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Andor Staffel 2: Der Revolution bist du egal | ABC-Z

Die Politik von Star Wars ist relativ unterkomplex. Natürlich ist es die Geschichte eines Widerstands gegen ein tyrannisches Imperium, und einst hat George Lucas behauptet, der erste Film sei als Allegorie auf den Vietnamkrieg gedacht. Doch so etwas wie echte Systemkritik hat das Franchise nie zustande gebracht, weil seine geliebte Trope des Auserwählten zwangsläufig verlangt, dass der Auserwählte im Alleingang alles regelt. Luke Skywalker jagt den Todesstern hoch oder besiegt den Imperator, bitte, danke, und jetzt Feierabend. Und das ist okay, nicht jedes Werk hat den Anspruch einer politischen Botschaft. Andor hat ihn jedoch zweifellos, auch in der zweiten Staffel.

Andor pfeift auf den Auserwählten. Sie mag nach dem Protagonisten, Cassian Andor (Diego Luna), benannt sein, er befindet sich aber eher zufällig im Zentrum des Plots. Was die zweite Staffel brillant dramatisiert, ist nicht die Heldenreise, sondern die autoritäre Bürokratie des galaktischen Imperiums, die für seinen Untergang mindestens letztlich genauso verantwortlich ist wie die Rebellion. In zwölf Folgen greifen über vier Akte riesige Zahnräder knirschend ineinander, und jeder Charakter ist in deren Angesicht ständig bestürzt ob seiner eigenen Bedeutungslosigkeit.

Die zweite Staffel setzt damit ein, dass Cassian den Prototypen eines neuen imperialen Kampfraumschiffs stiehlt und auf einen weitgehend leeren Planeten fliegt. Der Pilot, an den er sein Diebesgut übergeben soll, wurde jedoch von einer dort gestrandeten Gruppe getötet, die vage ebenfalls zur Rebellion zu gehören scheinen, die ist aber zu diesem Zeitpunkt noch völlig diffus und verstreut. Am Abend fängt die Truppe auch untereinander Streit an, spaltet sich und beginnt, aufeinander zu schießen. Im Trubel kann Cassian fliehen.

Die Machtlosigkeit der Rebellion

Diese Szene beschreibt den generellen Zustand der gegen das Imperium kämpfenden Rebellenallianz sehr gut: Unterschiedlichste Fraktionen mit unterschiedlichsten Zielen werden von einer generellen Unzufriedenheit zusammengehalten, die von gerechter Wut bis blindem Fanatismus reicht, und von wenig mehr. Da ist die Senatorin und liberale Kritikerin des Imperiums Mon Mothma (brillant gespielt von Genevieve O’Reilly), die vom Regierungsplaneten Coruscant aus Geld an die Rebellion schleust, aber weiterhin Hoffnung in die Ruinen demokratischer Institutionen investiert. Da ist Saw Gererra (Forest Whitaker), ein Fanatiker und Anführer einer militanten Rebellengruppe, der Feuer mit Feuer bekämpfen will. Beide stehen neben dem ruchlosen Antiquitätenhändler Luthen Rael (Stellan Skarsgård), der bereit ist, über die Leichen seiner Verbündeten zu gehen und so viele Intrigen spinnt, bis er selbst den Überblick verliert. 

Eine Reihe von einfachen Bürgern der Galaxis unterstützt die Rebellen aus humanistischer Selbstverständlichkeit, bleibt sonst aber weitgehend unbeteiligt. Und dann sind da Figuren wie Cassian oder seine Partnerin Bix (Adria Arjona), die nur dabei sind, weil sie zufällig ins Visier des Imperiums geraten sind und sich zwischen Flucht und Kampf entscheiden müssen. Wie soll ein so zusammengewürfelter Haufen ein tyrannisches Regime stürzen?

Die Antwort der Serie lautet: eigentlich gar nicht. Die spektakulär inszenierten Diebstähle und Attacken durch die Rebellen sind Mückenstiche auf der Elefantenhaut des Imperiums. Das trampelt unterdessen über einen nächsten Planeten hinweg – das vage an die französische Schweiz erinnernde Ghorma, um “imperiale Energieunabhängigkeit” zu garantieren, wie die aufstrebende Büroaufseherin Derdra Meero (Denise Gough) in einem Meeting erfährt. Mithilfe einer galaxisweiten Propagandakampagne sowie einer strategisch angestachelten Rebellion auf Ghorma soll Meero dem Imperium die Rechtfertigung geben, den Planeten militärisch zu übernehmen und dort lagernde Erze abzubauen. Als ihre Augen und Ohren vor Ort wählt sie Syril Karn (Kyle Soller), den übereifrigen, glücklosen Bürokraten, der am Ende der ersten Staffel zu ihrem Liebhaber wurde.

Der Akt auf Ghorma mündet in sagenhaft packende Fernsehminuten. Ein vom Imperium von langer Hand vorbereiteter Genozid, der mit einem selbst inszenierten Reichstagsbrand gerechtfertigt wird. Die handzahme Rebellengruppe vor Ort wird mit der schieren Brutalität und Übermacht des Imperiums konfrontiert, mit der Zwecklosigkeit ihres kindischen Widerstands. Es sind Momente überwältigender Hoffnungslosigkeit, doch Drehbuchautor Tony nutzt sie, um gleichzeitig geschickt auf die Schwächen des Imperiums zu verweisen: seinen Verfolgungswahn.

Paranoia ist der Kern eines autoritären Regimes

Denn rasch wird klar, dass Syril von Derdra belogen wurde, weswegen er auf Ghorman ist. Nicht nur das, Derdra erfährt im Laufe der Serie, dass sie auch getäuscht wurde: darüber, worum es bei der Ghorma-Mission eigentlich ging. Sie und Syril wurden jeweils im Dunkeln gelassen, da ein System, das sich auf Gewalt als Organisationsprinzip verlässt, sich nie auf die Loyalität seiner Subjekte verlassen kann. Es muss lügen. Untergebene belügen ihre Vorgesetzten aus Angst vor Strafe, Vorgesetzte belügen ihre Untergebenen aus Angst vor Spionen und Verrat.

Denn der Kern eines jeden autoritären Regimes, erzählt Gilroy in Andor, ist Paranoia. Und Paranoia hat eine so ätzende und zersetzende Wirkung, dass sie mit dem zerstörerischen Potenzial einer Revolution nicht nur mithält, sondern es überhaupt erst ermöglicht. Da alle im Dunkeln tapsen, reagiert das Imperium nur schwerfällig und gibt sich Blößen – und dadurch kann die Rebellion überhaupt erst Wirkung erzielen. In dieser Paranoia ist die Schwäche des Imperiums schon angelegt, lang bevor ein prophezeiter Auserwählter daherkommt und sie ausnutzt.

Gilroy gelingt etwas Beeindruckendes: Zunächst schafft er schlicht gutes Fernsehen. Wie in der ersten Staffel mangelt es auch der zweiten nicht an Intrigen, spektakulären Überfällen und moralischen Graubereichen, die das Franchise mit seiner klaren Trennung zwischen guten Jedi und bösen Sith sonst vermeidet. Doch zusätzlich erschafft er so die Antithese zur Heldenreise des ursprünglichen Star Wars. Andor zeigt sich weitgehend agnostisch gegenüber einzelnen Charakteren, von denen Gilroy in der finalen Staffel mit großer Beiläufigkeit gleich mehrere abräumt. Die Revolution frisst nicht ihre Kinder, die Revolution interessiert sich gar nicht für sie.

Die ersten drei Folgen des ersten Aktes der zweiten Staffel von “Andor” sind ab sofort auf Disney + zu sehen. Die restlichen drei Akte folgen jeweils am 29.04, 06.05. und 13.05.

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