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Ukrainetalk bei Lanz: “Die Bundesregierung wird jetzt ganz schnell liefern müssen” | ABC-Z


Ukrainetalk bei Lanz

“Die Bundesregierung wird jetzt ganz schnell liefern müssen”

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Die US-Regierung hat einen Vorschlag zur Beendigung des Krieges in der Ukraine gemacht, der Russland klar bevorzugt. Wie kann Europa nun reagieren? Und was kommt auf die neue Bundesregierung zu? Darüber diskutieren die Gäste bei Markus Lanz.

Die Regierung der Vereinigten Staaten hat einen Friedensplan zur Beendigung des Krieges in der Ukraine vorgelegt. Er sieht unter anderem vor, dass Russland die 2014 besetzte Krim behalten soll. Zudem soll die Ukraine den größten Teil der von Russland besetzten Gebiete verlieren, bis auf ein kleines Gebiet um die Stadt Charkiw. Die Sanktionen der EU und der USA gegen Russland sollen beendet, die Nato-Mitgliedschaft der Ukraine ausgeschlossen werden. Im Gegenzug soll die Ukraine eine Aufbauhilfe bekommen. Wer sie finanziert, ist unklar. Sicherheitsgarantien soll es auch geben, jedoch nicht von den USA. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den Plan der USA zurückgewiesen. US-Präsident Donald Trump droht nun, sich aus den Friedensverhandlungen zurückzuziehen. Klar ist: Das Versprechen, innerhalb von 24 Stunden Frieden in der Ukraine zu schaffen, hat Trump nicht gehalten. Sein Versprechen hänge ihm nun wie ein Mühlstein um den Hals, und das merke er, sagt ZDF-Journalist Elmar Theveßen, der aus Washington in die Sendung zugeschaltet ist. “Das, was jetzt unterbreitet ist, ist kein Vorschlag, sondern es ist de facto ein Diktat”, urteilt der Korrespondent.

Auch Militärexpertin Claudia Major hält nichts von dem Plan und spricht von einem Diktatfrieden. “Wenn man sich die Bedingungen anschaut, ist es in der Tat ein großer Gewinn für Russland, weil die russischen Ziele darin hauptsächlich verankert sind”, analysiert sie. “Russland befindet sich in einer sehr komfortablen Situation. Wenn die Ukrainer und die Europäer das annehmen würden, was komplett ihren Zielen widerspricht, ist Russland fein raus. Und wenn es abgelehnt wird, kann Russland diesen Krieg einfach weiterführen und darauf hoffen, dass die Ukrainer schwächeln, dass die Europäer ohne amerikanische Unterstützung auch schwächeln, und dass sie langfristig ihre Ziele auch erreichen.” Die europäischen Staaten würden nun vor dem Dilemma stehen, das Friedensdiktat anzunehmen oder es abzulehnen. “Aber eigentlich können sie keine Alternative anbieten”, sagt Major. Europa könne kein Gegenangebot machen, weil die Staaten der EU in den vergangenen Jahren nicht in ihre Verteidigung investiert haben. “Europa wurde von Russland hervorragend an die Wand gespielt, mit Trump zusammen”, so Major.

Auch wenn Russlands Präsident Wladimir Putin den Vertrag ablehnen sollte, würden sich die Amerikaner zurückziehen. Major: “Ich kann mir aber eher vorstellen, dass die Europäer und die Ukrainer irgendwie einknicken, und dass Russland einfach weitermacht.” Die USA, so Major, haben sich entschieden, Druck auf die Ukraine auszuüben, aber nicht auf Russland. Den europäischen Staaten fehlten die Instrumente, um eine Alternative anzubieten.

Für die Bundesregierung sei die Situation in der Ukraine “eine gewaltige Herausforderung”, sagt der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, bei Lanz. “Jetzt geht es darum, dass wir Deutschen und wir Europäer diese Situation nicht akzeptieren können und deswegen schauen müssen, dass wir so schnell wie möglich zu eigener Stärke zurückfinden”, fordert Frei. Die Ukraine müsse unterstützt werden, “mit allen Möglichkeiten, die wir haben”, betont der CDU-Politiker. “Es muss eine klare europäische Zielrichtung geben, dass die Ukraine dieser klaren russischen Aggression widerstehen kann. Wenn das nicht passiert, wenn der aktuelle Vorschlag Realität würde, hätten wir den Diktatfrieden. Dann hätten wir die Situation, dass Russland seine Ziele erreicht, und damit wäre auch eine weltweite Botschaft gesendet: Es macht überhaupt nichts, wenn man Völkerrecht bricht.” Für die Amerikaner stehe ihre Glaubwürdigkeit auf dem Spiel, wenn sie sich aus den Friedensverhandlungen zurückziehen sollten. Das werde eine weltweite Wirkung haben. “Ich glaube, dass der Vertrag für uns in Europa insgesamt nicht akzeptabel sein kann”, fügt Frei hinzu. “Es ist ein Vorschlag, der zwar vordergründig zu einem Frieden führen kann, der aber nicht zu einer nachhaltigen Befriedung führen kann.” Der Krieg Russlands würde an anderer Stelle weitergehen, würde dieser Vertrag zustande kommen.

Die Taurus-Marschflugkörper

Die Bundesregierung will die Ukraine weiter unterstützen und unter anderem Taurus-Marschflugkörper liefern. Das hat der vermutlich zukünftige Bundeskanzler Friedrich Merz vor kurzem erneut angekündigt. “Taurus ist kein Gamechanger”, sagt Claudia Major. Eine mögliche Lieferung der Marschflugkörper wäre aber ein wichtiges Symbol. Aber: “Was ich bei der ganzen Debatte ein bisschen unglücklich fand, war diese Fokussierung auf das eine Waffensystem. Mein Eindruck ist, dass wir uns in Deutschland häufig an einem einzigen Waffensystem festbeißen – jetzt der Taurus, davor waren es die Schützenpanzer, die Panzerhaubitzen und die Raketenwerfer – und das fast so eine Art Übersprunghandlung ist, weil wir uns der zentralen Frage nicht stellen wollen: Warum machen wir das eigentlich?” Noch immer sei das übergeordnete Ziel, das Deutschland erreichen wolle, nicht klar formuliert.

Frei gibt ihr Recht und relativiert die Wichtigkeit der Taurus-Marschflugkörper. Schließlich hätten andere Länder ähnliche Waffen bereits an die Ukraine geliefert. Ja, Taurus-Marschflugkörper könnten Bunker zerstören, aber dazu brauche man auch mehrere dieser Marschflugkörper.

Die zuvor gelieferten Marschflugkörper seien jedoch kaum noch vorhanden, berichtigt ihn Major. Erneut fordert sie, die Bundesregierung müsse zuerst formulieren, was sie mit der Lieferung weiterer Waffensysteme erreichen wolle. Erst dann sollten derartige Systeme zielgerichtet eingesetzt werden. “Die Bundesregierung wird jetzt ganz schnell liefern müssen”, sagt Frei. Und damit meint er nicht nur neue Waffen an die Ukraine.

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