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Kehrt der Hype zu Ostern zurück? | ABC-Z

Vor der Lindt-Boutique ist ein roter Teppich ausgerollt. Zwei große Pappaufsteller in Eiform sind in Stellung gebracht. Im Shop werden an diesem Samstag Ostereier mit Dubai-Schokogeschmack („Dub-Ei“) angeboten, limitiert auf tausend Stück. Sechs Eier, 108 Gramm, für 9,99 Euro. Eine Handvoll hartgesottener Fans wartet vor geschlossener Tür. Vorn in der Schlange fachsimpelt ein Herr über seine Reisen nach Qatar, Saudi-Arabien, Dubai. Er kenne sich mit der Herkunft der Schokolade aus. Ein Ehepaar weiter hinten gibt unterdessen auf und geht. Um zehn Uhr öffnet der Laden, ein DJ legt auf. Aber so richtig kommt bei fünf Kunden keine Dubai-Partystimmung auf.

Vor Weihnachten bildeten sich hier und andernorts lange Schlangen – wegen der Schokolade. Und jetzt, vier Monate später, vor Ostern, soll alles vorbei sein?

Virale Trends folgen meist einem Muster

„Der Hype um die Dubai-Schokolade ist mit dem Jahreswechsel stark abgeflaut, der Höhepunkt des Trends lag im November und Dezember 2024“, sagt der Psychologe Rüdiger Maas vom Institut für Generationenforschung. Im Rahmen der Trendstudie 2025 beschäftigte er sich unter anderem mit dem Aufstieg und Fall der Nascherei.

Die Mechanismen für einen viralen Produkttrend folgen meist einem Muster: Bekannte Influencer rezensieren ein Produkt und preisen es in den sozialen Medien an. Das weckt das Interesse ihrer Follower. Ist der beworbene Artikel besonders exklusiv, steigert das die Beliebtheit im Netz. Viele wollen probieren und teilen wiederum ihre Erfahrung online: Das Produkt geht viral. Zusätzlich greift der Mitläufereffekt: Konsumenten bevorzugen Produkte, die andere bereits kaufen.

Genauso lief es bei der Dubai-Schokolade, mit Pistazien-, Tahini- und Engelshaarfüllung. Mit Dubai assoziierten viele Reichtum und Luxus, sagt Maas. Genauere Informationen zum originären Hersteller hielten sich allerdings kaum im kollektiven Gedächtnis. Die Tafel gibt es nämlich schon länger als den Trend: Gegründet wurde das Unternehmen dahinter, Fix Dessert Chocolatier, in Dubai im Jahr 2021.

Influencerin Kiki Aweimer in ihrem Geschäft „Kikis Kitchen“ in Bochum.Picture Alliance

Die Food-Influencerin Kiki Aweimer war die Erste, die Dubai-Schoki in Deutschland ab dem Frühjahr 2024 in größerem Umfang produzieren ließ. Im Lauf des Jahres drängten mehr Anbieter auf den Markt, der Preis sank leicht. Der Schokoladenhersteller Lindt brachte Mitte November etwa eine eigene Dubai-Schokolade heraus, für damals rund 15 Euro pro Tafel.

Die Tafel bot Projektionsfläche für Sehnsucht nach Wüste und Wohlstand. Das machte das Produkt interessant. „Eine Bukarest-Schokolade hätte sicher nicht so gut funktioniert“, sagt Maas.

Dementsprechend gestaltete sich auch der Preis. Die Dubai-Schokolade wurde zum kleinen Luxusgut. Bis zu 25 Euro kostete damals eine 200-Gramm-Tafel. Dennoch lag der Preis so, dass sich viele die Leckerei zumindest einmal zum Probieren leisten konnten. Geschmacklich bewerteten die meisten die Süßigkeit als sehr gut, die wenigsten griffen jedoch erneut zu, sagt Rüdiger Maas. „Dafür war der Preis wiederum zu hoch.“ Spätestens als der Markt mit Dubai- oder Dubai-Style-Schokoladen vieler Hersteller geflutet war, wurde die Süßigkeit zu breit verfügbar. Nach einigen Monaten boten auch Discounter Varianten an.

Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.



Paradox: Der Trend hätte sich länger halten können, wären die Preise noch höher gewesen, sagt Maas. Denn das, was die Dubai-Schokolade am Anfang so begehrt machte, war ihre Exklusivität.

Die Tatsache, dass zudem DIY-Rezepte im Internet landeten, habe dem Trend weiter geschadet. „Das hat das Produkt entmystifiziert“, sagt der Trendforscher.

Die Übersättigung mit Dubai-Produkten vertrug sich nicht mit dem Gefühl der Exklusivität

Bald gab es nicht mehr nur Dubai-Schokolade zu kaufen. Viele Unternehmen sprangen auf den Trend auf, plötzlich wurden Dubai-Hörnchen, -Pizzen, sogar -Würstchen angeboten. Auf Weihnachtsmärkten gab es Dubai-Mandeln, Dubai-Pfannkuchen und Dubai-Baumstriezel zu kaufen. Sogar kleinere Bäckereien boten Dubai-Torten und -Krapfen an. Diese Übersättigung deckte sich nicht mit dem Gefühl des exklusiven Geschmackserlebnisses aus dem fernen Emirat. „Das Marketing war widersprüchlich“, sagt Maas. Das Interesse der Konsumenten am Produkt nahm ab.

Der letzte Sargnagel? Vielleicht die deutsche Genauigkeit. Stiftung Warentest ließ vier von sechs geprüften Dubai-Tafeln in diesem Frühjahr durchfallen – sie hätten gar nicht in Deutschland verkauft werden dürfen. Zum Teil wurden Zusatzstoffe nicht genannt, und es fehlten Hinweise für Allergiker. Auch Nährwertangaben waren nicht korrekt.

Viele der Tafeln kommen auch nicht aus dem Wüstenemirat, sondern aus der Türkei. Ein Umstand, der deutsche Gerichte bereits beschäftigte. Das Landgericht Köln urteilte, dass „Dubai-Schokolade“ aus dem Emirat kommen oder einen geographischen Bezug aufweisen müsste, sonst sei die Bezeichnung irreführend. Viele Hersteller stiegen auf eine Variante von „Dubai-Style“ um.

Zu Ostern produziert Lindt seine Luxus-Schokolade auch in Ei-Form.
Zu Ostern produziert Lindt seine Luxus-Schokolade auch in Ei-Form.Picture Alliance

Trotzdem: Als Gimmick zu Ostern könnten die Dubai-Eier durchaus wieder funktionieren, sagt Maas. Die Eiform ist neu, sodass die Nachfrage im Rahmen des Ostergeschäfts durchaus noch einmal ansteigen könne. Er könne sich gut vorstellen, dass die Eier als einmaliges Ostergeschenk gekauft würden.

Wer den Lindt-Launch am Samstag verpasst hat: Allein in Frankfurt waren von den tausend Packungen am Montag noch mehr als 800 übrig. Auf Kleinanzeigen finden sich nur eine Handvoll Anzeigen, in denen die scheinbar exklusiven Schoko-Eier angeboten werden. Dann für stolze dreißig Euro für sechs Stück.

Über das Ostergeschäft hinaus dürfte die Dubai-Schokolade keine große Rolle mehr spielen, sagt der Experte; er geht nicht davon aus, dass sich der Hype in diesem Winter wiederholen wird. „Es kann gut sein, dass sich die Geschmacksrichtung Dubai nicht etablieren kann.“ Für eine dauerhafte Kundenbindung biete die Schokolade nicht genügend Identifikationspotenzial. „Der Kunde braucht das Gefühl, dass der Kauf für etwas gut ist.“ Für Nachhaltigkeit oder zum Abnehmen etwa. Der Kauf von anderen trendigen Lebensmitteln, zum Beispiel Hafermilch oder sogenannte Superfoods wie Chiasamen, biete solche Vorteile.

Maas prognostiziert, dass es in Zukunft mehr dieser intensiven, jedoch kurzlebigen Social-Media-Trends geben könnte. Immerhin eine Zutat der Schokolade erfreut sich weiterhin großer Beliebtheit. Es gibt Anzeichen dafür, dass die süße Füllung Kadaifi oder Engelshaar als Zutat für „Engelshaar-Schokolade“ erst am Beginn des eigenen Hypes steht.

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