„Andor“-Produzentin Sanne Wohlenberg über ihr Verhältnis zu „Star Wars” | ABC-Z

Frau Wohlenberg, sind Sie in einer Art Zeugenschutzprogramm? Im Internet findet man so gut wie nichts über Sie. Daher ganz profan: Woher kommen Sie?
Gebürtig aus Wolfsburg. Eigentlich kommt meine Familie aus Hamburg, aber schon vor meiner Geburt hatte mein Vater einen Job bei Volkswagen angenommen. Daher bin ich in Wolfsburg geboren.
Shit happens! Ich habe als junge Frau einen Engländer kennengelernt, der im Rock-’n’-Roll-Business gearbeitet hat. Ich habe in Hamburg studiert und auf der Reeperbahn die Backstage-Bar in den Docks geschmissen. Von irgendwas musste ich ja leben. Da habe ich einen kennengelernt, der mit David Bowie auf Tour war. In den habe ich mich verknallt und gedacht, mit dem muss ich nach England. Das war 1992, ich war gerade mit meiner Ausbildung fertig.
Sie haben nie mit dem Gedanken gespielt zurückzukommen?
Einmal, ich war ungefähr seit zehn Jahren in der britischen Fernsehindustrie, hatte ich kurz mit dem Gedanken gespielt – und ihn schnell verworfen. Ich hatte zwei Bewerbungen nach Deutschland geschickt, beide wurden abgelehnt. Nach dem Motto: Da kommt eine aus England, die will uns sagen, wie das funktioniert. Im Nachhinein bin ich froh, darauf hätte ich keine Lust gehabt.
Wann haben Sie Ihre Leidenschaft für Film und Fernsehen entdeckt?
Die Leidenschaft für Film war schon immer da, doch ich konnte sie lange nicht ausleben. Ich bin konservativ aufgewachsen, meinen Eltern ging es vor allem um die Sicherheit. Alles Künstlerische haben sie abgetan, das sei nur für reiche Leute, die kein Geld verdienen müssen. Aber ich hatte schon immer den Drang, Geschichten zu erzählen, ob Buch, Drehbuch, Film oder Serie. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich tatsächlich mal in diesem Metier arbeiten würde.
Wie ist Ihr Verhältnis zu „Star Wars“?
Absurderweise bin ich nicht mit „Star Wars“ aufgewachsen. Als ich zu „Andor“ kam, war mein Wissen über das Franchise und das „Star Wars“-Universum recht beschränkt. Natürlich kenne ich die ersten Filme, da kam niemand drum rum, selbst ich nicht. Aber mich Fan zu nennen, wäre wirklich vermessen. Ich habe „Rogue One“ gesehen – aber nicht als „Star Wars“-Fan, sondern als Fan von Regisseur Tony Gilroy. Da wurde mir das erste Mal bewusst, wie groß diese „Star Wars“-Welt ist, das „Star Wars“-Universum – und was für erzählerische Möglichkeiten es da gibt, obwohl die Geschichten in einer Galaxie weit weg spielen. Es sind Themen, die immer wiederkehren. Mit Tony Gilroy da eintauchen zu können, war eine Riesenchance.
Wie war das, als bisher passive Zuschauerin die Rolle zu wechseln hin zur aktiven Produzentin? Vor allem mit den Wissenslücken?
Das ist gar nicht so schlimm, wie es klingt. Ich habe vor etlichen Jahren mal die britische Kult-Serie „Doctor Who“ produziert, ohne vorher auch nur eine Folge gesehen zu haben. Letztlich geht es immer um die Verbindung zwischen Publikum und Geschichte – egal in welcher Welt oder welcher Galaxie sie spielt. Solange sie relevant ist, wird sie funktionieren.
Und das funktioniert bei „Andor“?
Ich glaube, ja. Man muss kein „Star Wars“-Fan der ersten Stunde sein. Es geht nicht nur darum, alteingesessene Anhänger glücklich zu machen, es geht auch darum, neue Leute anzusprechen, die „Star Wars“-Welt für die zu öffnen, die bisher noch keine Berührung mit ihr hatten. Vielleicht auch aus der Angst heraus, dass sie bisher nicht genug von „Star Wars“ kennen, um überhaupt so spät noch einsteigen zu können. Aber wenn ich es geschafft habe, dann schaffen es die Zuschauer auch.
Woran liegt es, dass „Andor“ den niedrigschwelligen Ansatz, sodass auch Nicht-Kenner einsteigen können?
Es ist eine Geschichte über Revolution. Auf den ersten Blick geht es um Cassian, er ist der Protagonist, das Zentrum der Geschichte. Es gibt aber so viele andere Figuren mit unterschiedlichen Hintergründen, ganz normale Menschen in besonderen Umständen. Zufällig spielt die Geschichte eben in einer weit entfernten Galaxie, könnte aber auch bei Ihnen zu Hause ums Eck spielen. Dann wäre sie nur weniger exotisch und hätte weniger Schauwerte.
Sie sind Produzentin der Serie. Ich habe oft den Eindruck, dass die Zuschauer gar nicht so richtig wissen, was eine Produzentin überhaupt macht. Wie würden Sie Ihren Job beschreiben?
Als Produzentin habe ich den Überblick und bin gefühlt für alles verantwortlich. Ich unterstütze die Regisseure und Drehbuchschreiber kreativ, damit sie ihre Vision umsetzen können. Ich fungiere als Vermittlerin zwischen den vielen Abteilungen, die es bei so einem Filmset gibt, habe die unterschiedlichsten Aufgaben. Die Finanzen zum Beispiel, dass wir uns an den vorgegebenen Zeitrahmen halten – aber das Gute an dem Job ist: Ich bin nie allein, und wenn ich im Vorfeld ein gutes Team zusammenstelle, bin ich am Ende des Tages nur der Mehrwert.
Gibt es für Sie einen Unterschied, ob der Ausspielweg über das Medium Kino läuft oder über Fernsehen beziehungsweise Streaming?
Nein, denn die Erwartungen des Publikums sind dieser Tage sowieso riesig, egal ob im Streamingbereich oder im Kino. Natürlich wünsche ich allen Zuschauenden den möglichst größten Ausspielweg, aber meine Herausforderung als Produzentin ist immer gleich, egal ob Film oder Stream. Allein bei „Andor“ hatten wir 140 Sets in zwei Studios, 24 Locations an echten Schauplätzen, das Kostümteam hat über 700 Kostüme nur für die Sprechrollen kreiert. Und dann kam erst der Autorenstreik, der uns ausgebremst hat, dann der Schauspiel-Streik. Auch eine „Star Wars“-Serie ist ein riesiges Unterfangen.
Wie groß ist der Druck von außen durch die Fans, wie groß die Angst, Fehler zu machen?
Das habe ich gelernt abzulegen. Sonst würde ich wahnsinnig werden. Wir haben einen Mann am Set, der weiß wirklich alles über „Star Wars“: Pablo Hidalgo. An den kann man sich immer wenden, mit jeder noch so lächerlichen Frage. Wir brauchen eine Beschäftigung für Statisten im Hintergrund. Vielleicht spielen sie Karten. Was für Karten könnten das sein, ergibt das überhaupt Sinn? Ein Anruf bei ihm, und die Sache ist geklärt.
Schauspieler lassen oft von einem Set eine Erinnerung mitgehen, verschweigen das aber aus Angst vor den Produzenten. Diese Angst müssen Sie nicht haben. Hand aufs Herz – haben Sie ein Erinnerungsstück mitgehen lassen?
Ich würde nie etwas klauen! Als Produzentin muss ich doch mit gutem Beispiel vorangehen.