USA ist nicht so mächtig wie Donald Trump glaubt | ABC-Z

Es wirkt wie ein „game of chicken“, eine Mutprobe unter amerikanischen Jugendlichen, bei der derjenige verliert, der zuerst nachgibt. Die Vereinigten Staaten und China haben sich im Handelsstreit verhakt. Beide Seiten zeigen wenig Willen, aufeinander zuzugehen. Amerikas Präsident Donald Trump erwartet, dass China den ersten Schritt tue. China wünscht einen Dialog auf Augenhöhe. Derweil liegen die Zölle zwischen den größten Volkswirtschaften der Welt auf einem Niveau, das für viele Waren prohibitiv hoch ist. Amerika erhebt Einfuhrzölle auf chinesische Waren von bis zu 145 Prozent, China in Gegenrichtung von bis zu 125 Prozent.
Trump sieht die Vereinigten Staaten im Vorteil mit mehr Durchhaltevermögen, weil die Unternehmen und Verbraucher so viele Güter aus China kaufen. China lieferte im vergangenen Jahr Waren im Wert von 440 Milliarden Dollar in die USA. In Gegenrichtung kauften Chinesen nur für 145 Milliarden Dollar in Amerika ein. Daraus folgern Trumps Mannen, dass die amerikanische Nachfragemacht Chinas Verhandlungsposition dominiere. „China will, was wir haben, den amerikanischen Konsumenten“, sagt Trump. „Sie brauchen unser Geld.“
Da irrt Trump, befinden viele Ökonomen. Die Vorteile in den Zollverhandlungen lägen auf der Seite Chinas, argumentiert Adam Posen, der Präsident des Peterson Institute for International Economics in Washington, in einer Analyse. Amerika ist nach seiner Darlegung auf Waren aus China angewiesen, für Peking in Gegenrichtung gelte das nicht. China verdiene im Amerikahandel nur Geld, argumentiert Posen, ein austauschbares Gut. Das könne es auch im Handel mit anderen Staaten verdienen.
Sonderzölle auch für Pharma und für Mikrochips angekündigt
Für den Nachfrager Amerika gilt das in Gegenrichtung nur eingeschränkt. Halbleiter, Computer, Smartphones, Pharmaprodukte, Seltene Erden und Mineralien – all diese Waren beziehen die Vereinigten Staaten zu einem großen Teil aus China. All diese Waren könnte Amerika nur bedingt, zu sehr hohen Kosten oder – wenn überhaupt – nur nach vielen Jahren selbst herstellen oder von Drittstaaten beziehen. Das erklärt nach Ansicht von Ökonomen, warum Trump Zollausnahmen für Elektronik- und Pharmaprodukte gesetzt hat. Diese dürften nur vorübergehend gelten. Der Präsident hat größere Sonderzölle auch für Pharma und für Mikrochips angekündigt.
Das Trump’sche Argument der großen Nachfragemacht halten Ökonomen auch deshalb für verfehlt, weil es im großen China gar nicht so sehr aufträgt. „China hat, was den Handel betrifft, schon eine stärkere Position“, sagt Lisandra Flach, die am Ifo-Institut in München für die Außenwirtschaft zuständig ist. Auch bei sehr hohen amerikanischen Zöllen könne China für seine Produkte andere Märkte erschließen und den Handel umlenken, sagt Flach. Die chinesische Produktion müsse so trotz der amerikanischen Zölle gar nicht so stark zurückgehen.
Das Ifo-Institut hat in einer Simulation berechnet, was amerikanische Zölle in Höhe von 145 Prozent auf chinesische Produkte bedeuten. Der chinesische Export in die Vereinigten Staaten könnte danach langfristig um mehr als 80 Prozent sinken. Der chinesische Export insgesamt aber gehe nur um etwa zehn Prozent zurück, sagt Flach. Die ökonomische Logik dahinter: China exportiert mehr in andere Länder, wenn die Amerikaner ihre Tore Richtung Asien schließen. Die mögliche Ausweichreaktion stärkt die Verhandlungsmacht Pekings gegenüber Washington.
„Amerika schottet sich stärker vom Welthandel ab, als es China macht“
Julian Hinz vom Kieler Institut für Weltwirtschaft sieht die Chinesen auch deshalb im Vorteil, weil die Amerikaner gerade mit fast allen Ländern gleichzeitig einen Handelsstreit vom Zaun brechen. Dagegen hätten die Chinesen „gerade mit einem wichtigen, aber eben auch nur mit einem Handelspartner so einen Konflikt“, sagt Hinz. „Amerika schottet sich stärker vom Welthandel ab, als es China macht“, formulierte es der Chefökonom der Welthandelsorganisation im Deutschlandfunk.
China mag auch zugutekommen, dass die Wirtschaft nach den jüngsten Wachstumszahlen am Jahresbeginn noch gut lief. In den Vereinigten Staaten dagegen ist das Verbrauchervertrauen im Zollkonflikt in der Erwartung höherer Preise schon eingebrochen. Die zollbedingten Turbulenzen an den Finanzmärkten und der schwächere Dollar tragen ihren Teil zur wirtschaftlichen Unsicherheit bei.
Es ist ein relativer Vorteil, den die Vereinigten Staaten und China in dem Handelskonflikt anstreben. Wenn Zölle den internationalen Handel behindern, verlieren immer beide Seiten, Käufer und Verkäufer. Der scheinbare Sieger im Handelskonflikt ist so derjenige, der weniger verliert.
China wehrt sich
China versucht derweil ebenso wie die Vereinigten Staaten, die Kosten für den Gegenspieler in die Höhe zu treiben. Peking setzt an seiner Nachfragemacht an und hat nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg die chinesischen Fluggesellschaften angewiesen, keine weiteren Boeing-Flugzeuge mehr abzunehmen. China setzt auch an seiner Angebotsmacht ein. Schon im Dezember verbot das Land die Ausfuhr von Mineralien wie Gallium und Germanium in die Vereinigten Staaten, die in der Herstellung von Halbleitern, von Batterien und für militärische Anwendungen benötigt werden.
Erstmals nutzte China dabei eine Regel des 2020 beschlossenen Exportkontrollgesetzes, wonach das Verkaufsverbot auch extraterritorial wirkt. Damit ist die Ausfuhr dieser Stoffe auch über Drittstaaten in die Vereinigten Staaten untersagt. Es ist ein Beispiel, wie die chinesische Exportkontrollgesetzgebung sich den amerikanischen Gewohnheiten annähert. Im Februar verhängte China die Pflicht zur Exportlizenz für fünf weitere Mineralien, deren Folgen in diesen Tagen in den Vereinigten Staaten, aber auch in Europa zunehmend zu spüren sind.
In diesen Seltenen Erden dominiert China die globalen Märkte und hat eine Marktmacht, die nicht so schnell zu brechen sein wird. Trump hat als Reaktion eine Untersuchung in Auftrag gegeben, um Sicherheitsrisiken durch die Einfuhr Seltener Erden zu erfassen. Berichtet wird, dass allein für die Produktion eines F-35-Kampfflugzeugs rund 400 Kilogramm an Seltenen Erden benötigt würden.
Auch die Vereinigten Staaten versuchen, die Kosten des Handelskriegs für China zu erhöhen. Dem Halbleiterspezialisten Nvidia hat die amerikanische Regierung gerade untersagt, einen bestimmten hoch entwickelten Mikrochip aus Gründen der nationalen Sicherheit nach China zu exportieren. In irritierender Weise setzt die Regierung damit nicht an der von Trump behaupteten Nachfragemacht, sondern an der amerikanischen Angebotsmacht an. Der erste Schaden traf nicht China, sondern amerikanische Technologieaktien, deren Aktienkurse nachgaben.