Außer dem Papst haben hier nur Auserwählte Zutritt | ABC-Z

Berlin/Rom. Um das Geheimarchiv der Päpste im Vatikan ranken sich zahlreiche Mythen. Nur wenige haben es je gesehen. Was ist dran an den Gerüchten?
Handschriften, Briefe, Urkunden und kirchliche Gerichtsurteile aus acht Jahrhunderten: Auf vier Stockwerken über und unter der Erde schlummern die historischen Schätze des Vatikans im Geheimarchiv der Päpste. Insgesamt 85 Kilometer Regalbretter sollen mit den historischen Überbleibseln gefüllt sein. Doch nur eine ausgewählte Gruppe an Menschen bekommt sie je zu Gesicht. Der Zugang zu diesem sagenumwobenen Ort liegt hinter „Porta di Sant‘Anna“, einem der Eingänge zum Vatikanstaat. Doch was ist dran an den vielen Mythen, die sich um das Archiv ranken? Und welche Voraussetzungen muss man erfüllen, um hineinzugelangen?
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Vatikan: Wer bekommt Zugang zum Privatarchiv des Papstes?
So geheim wie der Name vermuten lässt, ist das Archiv der Päpste heute nicht mehr: Im Jahr 1881 öffnete Papst Leo XII. es für die Öffentlichkeit – allerdings nur für Forscher und Wissenschaftler. Und das hat sich bis heute nicht geändert. Hinein darf laut Vatikan nur, wer:
- ein abgeschlossenes Hochschulstudium und die Empfehlung einer universitären Einrichtung besitzt,
- ein seriöses wissenschaftliches Anliegen vorweisen kann,
- „angemessen gekleidet“ ist, wobei der Vatikan den Dresscode auf seiner Website nicht näher definiert.
Katholisch muss man hingegen nicht sein. Pro Tag dürfen maximal 60 Personen in den Lesesaal und jeder von ihnen darf maximal drei Dokumente studieren. Welche Akten die Öffentlichkeit erreichen, bestimmt der jeweilige Papst selbst, er muss die Herausgabe final genehmigen. Mindestens 70 Jahre werden Dokumente unter Verschluss gehalten. Im Januar 2019 wurden erstmals ausgewählte Exponate der Weltöffentlichkeit präsentiert. Anlass war das 400-jährige Bestehen des Archivs. Doch obwohl es mittlerweile für Teile der Öffentlichkeit zugänglich ist, halten sich hartnäckig Gerüchte über dessen Inhalt.
Verschwörungstheorien ums Geheimarchiv: Lagert hier die weltweit größte Pornosammlung?
Zu den Schätzen, die dort nachweislich gehütet werden, zählen Aufzeichnungen des Künstlers Michelangelo im Zusammenhang mit dem Bau des Petersdoms oder ein Dokument über die Papstehrung für Wolfgang Amadeus Mozart. Weitere besondere Dokumente sind beispielsweise ein Schreiben von Papst Leo X. (1475-1521), in der er die Verbannung von Martin Luther aus der katholischen Kirche anordnete, sowie die Protokolle des Prozesses gegen den Wissenschaftler Galileo Galilei (1564-1642).
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Das älteste Stück stammt aus dem achten Jahrhundert, wie Archivmitarbeiter Giovanni Castaldo 2009 gegenüber der „Welt“ berichtete. Es handele sich um eine Sammlung verschiedener Formulare, beispielsweise zur Papstwahl, Inthronisierung und Beerdigung, aber auch über die Gründung von Klöstern.
Papst Franziskus, hier beim Besuch 2013 in Rio de Janeiro, ließ das Geheimarchiv umbenennen.
© David Fernandez/EFE via epa/dpa | David Fernandez
Obwohl die katholische Kirche zumindest Auserwählte in ihrem Geheimarchiv stöbern lässt, ist dessen Faszination ungebrochen. In Internetforen wird bis heute gemunkelt, es befinde sich darin eine ganz besondere Abteilung: die größte Pornografie-Sammlung der Welt. Woher dieses Gerücht stammt, ist unklar. Tatsächlich befindet sich die größte bekannte Pornosammlung der Welt im Kinsey-Institut für Sexualforschung in Bloomington, Indiana. Das Archiv der Päpste soll aber noch weit wichtigere, sogar mystische, Objekte beherbergen – darunter eine Zeitmaschine, die vom italienischen Wissenschaftler und Priester Pater Pellegrino Maria Ernetti gebaut worden sein soll.
Zu viele „negative Nuancen“: Papst Franziskus benannte Geheimarchiv um
Nicht nur Verschwörungstheoretiker, auch die Filmwelt hat sich in ihren Erzählungen längst an den Mythen abgearbeitet. Im berühmten Thrillers „Illuminati“ von Dan Brown, der auch die Vorlage für den gleichnamigen Blockbuster bot, spielen der Vatikan und das Archiv eine zentrale Rolle. Der ehemalige Präfekt Sergio Pagano sagte über die Darstellung nur: „Das Leben ist zu kurz, um so schlechte Literatur zu lesen.“
Um dem einstigen Geheimarchiv das Mystische ein wenig zu nehmen, änderte Papst Franziskus im Oktober 2019 dessen Namen in „Apostolisches Vatikanisches Archiv“. Die Begründung: Der alte Titel sei zu „zweideutig“, hätte „sogar negative Nuancen“. Die Namensänderung hat aber wohl nicht dafür gesorgt, dass die Gerüchte und Verschwörungstheorien weniger geworden sind. Für viele ist und bleibt es das Geheimarchiv.