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Wie die eigene Arbeitskraft abgesichert werden kann | ABC-Z

Stand: 23.04.2025 07:58 Uhr

Jeder Vierte wird im Leben einmal berufsunfähig – durch schwere Krankheiten von Körper oder Psyche. Was das genau bedeutet, welche Versicherungen sinnvoll sein können und wie die Auszahlung funktioniert.

Jeder Vierte wird im Laufe seines Berufslebens der Deutschen Aktuarvereinigung zufolge mindestens einmal berufsunfähig. Oft geht es dabei nicht um Unfälle, sondern um Krankheiten der Psyche wie Depressionen oder Burnout oder Zivilisationskrankheiten wie Krebs. “Das sind die Hauptursachen, und da ist es egal, ob du acht Stunden an einem Tag auf einem Bürostuhl sitzt oder auf dem Dach herum hüpfst”, sagt Bastian Kunkel, Versicherungsmakler und Gründer von Versicherungen mit Kopf, der auch regelmäßig Erklärvideos rund um das Thema Versicherungen produziert.

Gold und Asche

Podcast “Gold & Asche: Projekt Versicherung”

Schritt für Schritt das Wichtigste aus der Welt der Versicherungen – mit Hintergründen und dazu unabhängig, verständlich und auf den Punkt gebracht. Zusammen mit Expertinnen und Experten beleuchtet die ARD-Finanzredaktion in neun Folgen die wichtigsten Fragen: Welche Versicherungen sind ein Muss – auf welche kann man verzichten? Und was muss man dabei beachten?  
 
Den Podcast “Gold & Asche: Projekt Versicherung” gibt es ab dem 9. April 2025 wöchentlich in der ARD-Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt.

Folge 1: Sozialversicherungen – Grundlagen und Grenzen (9. April)
Folge 2: Gesetzliche vs. private Krankenversicherung (9. April)
Folge 3: Haftpflicht, Kfz & Haustier – Was ist Pflicht, was ist sinnvoll? (16. April)
Folge 4: Die Berufsunfähigkeitsversicherung und ihre Alternativen (23. April)
Folge 5: Die Familie richtig absichern (30. April)
Folge 6: Wohnen & Wetterrisiken – Schutz für das eigene Zuhause (7. Mai)
Folge 7: Gesundheitskosten absichern – von Zahnzusatz bis Krankentagegeld (14. Mai)
Folge 8: Gut abgesichert streiten und reisen (21. Mai)
Bonusfolge: Hinter den Kulissen – wie Versicherungen ticken (offen)

Berufsunfähigkeit kann auch nur ein paar Jahre dauern

Die Berufsunfähigkeit muss nicht ein Leben lang dauern. Erwerbs- oder berufsunfähig ist man bereits dann, wenn man mindestens sechs Monate zu einem großen Teil nicht mehr arbeiten kann. In der Regel bekommen Angestellte in den ersten sechs Wochen eine Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber. Danach springt die jeweilige gesetzliche Krankenkasse ein und zahlt für 72 Wochen ein Krankengeld. Anschließend – also nach knapp eineinhalb Jahren – ist dann Schluss.

Wer längerfristig aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten kann, kann für die Zeit nach dem Krankengeld staatliche Leistungen beantragen. Allerdings sind die Voraussetzungen für eine Auszahlung der Erwerbsminderungsrente ziemlich hoch. Und wenn sie ausgezahlt wird, ist es auch nicht gerade viel: Laut der Deutschen Rentenversicherung lag die volle Erwerbsminderungrente 2023 bei durchschnittlich 1.001 Euro – nach Krankenkassenbeiträgen. Bei Bestandsrentnern lag der Wert bei 978 Euro. Kurz gesagt: Erwerbsminderungsrenten sind Armutsrenten.

80 Prozent des Nettoeinkommens absichern

“Wenn man sich auf die staatlichen Leistungen in dem Bereich verlässt, dann ist man eine Sache ganz sicher: nämlich verlassen”, sagt Kunkel. Denn der Wert der Erwerbsminderungsrente sei “lächerlich gering”. “Selbst bei der vollen Erwerbsminderung kann niemand auch nur ansatzweise den Lebensstandard halten, den man sich aufgebaut hat.” Gerade deshalb sei eine BU so wichtig, so der Experte. Sie zahlt eine monatliche Rente, wenn man aus gesundheitlichen Gründen im aktuellen Beruf nicht mehr arbeiten kann. Nach Angaben des Gesamtverbands der Versicherer (GDV) werden 80 Prozent aller Anträge auf eine Berufsunfähigkeitsrente bewilligt.

Voraussetzung ist, dass man mindestens 50 Prozent der Arbeit nicht mehr erledigen kann – für voraussichtlich länger als sechs Monate. Das prüft in der Regel ein Arzt und Leistungsprüfer der Versicherung im Einzelfall anhand verschiedener Fragebögen. “Zum einen gucken wir uns die berufliche Tätigkeit an. Wie ist diese konkret ausgestaltet? Da redet man von den sogenannten Teiltätigkeiten. Ich zum Beispiel telefoniere, ich mache PC-Arbeit, ich habe Besprechungen. Und dann würde man schauen, zu wie viel Prozent ich die Teiltätigkeiten noch ausüben kann”, erklärt Julia Dörries-Nikolaus von der Allianz. Daneben gebe es führende Tätigkeiten. “Wie jemand, der im Außendienst ist, sein Auto nicht mehr fahren kann, kann er nicht mehr arbeiten. Dann ist er definitiv berufsunfähig.”

Die vorab vereinbarte Summe wird dann nach ein paar Wochen gezahlt, das vorherige Einkommen spielt keine Rolle. Nur, dass die Auszahlung nicht höher sein darf – Stichwort: Bereicherungsverbot. Als Faustregel gilt, dass mindestens 80 Prozent des Nettoeinkommens abgesichert werden sollte. Das ist auch abhängig davon, welche Versicherungssumme man sich leisten kann. Der Beitrag sollte dafür sorgen, dass der Lebensstandard wie vor der Krankheit einigermaßen gehalten werden kann. Wenn der Versicherte gesund wird, wird die Auszahlung gestoppt, der Vertrag läuft aber genauso weiter wie vorher.

Selbst informieren ist wichtig

Eine Berufsunfähigkeitsversicherung sollte niemals alleine abgeschlossen werden. Denn dabei kann viel falsch laufen, sodass der Versicherer am Ende im schlimmsten Fall gar nicht zahlen muss, obwohl jahrelang Beiträge gezahlt wurden. Verbraucherinnen und Verbraucher sollten sich also Hilfe an die Seite holen – zum Beispiel von Versicherungsvermittlern oder Honorarberatern. Wichtig ist dabei aber, sich im Vorhinein über Verbraucherzentralen oder Ratgebern wie Finanztest oder Finanztip auch selbst zu informieren, um die richtigen Fragen stellen zu können.

So sollte auf jeden Fall der Verzicht auf abstrakte Verweisung im Vertrag stehen. Das bedeutet: Der Versicherer kann den Versicherten anders als bei der Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit nicht einfach in einen komplett anderen Beruf verweisen. Mittlerweile ist das in den meisten Verträgen enthalten. Genauso wie ausreichende Nachsicherungsgarantien. Damit kann die Versicherungssumme etwa bei Familiengründung ohne neue Gesundheitsfragen erhöht werden – man kann also einen Betrag absichern, auch wenn in der Zwischenzeit eine Erkrankung dazu kam.

Der BU-Vertrag sollte eigentlich immer bis zum aktuellen Renteneintrittsalter laufen, also aktuell bis 67. Abschließen sollte man die Versicherung möglichst früh. Denn: Je jünger man ist, desto höher ist die Chance auf einen halbwegs günstigen Vertrag, weil man oft noch komplett gesund ist. Dann gibt es eine BU schon ab 50 Euro im Monat. Sogar bei Kindern ist es sinnvoll, auch für sie schon einen Vertrag abzuschließen. Das ist teilweise schon ab zehn Jahren möglich. Bei einem guten Vertrag muss man dann keine erneute Gesundheits- oder Risikoprüfung befürchten, wenn das Kind volljährig ist oder den ersten Job annimmt.

Gesundheitsfragen korrekt beantworten

Für ältere Menschen kann eine BU je nach Hobbys und Beruf schnell mal 100 bis 150 Euro im Monat kosten. So haben Dachdecker aufgrund der körperlichen Anstrengung und der Absturzgefahren ein höheres Risiko, berufsunfähig zu werden als ein Büro-Mitarbeiter, der dadurch von günstigeren Konditionen profitiert. Ein Beruf kann aber später auch nochmal über die Beitragsüberprüfungsoptionen geändert werden. Wenn ein Dachdecker also in einen Bürojob wechselt, kann es sein, dass er in einen anderen Tarif rutscht und weniger bezahlen muss. Andersherum geht das nicht. Denn: Man kann nicht schlechter gestellt werden, wenn der Vertrag einmal abgeschlossen wurde.

Ob und für welchen Preis Verbraucherinnen und Verbraucher eine BU bekommen, ist auch abhängig von den Gesundheitsfragen. Dabei geht es um Vorerkrankungen, über die der Versicherer Bescheid wissen will. Zum Beispiel könnte eine schwere chronische Herz-Kreislauf-Erkrankung dazu führen, dass der Vertrag nicht zustande kommt. Eine Allergie gegen Heuschnupfen ist meistens kein großes Problem. Erkrankungen oder Behandlungen sollten aber nicht verschwiegen oder übergangen werden. Denn das nennt man vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung, und der Versicherer kann im Zweifel vom Vertrag zurücktreten.

Zehn Jahre rückwirkend kann der Versicherer prüfen, ob wahrheitsgemäße Angaben gemacht wurden. Daher sollte die gesamte Krankheitshistorie aufgearbeitet werden. Eine halbe Stunde zum Ausfüllen reiche nicht, sagt Kunkel. “Das Augenmerk auf die Gesundheitsfragen – dass die wahrheitsgemäß beantwortet werden – ist wahrscheinlich eines der wichtigsten Themen. Und deswegen dauert der Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung oft mehrere Wochen.” Es können viele Probleme entstehen, wenn die Gesundheitsfragen ohne vorherigen Check bei der Krankenkasse und dem Arzt ausgefüllt werden. Neben Fehldiagnosen und Falschabrechnungen können auch Verdachtsdiagnosen den Akten auftauchen.

Vorerkrankungen oder Beruf kann BU unmöglich machen

Für viele Menschen ist es nicht einfach, einen günstigen BU-Vertrag zu bekommen. Das kann an Vorerkrankungen liegen – zum Beispiel psychische Probleme. “Junge Leute haben oft ja schon mal eine Psychotherapie gemacht, weil das völlig gesellschaftsfähig ist – wegen Studienangst, Trennung oder dem Tod der Mutter”, sagt Susanne Meunier von Stiftung Warentest Finanzen. Dann sei es sehr schwierig, eine Berufsunfähigkeitsversicherung zu bekommen, und man solle warten, bis diese Beratung für den Versicherer nicht mehr relevant sei. Auch bei anderen Vorerkrankungen wird es manchmal schwierig, an einen Vertrag zu kommen. Oder aber die Krankheit wird ausgeschlossen, und es gibt später kein Geld, falls die Berufsunfähigkeit damit etwas zu tun hat.

Eine Ablehnung eines einzelnen Versicherers sollte Verbraucherinnen und Verbraucher aber nicht abschrecken.Versuchen könne man es trotzdem, betont Kunkel von Versicherungen mit Kopf. “Man kann selbst natürlich nicht bewerten, ob die Vorerkrankung XY jetzt schon ein Ausschlusskriterium ist. Wir haben Leute, die bekommen eine BU mit 15 Vorerkrankungen. Aber die sind dann für ihren Beruf und die Risikobewertung nicht relevant.”

Insgesamt gibt es über 50 Versicherer, die eine BU-Rente anbieten. Eine anonyme Risikovoranfrage durch einen Makler kann helfen, dass Menschen vielleicht doch noch einen passenden Versicherungsschutz bekommen. Neben Vorerkrankungen sind auch einige Berufe schon im Vorhinein ausgeschlossen. Es gibt also Jobs, die aufgrund eines extrem hohen Risikos gar nicht versicherbar sind. Bei der Allianz sind das beispielsweise Sprengmeister oder Extremtaucher. Für diese Gruppen kommen Alternativen in Frage: eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung, eine Funktionsinvaliditätsdeckung wie die Grundfähigkeitsversicherung oder die Schwere-Krankheiten-Versicherung.

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