Bezirke

Stabil: Ausstellung von Afra Dopfer und Sandra Cagnoli in Fürstenfeldbruck – Fürstenfeldbruck | ABC-Z

„Stabil“ – so heißt die Ausstellung der beiden Münchner Künstlerinnen Afra Dopfer (geboren 1962 in Starnberg) und Sandra Cagnoli (geboren 1972 in München), die derzeit in der Fürstenfeldbrucker Kulturwerkstatt Haus 10 zu sehen ist. „Stabil“ – das lässt an stabile Verhältnisse denken, aber auch an Solidität und Ausgewogenheit. Diese Ausstellung ist jedoch weder stabil noch homogen, auch wenn das auf den ersten Blick so erscheinen mag. Beide Künstlerinnen haben sich der Zeichnung verschrieben, Arbeiten auf Papier, der Schwarz-weiß-Kontrast ist bestimmend und Farbe tritt – wenn überhaupt – nur sehr dezent in Erscheinung.

Wer die Räumlichkeit der Kulturwerkstatt betritt, wird unwillkürlich von den erstaunlich körperhaften großformatigen Kohlezeichnungen von Sandra Cagnoli in den Bann gezogen. Es ist schwer zu beschreiben, was da eigentlich zu sehen ist: Einfach formuliert handelt es sich um Bündel kräftig gezogener Linien, die nichts anderes wiederzugeben scheinen als Kraft und Dynamik. Als Kunsthistoriker mag man an die Frühzeit der Moderne denken, an den italienischen Futurismus mit seiner Faszination für Technik und Geschwindigkeit. Sandra Cagnoli ist eine exzellente Zeichnerin, der es scheinbar mühelos gelingt, ausschließlich mittels der Linie Dynamik mit einem hohen Maß an Sinnlichkeit zu verbinden.

In kleinformatigen Zeichnungen variiert Afra Dopfner geometrische Motive. (Foto: Johannes Simon)

Afra Dopfner ist die stillere der beiden Künstlerinnen und ihre Kunst hat ein wenig Mühe, sich gegenüber der sinnlichen Präsenz der Kollegin zu behaupten. Dopfners zarte, zurückhaltende Zeichnungen, denen etwas Verschwindendes zu eigen ist, arbeiten mit und beziehen sich immer oder meist auf geometrische Grundformen. Es ist eine elitäre, sehr ästhetische Kunst, die vielfältige Assoziationen zulässt, sofern einem diese präsent sind: Grundrisse von Architekturzeichnungen, Querschnitte durch die sogenannten kantonierten Pfeiler der Gotik. Dopfners Schaffen ist ein Experimentierfeld, ein Laboratorium, in welchem geometrische Formen gezielt aufeinandertreffen. Minimale Interventionen verändern dabei die Wahrnehmung und den Ausdruck. Wie subtil Dopfner vorgeht, zeigt eine sogenannte Kugelzeichnung: Das ist ein Gips-Ball, auf dem in regelmäßigen Abständen Bleistift-Punkte aufgetragen sind. In der oberflächlichen Wahrnehmung wirkt dieses Objekt wie ein technischer Gegenstand, die Punkte suggerieren eine Perforierung, der Körper wirkt leicht und zerbrechlich. Ein echtes Trompe-l’oeil-Erlebnis also, eine Augentäuschung, die erst bei näherem Hinsehen erfahrbar wird.

Homogener Raumeindruck trotz stilistischer Unterschiede: Arbeiten von Sandra Cagnoli (links) und Afra Dopfner (Mitte und rechts) (Foto: Johannes Simon)

Wenn man den Gegensatz zwischen den Künstlerinnen auf einen kurzen Nenner bringen möchte, dann ist es der zwischen Sinnlichkeit einerseits und Spiritualität andererseits. Die großflächigen Zeichnungen von Sandra Cagnoli ziehen die Blicke intuitiv auf sich, während die Arbeiten von Afra Dopfer die Betrachterinnen und Betrachter zum genauen, gründlichen Hinschauen zwingen, was auch intellektuelle Arbeit bedeutet. Qualitativ besteht zwischen den beiden Künstlerinnen kein Gefälle, beide vertreten gewissermaßen den „Herbst“ der Moderne, um einen Begriff des Kulturhistorikers Johan Huizinga zu gebrauchen. Hochästhetisch und entrückt, perfekt und gelegentlich ein wenig spröde. Die Präsentation überzeugt nicht zur Gänze, da sie insbesondere die Arbeiten von Afra Dopfner etwas zu stark in Bedrängnis bringt. Trotzdem eine sehr sehenswerte Ausstellung, die auch die Rolle der Kulturwerkstatt Haus 10 als wichtigen Ort zeitgenössischer Kunstvermittlung eindrucksvoll unterstreicht.

Ausstellung „Stabil“. Haus 10 Fürstenfeldbruck. Geöffnet bis 21. April, täglich von 10 bis 18 Uhr. Künstlerinnengespräch am Samstag,  19. April,  15 Uhr.

Back to top button