

Dort, in der fiktionalen arktischen Stadt Ice Cove, lebt die junge Inuitfrau Siaja, gespielt von Anna Lambe. Aufgewachsen mit ihrer alleinerziehenden und suchtkranken, aber liebevollen Mutter, hat sie sich in eine Ehe mit ihrem Highschool-Sweetheart Ting geflüchtet. Leider läuft es nicht so rosig: Ting ist selbstverliebt und manipulativ, und Siaja wird es in ihrer Beziehung als Hausfrau und Mutter einer siebenjährigen Tochter zu eng. Weil sie was Eigenes will, bewirbt sie sich im Ge­mein­de­zen­trum, um dort das Kulturprogramm der 220-Einwohner-Gemeinde aufzupeppen.

Und schon beginnen die Pro­ble­me: Die Managerin des Gemeindezentrums will Siaja nur widerwillig einstellen, Ting ist gegen ihr Streben nach Unabhängigkeit, und dann taucht auch noch der Umweltberater Alistair auf. Der ist, wie sich herausstellt, Siajas bislang unbekannter Vater. Außerdem ist da sein Assistent Kuuk, mit dem sich die 26-Jährige sehr gut versteht, was es alles nicht einfacher macht.

Satte Farben, witzige Dialoge, die Schauspielerei ist in Ordnung – es ist ziemlich genau das, was man von einer solchen Serie mit acht Folgen à 30 Minuten erwartet. Und trotz des Erwartbaren schafft „North of North“ auch einen unerwarteten Mehrwert. Scheinbar nebenbei, ohne zu pädagogisieren oder zu exotisieren, macht die Serie die indigene Kultur der Inuit sichtbar und ist so auf ihre Art sehr politisch. Von den Namen für Robbenfellstiefel, kamik, bis zu Inuit­baseball zeigt sie das normale Leben am arktischen Polarkreis.

In einer Szene mit Alistair und Siaja erfährt Letztere, dass ihre Tochter Bun ihr erstes Karibu geschossen hat. „Mein Kind hat ein Karibu geschossen? – Mein Kind hat ein tuktu geschossen!“, ruft sie und feiert mit anderen Dorfbewohnern. Alistair, der erst wenige Tage zuvor von seiner Vaterschaft erfahren hat und nun realisiert, dass er auch Großvater ist, fragt erschrocken: „Du hast ein Kind?“ Daraufhin antwortet Siaja nur: „Natürlich habe ich ein Kind, ich bin 26.“

Das historische Trauma, mit dem die Inuit immer noch zu kämpfen haben, läuft im Subtext mit: Kinder, die ihren Müttern weggenommen wurden; die weitverbreitete koloniale Praxis der Residential Schools, wo ­Inuitkindern ihre Kultur „ab­erzogen“ ­werden sollte; die Degradierung der Lebensweise der Inuit und die Bezeichnung „Eskimo“, die viele rassistisch nennen. Auch ­Alkoholismus, unter dem viele indigene Gemeinschaften in Nordamerika leiden, kommt vor.

Die wenig vertraute Arktislandschaft macht neugierig und entspannt die überbeanspruchten Sehnerven. Statt Großstadtstraßen gibt es hier gleißendes Licht, weite Eisflächen, Robben, Rentiere und Schneemobile, die endlich einmal über richtig viel Schnee fahren. Wie Hauptdarstellerin Anna Lambe sagte: „Du weißt, dass du in der Arktis filmst, wenn du den Ton stoppen musst, weil man die Schlittenhunde im Hintergrund heulen hört.“

Netflix setzt damit weiterhin auf spezifischere und lokal verortete Geschichten, die ein breites Publikum begeistern können. „North of North“, mit dem öffentlich-rechtlichen kanadischen Fernsehen CBC und dem ­Aborignal Peoples Television ­Network produziert, zeigt, dass sich eine Zusammenarbeit mit lokalen Film­pro­du­zent:in­nen lohnt. Gerne mehr von diesen Rom Coms mit Inhalt.

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