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Trump zum Trotz: Afrika versucht, die USAID-Krise als Chance zu nutzen | ABC-Z

Nach dem Amtsantritt von Präsident Donald Trump streichen die USA 83 Prozent der Programme der Entwicklungshilfeorganisation USAID. Auf dem afrikanischen Kontinent muss Entwicklungshilfe seitdem völlig neu gedacht werden, doch viele Länder sehen das als Möglichkeit, zu besseren Gesundheitssystemen zu kommen.

US-Präsident Donald Trumps finanzieller Kahlschlag in der Entwicklungshilfe und globalen Gesundheitsprojekten stellt besonders den afrikanischen Kontinent vor immense Herausforderungen. Regierungen und Organisationen erwachen langsam aus ihrer Schockstarre und begeben sich auf die Suche nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten. Auf lange Sicht könnte er eine längst überfällige Reform der Entwicklungshilfe und Gesundheitssysteme in Afrika einleiten.

Zunehmend werden Forderungen lauter, nicht einfach die Lücken des bisherigen veralteten und korrupten Systems zu füllen, sondern ein neues, effizienteres aufzubauen – von Afrikanern für Afrikaner. Sollte dies gelingen, wäre es ein Paradigmenwechsel. Vorher jedoch werden unweigerlich viele Menschen leiden und auch sterben. “Die kurzfristigen Konsequenzen sind brutal”, sagt Catherine Kyobutungi, Direktorin des Afrikanischen Forschungszentrum für Gesundheit und Bevölkerung (APHRC) im kenianischen Nairobi, ntv.de.

Das APHRC ist die führende Forschungseinrichtung und Denkfabrik Afrikas in Fragen der Gesundheit und des Wohlbefindens der Bevölkerung. Man spürt den Ärger der anerkannten Epidemiologin, wenn sie über die radikale Einstellung der US-Entwicklungshilfe und die Zerschlagung von USAID spricht. US-Präsident Trump missachte international vereinbarte, ordnungsgemäße Verfahren, so Kyobutungi. “Es ist menschenverachtend, aber es ist kein isolierter Fall. Es ist Teil eines neuen politischen Vandalismus.”

Neubau eines ganzen Systems

Davor muss sich Afrika in Zukunft schützen, das ist Catherine Kyobutungis Credo. Man hört es in diesen Tagen überall auf dem afrikanischen Kontinent. Trumps Kahlschlag ist eine Katastrophe, aber in dieser Krise liegt auch eine große Chance. Ein neues Selbstbewusstsein wächst und neue Konzepte reifen, die die Abhängigkeit von Geberländern aus dem Globalen Norden reduzieren könnten. “Das globale Entwicklungshilfe-System war ziemlich ineffizient”, kritisiert Kyobutungi.

Sie verweist als Beispiel auf die kostenaufwendige Datenerhebung für den Gesundheitssektor in afrikanischen Ländern, die von Geberländern, allen voran den USA, bezahlt wurde. Ohne Datenerhebung gibt es keine effektive Strategie, Gesundheitsmissstände zu beheben. “Die Datensysteme sind jedoch veraltet und oft auch nicht akkurat”, so die APHRC Direktorin. Vor allem aber sei das von den USA genutzte, milliardenteure DHIS Datensystem nun eingestellt. Die Regierungen einiger afrikanischer Nationen hätten dadurch keinen Zugang zu ihren eigenen Länderdaten mehr, ihre Gesundheitspolitik sei im nationalen Blindflug. “Das ist kein System, das wir so wieder aufbauen sollten.”

Ähnlich klingt es im kongolesischen Kinshasa, wo derzeit gegen steigende Mpox-Infektionen gekämpft wird. “Wir müssen neu denken”, sagt Professor Yap Boum. Er leitet den Mpox-Einsatz des Africa CDC. Die afrikanischen Zentren für Krankheitsbekämpfung und Schutzmaßnahmen sind eine Organisation der Afrikanischen Union. Deren Vertreter sind in den vergangenen Tagen in die Vereinten Arabischen Emirate gereist und haben Gespräche mit internationalen Stiftungen aufgenommen. Die Suche nach alternativen Geldgebern ist in vollem Gang.

In der Demokratischen Republik Kongo verzeichnen Teams derweil wöchentlich dreitausend mutmaßliche Neuinfektionen, Tendenz steigend. “Dies ist aber nur die Spitze des Eisbergs”, so Professor Boum. “Wir erreichen vielleicht 10 bis 20 Prozent der Betroffenen.” Testkapazitäten werden hochgefahren, zusätzliche Labore aufgebaut, Mitarbeiter in entlegene Regionen geschickt, um Menschen zu testen. All das kostet Geld. Viel Geld.

Aus Corona gelernt?

Im August stufte die WHO den jüngsten Mpox Ausbruch als internationalen Gesundheitsnotstand (GNIT) ein. Corona hat gezeigt, dass Viren nicht vor nationalen Grenzen haltmachen. “Die Welt muss sich überlegen, wie sie den Schutz vor Pandemien finanzieren will”, so Boum. “Wir haben jetzt die Gelegenheit für einen Relaunch der Finanzierung der Bekämpfung derartiger Ausbrüche.” Aus Sicht des Professors der Mbarara Universität in Uganda bedarf es drei wichtiger Schritte. Erstens müssten afrikanische Staaten selbst mehr beisteuern. Zweitens sollte die Diaspora, also im Globalen Norden lebende Afrikaner, Unterstützung leisten. Drittens müssten bessere Beziehungen zum Privatsektor aufgebaut werden.

Dabei steht die Pharmaindustrie ganz oben auf der Liste, auch wenn das umstritten und in Teilen auch besorgniserregend ist. “Weitgehend unbekannt ist, dass die dänische Novo Nordisk Foundation inzwischen die weltweit größte Stiftung im medizinischen Forschungsbereich ist”, sagt Professor Tulio deOliveira, Leiter der renommierten Sequenzierungs-Plattform KRISP in Südafrika. Die Novo Nordisk Stiftung ist mit dem Pharmaunternehmen verbunden, das mit dem ursprünglich als Diabetes-Medikament entwickelten und dann millionenfach als Abnehmspritze verkauften Produkt Ozempic Rekordzahlen schreibt. “Novo Nordisk könnte die Finanzlücken ohne Probleme stopfen, wenn sie wollten”, so Tulio deOliveira. “Es gibt viele andere Stiftungen und es würde mich nicht wundern, wenn sich einige nun melden.”

DeOliveira ist Entdecker der Beta- und Omikron-Variante des Sars-CoV-2 Virus und wurde 2022 mit dem deutschen Afrikapreis ausgezeichnet. “China könnte auch helfen”, meint er. “Was die USA nicht verstehen, Gelder für globale Gesundheit und Forschung sind keine Spenden, die Afrika einfordert. Sie helfen den USA zu Hause.” Während der Corona-Pandemie zum Beispiel habe es in den USA wesentlich höhere Infektionsraten gegeben als in vielen Ländern des Globalen Südens, und die Varianten seien in Südafrika entdeckt worden, obwohl sie längst in aller Welt verbreitet waren.

Lücke möglicherweise nicht so groß

Doch Finanzlücken zu stopfen, ist für viele afrikanische Experten nicht das eigentliche Ziel. “Lasst uns etwas Besseres aufbauen. Effizienz ist wichtig. Wir müssen nicht 68 Millionen US-Dollar ersetzen, denn ein Großteil dieser Gelder kam nie an”, so die Kenianerin Catherine Kyobutungi. Laut ihren Informationen seien nur 40 Prozent wirklich in Maßnahmen vor Ort geflossen. Der Rest habe die Administration eines aufgeblasenen Apparates gespeist. “Wir müssen nur eigenständig diese 40 Prozent ersetzen”, so Kyobutungi. Das wären 27,2 Millionen US-Dollar. Seit Jahren kritisieren afrikanische Gesundheitsexperten, Geberländer konzentrierten sich zu sehr auf die Finanzierung von HIV- und Malaria-Projekten. Eine vom Global Fond durchgeführte Umfrage in afrikanischen Ländern über länderspezifische Bedürfnisse im Gesundheitssektor ergab zum Beispiel, dass Diabetes, Masern oder Müttersterblichkeit in manchen Ländern wesentlich dringender Aufmerksamkeit bräuchten.

Jedes Land ist anders, doch nationaler Bedarf spiele kaum eine Rolle, so Kyobutungi. “Wir sind mit weniger Geld, das richtig eingesetzt wird, besser dran.” Eine Meinung, die nicht überall geteilt wird. Denn nicht nur die aufgeblähten Apparate der Nichtregierungsorganisationen und der Weltgesundheitsorganisation tragen zur Verschwendung der Gelder bei.

“Es ist ausschlaggebend, wirksame Anti-Korruptionsmaßnahmen in den Empfängerländern einzuführen”, so Yap Boum. Uganda gilt als eins der korruptesten Länder Afrikas. In den vergangenen Jahren haben zahlreiche Geberländer ihre Zahlungen eingestellt, weil korrupte Machenschaften oft auf politischer Ebene die Nachhaltigkeit der Projekte quasi verhinderte. Ausgerechnet Uganda hat sein Gesundheitsbudget gerade maßgeblich erhöht. Wie viel davon wirklich in die richtigen Kanäle fließt, ist fraglich, aber es ist ein deutliches Zeichen, dass politische Eliten verstanden haben, Bürgerinnen und Bürger werden die Einschnitte der USA, und übrigens auch britischer und niederländischer Geldgeber spüren.

Volkszorn und Steuererhöhungen

Die Angst vor dem Volkszorn ist ein mächtiges Schwert, das über Jahrzehnte durch ständig fließende Entwicklungshilfe abgestumpft wurde. Aber, es ist ein zweischneidiges Schwert. “Die Herausforderung ist nun, nationale Einkünfte zu steigern”, so Jakkie Cilliers vom unabhängigen Institut für Sicherheitsstudien (ISS Africa). Das heißt Steuererhöhungen. Die meisten afrikanischen Staaten werden ihre Gesundheitsstrukturen nicht ohne sie finanzieren können. “Das bedeutet, Steuerzahler werden zunehmend Rechenschaft von nationalen Regierungen verlangen.” Bei der Entwicklungshilfe geschehe das nicht. “Die Zivilbevölkerung ist nun gefragt. Ohne Druck auf nationale Politiker geht es nicht”, so Kyobutungi.

Doch das Argument, mit Steuererhöhungen in afrikanischen Ländern mehr Geld zu generieren, hat auch Schwächen. Afrikas Bevölkerung ist sehr jung, das erzielbare Steuereinkommen grundsätzlich wesentlich niedriger als im Globalen Norden. Hohe Arbeitslosigkeit reduziert die Erträge zudem. Afrikas Wirtschaft wird aufgrund der US-Kürzungen laut Berechnungen von ISS Africa bis 2030 um 3,7 Milliarden Euro schrumpfen. Und Steuererhöhungen helfen Menschen nicht, die heute Medikamente benötigen, oder medizinischen Teams, die in diesen Stunden in entlegenen Regionen der Republik Kongo Dorfbewohner auf Mpox testen. Kurzfristig, und das ist eine extrem grausame Bilanz, die alle ziehen, werden viele Menschen leiden und Hunderttausende sterben.

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