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Gründerzentrum Gate Garching: Das Tor zum Weltmarkt – Landkreis München | ABC-Z

Roman Weitscha und sein Partner Jan Cremer wollen das ändern. Deshalb haben sie das Start-up Leverage Robotics gegründet, das mit seinen Roboter-Zellen – oder „Micro-Factorys“, wie sie stolz sagen – eine Revolution auf dem Markt erreichen soll. Im Mai vergangenen Jahres haben sich die beiden Jungunternehmer im Gate Garching eingemietet, einem der vier Gründerzentren des Landkreises München. Es liegt direkt neben dem Forschungscampus, auf dem auf engstem Raum renommierte Einrichtungen ihr Zuhause haben: die Max-Planck-Institute für Astrophysik, Halbleitertechnik und Computing and Data Facility, die Institute der Technischen Universität München (TU) für Maschinenbau, Mathematik, Informatik, Chemie, Physik und Biotechnologie. Und natürlich die Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz – der weltbekannte und auch umstrittene Forschungsreaktor der TU.

Weitscha hat an der Universität Rostock Robotik studiert, im Anschluss beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen am Robotikinstitut promoviert. „Danach haben wir uns ausgegründet“, sagt Weitscha. Die Ausgründung, auch Spin-off genannt, ist der Weg von der Geschäftsidee zur Geschäftseinheit, also zum Unternehmen. Den einen Weg, das zeigt der Werdegang von Weitscha, gibt es dabei nicht. Aber all jene, die irgendwann in Garching landen, dürfen auf Unterstützung hoffen. Denn das Gate Garching ist so etwas wie der Mutterkonzern, der sich fürsorglich um die noch jungen Firmen kümmert.

Gegründet wurde das Gate vor 22 Jahren, mittlerweile bietet es Gründern Büroflächen von mehr als 5000 Quadratmeter. Noch deutlich größer ist das Innovations- und Gründerzentrum Biotechnologie IZB in Martinsried mit mehr als 26 000 Quadratmetern Fläche, in dem primär im Bereich der Biotechnologie neue Unternehmen aufgebaut werden. Im Werk 1 am Ostbahnhof sind die Digitalunternehmen zu Hause und in der Accelerator Community Unterschleißheim (ACU) werden die Smart City und Industry der Zukunft aufgebaut.

Gate-Geschäftsführer Christian Heckemann mit Elena Nerreter. (Foto: Stephan Rumpf)

Im Gate in Garching bekommen Start-ups Büros ab 13 Euro je Quadratmeter. Keine Kleinigkeit, wenn man bedenkt, dass die Quadratmeterpreise für Gewerbeimmobilien in der Universitätsstadt bei 15,50 Euro und mehr liegen. „Wir können Büros billiger anbieten, weil wir ein Unternehmen sind, das keinen Gewinn machen muss“, sagt Gate-Geschäftsführer Christian Heckemann. „Und wir können flexible Büros anbieten, verkleinern oder vergrößern. Das kann kein anderer Vermieter.“

Zwischen den Büros gibt es auch Begegnungszonen mit bunten Sitzgelegenheiten, offenen Glaswänden, einer Couch und einem Besprechungsbereich. An diesem nehmen Heckemann und Elena Nerreter, die für die PR des Gate verantwortlich zeichnet, Platz. Heckemann selbst war früher bei einem aufstrebendem Münchner Start-up tätig, das heute mehr als 100 Mitarbeiter hat – Gründer aber war er nicht, sagt er und lacht: „Sonst wäre ich heute Millionär.“ Als Geschäftsführer des Gate ist er mittlerweile einer derjenigen, der entscheidet, wer in das Zentrum einziehen darf. „Und wir achten schon darauf, eine aussichtsreiche Zusammenstellung zusammenzubekommen, auf Unternehmen, die in ihrem Bereich etwas ganz besonders machen“, so Heckemann. Start-ups eben, die „disruptiv“ agieren würden – in Garching im Bereich der Hardware.

Unternehmen wie Plan QC, das einen noch nie dagewesenen Quantencomputer bauen will. Oder das Robotik-Start-up Sewts, das Roboter baut, die Textilien bearbeiten können. „Das ist in dem Bereich eine absolute Innovation, weil Roboter zwar gut im Greifen von Gegenständen sind, aber verformbare Materialien wie Stoffe nur schwer handhaben können“, erläutert Heckemann. Mittlerweile habe Sewts mit seinen Robotern schon Großkunden an Land gezogen, darunter Wäschereien. Laut Heckemann ist das junge Unternehmen „millionenschwer finanziert“.

Zwischen den Büros gibt es Begegnungszonen mit bunten Sitzgelegenheiten. (Foto: Stephan Rumpf)

Wer in das Gate einzieht, hat aber nicht nur eine Idee. Er hat schon eine Firma ausgegründet – meistens eine GmbH. Oft finden die Gründungen viel früher von Studenten an den vier Universitätsstandorten im Landkreis München statt, begleitet von Gründungsberatern. Oftmals sind es studienbegleitende Projekte, bei denen ein Businessplan entwickelt wurde, die Studierenden selbst Corporates, also Geschäftspartner und Financiers, suchen. „Manchmal werden dann Markttests gemacht, Prototypen gebaut, eine App entwickelt. Das ist die ganz frühe Phase und es entwickeln sich die meisten Teams. Ab der Gründung kommen wir dann ins Spiel“, sagt Heckemann. In der Regel bewerben sich die Start-ups selbst beim Gate, das Gründerzentrum aber hält auch aktiv Ausschau etwa auf Veranstaltungen wie dem Munich-Start-up-Festival.

Wenn der Begriff Start-up fällt, haben die meisten Menschen drei, vier jugendlich wirkende Nerds im Kopf, die in einer Garage oder einem Keller voller leerer Pizzakartons über ihre Computer gebeugt die Köpfe zusammenstecken. Diese Beschreibung passt auf Thorsten Amann nicht wirklich. Der studierte Diplomingenieur in Maschinenbau sitzt im seriösen Karohemd am Besprechungstisch und erzählt von einem schon etwas längeren Berufsleben. Vor zehn Jahren aber hat er noch einmal etwas Neues ausprobiert und das Start-up Clinaris gegründet, dessen CEO er ist. „Das ist schon etwas richtig Handwerkliches im Vergleich mit vielen anderen“, sagt der Gründer.

Die Geschäftsidee hinter seinem Unternehmen ist die Digitalisierung des Gesundheitswesens. Mit seiner Software werden etwa alle medizinischen Produkte und ihr Zustand in einer Klinik erfasst, auch die Betten. Auf diese Weise kann ermittelt werden, welches Krankenhausbett mit einem Keim belastet war oder ist. „Wir können jeden Status abrufen: Gereinigt, nicht gereinigt. Gewartet, nicht gewartet. Getestet, nicht getestet“, erklärt Amann. „Wir haben ein triviales Problem gelöst, das aber sonst noch niemand gelöst hat, und entlasten dadurch die Pflege.“

Wer indes einem Astrophysiker dabei zuhört, wenn er über die Idee hinter seinem Start-up erzählt, muss zwar nicht Raketenwissenschaften studiert haben, aber zumindest aufmerksam dabei bleiben. Theo Steininger – Jeans, T-Shirt, Brille – hat direkt nebenan am Max-Planck-Institut auf dem Campus promoviert und dort auch seinen Co-Funder Maksim Greiner kennengelernt. Das Logo ihres Start-ups Erium hätte gut in die nerdige Serie Big Bang Theory gepasst. Nach den Sternen aber greifen die beiden Gründer nicht mehr, sondern entwickeln stattdessen künstliche Intelligenz für Unternehmen, um Wissen zu speichern und an neue Mitarbeiter weiterzureichen. „Mein Job ist, mich reinzudenken, in Leute, die Dinge tun, von denen ich inhaltlich keine Ahnung hab“, sagt Steininger. „Und dann Teile des Prozesses mit KI zu semiautomatisieren.“

Wie lange er trotz mittlerweile beträchtlicher Erfolge auf dem Markt im Gate bleiben will? „Bis wir final rausgeworfen werden“, sagt Steininger und lacht. Die Aufenthaltszeit der Start-ups im Gründerzentrum ist begrenzt, maximal fünf Jahre dürfen die Jungunternehmer bleiben. „In einigen Ausnahmefällen auch acht Jahre“, sagt Heckemann. Das Gate selbst bietet während dieses Zeitraums nicht nur Büros an, sondern auch konkrete Unterstützung durch Coaches. Diese beraten in Fragen rund um Finanzierungsrunden, Mitarbeiterführung, Managementqualitäten. „Wichtige Dinge, die den Gründern auf der Uni vielleicht nicht beigebracht worden sind“, sagt Heckemann. Die sie aber dringend benötigen, denn die Start-ups müssen sich selbst tragen und ihre Mitarbeiter finanzieren. „Am Ende des Tages ist das Start-up selbst verantwortlich für seinen Erfolg“, sagt der Gate-Geschäftsführer.

Das Gründerzentrum steht nicht nur TU-Absolventen offen

Schließlich müssen die Start-ups auch Miete zahlen. Und diese macht etwa 80 Prozent der Finanzierung des Garchinger Gründerzentrums aus; den Rest übernimmt der Freistaat Bayern. Und für das Garchinger Hardware-Gründerzentrum ist die Nähe zur Technischen Universität und den anderen Forschungseinrichtungen natürlich ein enormer Vorteil. „Aber wir betonen immer, dass wir nicht exklusiv nur TUM-Start-ups nehmen. Wir sind komplett offen, auch für Start-ups der LMU, anderer Hochschulen und Bundesländer, auch international.“

Wenn die Reise eines Start-ups in Garching nach fünf Jahren endet, muss es also längst auf eigenen Beinen stehen – und ausziehen. „Im besten Fall mit einer disruptiven Idee, die der Menschheit etwas bringt, mit der ein Problem gelöst wird, und die neue Arbeitsplätze schafft“, sagt Geschäftsführer Heckemann. „Und mit der wir technologisch den Anschluss halten als Motor für den Landkreis München, Bayern und Deutschland.“

Der Sprung in die Selbständigkeit dürfte für Christian Weitscha und sein Drei-Mann-Start-up Leverage Robotics kein Problem sein, die Roboterarme, die vor allem Schüttgut greifen, zusammensetzen oder -kleben sollen, sind schon auf dem Markt. Und sie werden in dem kleinen Büro im ersten Stock des Gate stetig weiterentwickelt. „Wir haben jetzt auch die Software dazu, die launchen wir Ende des Jahres“, sagt Weitscha. Ob sie neue Arbeitsplätze schaffen, ist eine andere Frage. Laut Weitscha sollen sie jedenfalls keine vernichten. „Es gibt schließlich immer weniger Menschen, die solche Arbeiten machen wollen. Wir wollen dazu beitragen, dass die Produktion hier in Deutschland und Europa gehalten werden kann“, sagt der Gründer.

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