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Rücklagen aufstellen: Die Risiken für Wohnungseigentümer – Stil | ABC-Z

In den kommenden Wochen und Monaten finden vielerorts wieder die jährlichen Eigentümerversammlungen statt. Manch ein Wohnungsbesitzer ahnt jedoch im Voraus nicht, was sich unter dem Tagesordnungspunkt „Rücklagen“ verbirgt. Was für ein Schock für alle Teilnehmer, wenn sie dann feststellen müssen, dass die gesamten Ersparnisse der Hausgemeinschaft in Gefahr sind; viele Tausend Euro sind womöglich weg, weil die Hausverwaltung das Geld auf spekulative Weise investiert hat.

Existenzängste kommen auf. „Viele fragen sich dann, ob sie anstehende Reparaturen noch bezahlen können oder nun ihre Wohnung verkaufen oder sogar versteigern müssen“, sagt Sandra von Möller. Die Vorständin des Verbraucherschutzverbandes Wohnen im Eigentum berät Wohnungseigentümer, die sich Sorgen machen, ob sie jemals wieder an ihre teils hart ersparten Rücklagen kommen. Auch aktuell wieder. Denn verschiedene große Hausverwaltungen haben die Gelder von Wohnungseigentümern in äußerst riskante Anleihen eines Unternehmens investiert, das inzwischen Insolvenz anmelden musste: die Deutsche Rücklagen GmbH.

Die Rücklage wird von den Eigentümern monatlich zusammen mit dem sogenannten Hausgeld gezahlt, also zusammen mit laufenden Verwaltungskosten, die etwa für den Hausmeister anfallen oder für Kalt- und Warmwasser. Dabei ist es die Aufgabe des Verwalters, das anteilige Hausgeld, das auf die Rücklage entfällt, auf ein gesondertes Konto zu überweisen. Aber nicht alle Verwalter richten nach Angaben der Rechtsanwältin so ein Extra-Rücklagen-Konto ein. Eigentümer sollten darauf bestehen, dass ein solches separates Konto auf den Namen der Eigentümergemeinschaft angelegt wird, rät sie.

Immer wieder kommt es zudem vor, dass Immobilienverwaltungen das Geld, das eigentlich für die anstehende Dachsanierung oder den Einbau einer neuen Heizung vorgesehen ist, in hochriskante Papiere anlegen. Dabei ist dies gar nicht zulässig. „Riskante Anlagen wie Aktien oder Anleihen, die zu einem Totalverlust führen können, entsprechen keiner ordnungsgemäßen Verwaltung“, stellt Möller klar. Die Erhaltungsrücklage muss „mündelsicher“, das heißt besonders risikoarm, angelegt werden. Zudem muss das Geld jederzeit frei verfügbar sein. Immobilienverwalter sind allerdings in einer gewissen Zwickmühle, erklärt Möller: „Einerseits sind sie durch die Rechtsprechung dazu verpflichtet, die Rücklagen gewinnbringend anzulegen, andererseits sollen sie das Geld auch sicher aufbewahren.“ Auf beides nimmt Paragraf 1841 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Bezug.

Doch welche Anlagen kommen dann überhaupt infrage? Sandra von Möller empfiehlt, eine eiserne Reserve stets auf einem Tagesgeldkonto zu parken. Ein Teil der Rücklagen kann darüber hinaus auf einem langfristigen Festgeldkonto verwahrt werden, sofern das Geld in dem Zeitraum nicht benötigt wird. Gerade in Niedrigzinsphasen lassen sich jedoch manche Immobilienverwalter mit renditestarken Angeboten locken. Legt die Verwaltung die angesparte Summe der Wohnungseigentümergemeinschaft spekulativ an, macht sie sich jedoch haftbar und kann auf Schadenersatz verklagt werden. Dies gilt auch dann, wenn der Verbund der Eigentümer darüber einen Beschluss gefasst hat. „Dieser dürfte in aller Regel nicht nur anfechtbar, sondern auch unwirksam sein“, so die Rechtsanwältin.

Um böse Überraschungen zu vermeiden, sei es daher ratsam, regelmäßig zu überprüfen, wie die Hausverwaltung bei Anlagen agiert, und Einsicht in die Akten vorzunehmen. Wer konkrete Sorgen hat, sollte den Verwalter oder den Beirat darauf ansprechen und den Vermögensbericht eingehend studieren. „Sind die Unterlagen sehr intransparent, stimmt meist etwas nicht“, sagt Sandra von Möller.

Das Ansparen einer angemessenen Rücklage gehört laut Wohnungseigentumsgesetz (WEG, Paragraf 19, Absatz zwei) zu einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Wie hoch sie sein sollte, hängt von der individuellen Situation ab. Das Thema bietet oft auf Eigentümerversammlungen Anlass für heftige Diskussionen. Im Idealfall richtet sich die Höhe der Rücklage nach dem Alter der Immobilie, dem jeweiligen Reparaturbedarf sowie den finanziellen Möglichkeiten der Eigentümer. „Jede Eigentümergemeinschaft sollte einen Sanierungs- und Finanzierungsplan erstellen und auf dieser Basis die Höhe der Erhaltungsrücklage bestimmen“, rät Möller. Denn bei Immobilien gibt es immer etwas zu tun: Mal hakt es bei der Elektrik, mal braucht die Fassade einen neuen Anstrich. Oder die Heizung geht plötzlich kaputt. Gerade finanzschwache Eigentümer kann es schnell überfordern, wenn sie auf einen Schlag eine große Summe aufbringen müssen. Deswegen ist es in der Praxis sinnvoll und vorausschauend, wenn jeder Eigentümer monatlich einen kleineren Betrag in die Rücklagen einzahlt.

Es ist besser, Reserven zu haben, als sie zu brauchen, findet die Autorin.  (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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