Volkshochschulen befürchten Steuern auf Bildung – Fürstenfeldbruck | ABC-Z

Muss, wer künftig einen Volkshochschulkurs belegt, zusätzlich zu den Kursgebühren auch noch Umsatzsteuer zahlen? Die Erwachsenenbildung würde dies erheblich verteuern. Mit der Folge, dass sich noch mehr Menschen mit prekären finanziellen Verhältnissen ein solches Angebot nicht mehr leisten könnten. Das befürchtet Achim Puhl, Leiter der Volkshochschule Puchheim. Der Grund hierfür ist ein Entwurf zur Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses des Finanzministeriums in Berlin. Nach diesem soll Weiterbildung nur noch dann steuerfrei bleiben, wenn sie einen unmittelbaren Bezug zu einem Beruf oder zur Berufswahl hat.
Alle anderen Kurse der Erwachsenenbildung sollen demnach der Kategorie Freizeit zugeordnet und damit steuerpflichtig werden. Puhl spricht von einer unsozialen und realitätsfernen Dichotomie. Nach dem Motto, wir finanzieren nur das, was notwendig ist, unterscheide das Ministerium bei Bildung zwischen einem sinnvollen und nicht sinnvollen, einem nützlichen und nicht nützlichen Bereich.
Statt Bildung als eine für die Zukunft einer Gesellschaft wichtige und wertvolle Aufgabe zu sehen, die überfachliche Kompetenzen vermittelt. Da laut Puhl jedes Wissen „beruflich und privat verwertbar“ ist, spricht er von einer falschen Weichenstellung und von einem Rückfall in ein längst überwundenes Bildungsverständnis aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg.
Entsprechend groß ist die Verunsicherung bei den Trägern der allgemeinen Weiterbildung. Laut dem Bayerischen Volkshochschulverband schaden die Pläne des Finanzministeriums dem Bildungsstandort Deutschland. Fallen nach dem Verständnis der Ministerialbürokratie künftig Angebote, die Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln, die auch im Privaten zur Anwendung kommen könnten, in die Kategorie Freizeit, setze sich das Ministerium über den Willen des Gesetzgebers hinweg. Dieser habe ausdrücklich erklärt, dass nach der Gesetzesänderung „die bislang umsatzsteuerfreien Leistungen unverändert umsatzsteuerfrei bleiben“. Das Ministerium wird deshalb dazu aufgefordert, mit den betroffenen Bildungsträgern einen Dialog über ein zeitgemäßes Bildungsverständnis zu führen.
Vorgabe des europäischen Rechts
Der Olchinger SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Schrodi, weist auf SZ-Anfrage darauf hin, dass das europäische Recht vorgebe, die bloße Freizeitgestaltung von der Umsatzsteuerbefreiung auszunehmen. Das habe der Europäische Gerichtshof in einer Reihe von Urteilen bestätigt. Dies umzusetzen, bezeichnet er als Herausforderung. Die Abgrenzung werde in vielen Fällen nicht leicht sein und müsse deshalb immer als Einzelfallentscheidung getroffen werden.
Zudem weist Schrodi darauf hin, dass trotzdem das Ziel der Chancengleichheit erreicht worden sei und es auch keine Verteuerung von Bildungsleistungen geben werde. Dabei beruft er sich auf die Begründung für die Neufassung des Gesetzestextes, nach der die bislang umsatzsteuerfreien Bildungsleistungen nicht angetastet werden. Man wolle allen den Zugang zu Bildung und Teilhabe an lebenslangem Lernen ermöglichen. Das gelte selbstverständlich auch für die Erwachsenenbildung.