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Zverev weiter in der Achterbahnsaison bei den BMW Open in München – Sport | ABC-Z

Am Vormittag dieses kalten Frühlingstages erschien Alexander Zverev zunächst ohne Tennisschläger und ließ sich, umrahmt von Sicherheitsleuten, zum Trainingsplatz hinter dem neuen, provisorischen Stadion auf der Anlage des MTTC Iphitos geleiten. Kurz darauf erschien sein Team samt Marcelo Melo, der 41-jährige Brasilianer und Doppelspezialist ist eng mit dem Weltranglistendritten befreundet und reist gelegentlich nicht nur mit Zverev zum Urlauben auf die Malediven, sondern assistiert auch gerne beim Üben. Als Hitting Partner, als Spielpartner, fungierte nun aber Ex-Profi Matthias Bachinger, und während Zverevs Mutter samt den Toypudeln Lövik und Junior am Seitenrand Platz nahm, drosch Zverev auf die Bälle. Erstaunlich oft flogen sie weit ins Aus. Zverev wirkte nicht auf der Höhe seiner Kunst.

Später am Freitag, als der an Nummer eins Gesetzte der BMW Open zu seinem Viertelfinalmatch gegen Tallon Griekspoor antrat, sollte sich dieses Bild weiter bewahrheiten. Zverev spielte einen schwachen ersten Satz. Im zweiten Satz nahm ihm der Niederländer, die Nummer 37 der Weltrangliste, die ihn kürzlich in Indian Wells bezwang, das erste Aufschlagspiel mit einem Break ab und schlug bei 5:4 zum Sieg auf. Bei 15:0 hatte Griekspoor einen kinderleichten Vorhandvolley vor sich, doch verschlug ihn. Tennis kann brutal sein. Prompt drehte Zverev diesen Satz. Und das Match. Bei 5:3 in Satz drei vergab Zverev noch drei Matchbälle. Letztlich siegte er 6:7 (6), 7:6 (3), 6:4 und jubelte mit einem Luftsprung wie ein Fußballer nach einem Tor. Es war eine teils wilde Partie, auch auf den Tribünen ereignete sich manches.

Als es wieder ewig dauerte, rief jemand von oben: „Schlag halt mal auf!“

Zwei Zuschauerrufe sorgten für Irritationen, wobei der erste noch unter der Kategorie „bayerischer Humor“ verbucht werden konnte. Zverev hat es sich ja angewöhnt, vor seinem Aufschlag den Ball unzählige Male aufzutippen, das dauert natürlich. Einmal, im Tie-Break des ersten Satzes, kassierte Zverev sogar eine Time Violation, eine Zeitverwarnung. Als es ein anderes Mal ewig dauerte, rief jemand: „Schlag halt mal auf!“ Sanftes Gelächter folgte. Beim zweiten Zwischenruf war die Resonanz weniger freundlich. Als ein Mann beim Stand von 5:5 im zweiten Satz „Hau ab, du scheiß Frauenschläger“ brüllte, ertönten Pfiffe. Kurz darauf zeigten Zuschauer auf den Mann, Sicherheitsleute rückten an, doch konnten aufgrund der Stahlkonstruktion des Stadions nicht emporsteigen. Minuten später verließ der Mann von selbst Platz und Arena. Offenbar nahm er Bezug auf einen Prozess im vergangenen Jahr gegen Zverev, als der Tennisprofi sich Vorwürfen häuslicher Gewalt ausgesetzt sah. Das Berliner Amtsgericht hatte damals das Verfahren gegen eine Geldauflage eingestellt, ein Urteil gab es nicht.

Zverev hatte keinerlei Regung nach dem rüden Einwurf erkennen lassen (später sagte er: „Es gibt immer ein, zwei Idioten im Stadion“), dafür reagierte er äußerst emotional, als er die Partie nach 3:13 Stunden für sich entschieden hatte. Seit seinem Finale bei den Australian Open Ende Januar, das er gegen den Weltranglistenersten (und aktuell wegen eines Dopingvergehens gesperrten) Jannik Sinner aus Italien verlor, quält er sich durch die Saison. Bei sechs Turnieren erreichte er nur zweimal das Viertelfinale. In München gab er zu, dass seine erstmalige Teilnahme bei Turnieren in Süd- und Mittelamerika ein Fehler gewesen sei. Bei den BMW Open, nun aufgewertet zu einem 500er ATP-Turnier, setzte Zverev seine Achterbahnsaison fort und erreichte sein erstes Halbfinale seit Melbourne.

„Die Zuschauer haben mich durchs Match gebracht“, sagte er erlöst beim Platz-Interview, „ich war mental kaputt.“ Auch er hatte registriert, wie laut er ab dem 5:4 im zweiten Satz angefeuert wurde. Viele trampelten mit den Füßen auf den Boden. „Ich bin im Halbfinale wegen euch“, rief er, die Menge johlte. Er trifft dort auf den Ungarn Fabian Marozsan. Das zweite Halbfinale bestreiten Ben Shelton (USA) und Francisco Cerundolo (Argentinien). Sollte Zverev das Finale erreichen, könnte er seinen dritten Titel in München holen. Einen Grund zu feiern hat er am Sonntag in jedem Fall. Er wird dann 28.

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