Atomabkommen: Pure Angst – Warum der Iran jetzt wirklich mit den USA verhandelt | ABC-Z

Die USA und der Iran wollen am Samstag im Oman über ein neues Atomabkommen verhandeln. Andernfalls, droht US-Präsident Trump, hagele es Bomben. Dass sich Teheran auf diese Gespräche einlässt, kam für viele überraschend. Ein Bericht legt nun nahe, dass dies aus purer Angst geschah.
Vor vier Wochen brachte ein arabischer Vermittler einen persönlichen Brief von Donald Trump in die iranische Hauptstadt Teheran. Der Inhalt, adressiert an das Oberhaupt Ayatollah Ali Chamenei, war Gesprächsangebot und Drohung zugleich. Der US-Präsident wolle Verhandlungen bezüglich des von ihm 2015 aufgekündigten Atomabkommens wieder aufnehmen, erklärte Trump anschließend vor Journalisten, und dass eine Verhandlungslösung „viel besser für den Iran sein wird“. Ansonsten würden die USA militärisch intervenieren – „und das wird eine fürchterliche Sache für sie sein“, warnte er. Der Iran dürfe keine Atomwaffen besitzen.
Die erste Reaktion aus Teheran überraschte wenig. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP schloss der iranische Außenminister Abbas Araghtschi Verhandlungen aus, sollten die USA weiterhin ihre Droh-Politik gegenüber dem Iran verfolgen. „Wir werden keine direkten Verhandlungen mit den USA aufnehmen, solange sie ihre Politik des maximalen Drucks und ihre Drohungen fortsetzen“, sagte er. Ayatollah Ali Chamenei warnte im Falle eines Angriffs vor einer entschiedenen Reaktion.
Was darauf aus den USA folgte, waren Bomben auf die Stellungen der Verbündeten des Iran, der Huthis in Jemen, – ein Vorgeschmack auf das, was Teheran bald erwarten könnte – und Androhungen direkter „Bombardements“ durch Amerika unter Führung des iranischen Erzfeindes Israel. Und plötzlich änderte sich die Rhetorik des islamischen Regimes. Als Trump völlig überraschend vor wenigen Tagen verkündete, dass an diesem Samstag direkte Gespräche mit „hochrangigen iranischen Vertretern“ im Oman führen zu lassen, gab es diesmal kein Dementi. Stattdessen bestätigte der Iran die anstehenden Verhandlungen und verwies lediglich darauf, dass man „indirekt“ mit dem US-Sondergesandten Steve Witkoff verhandeln werde.
Der iranische Präsident Massud Peseschkian bot sogar die Aussicht auf amerikanische Investitionen in der Islamischen Republik an, falls die beiden Länder eine Einigung erzielen können. „Seine Exzellenz hat nichts gegen Investitionen amerikanischer Investoren in Iran“, sagte Peseschkian und bezog sich auf Ajatollah Ali Chamenei. „Amerikanische Investoren: Kommt und investiert.“
Beobachter rätselten daraufhin, was die plötzliche kommunikative Kehrtwende des Iran ausgelöst haben könnte, der sich jahrelang jeden Verhandlungen in Bezug auf sein fortschreitendes Atomprogramm verschloss. Ein Bericht der „New York Times“ legt nun nahe, dass hochrangige iranische Beamte Chamenei zu einem Kurswechsel gedrängt haben, was genauso ungewöhnlich wie brisant wäre. Dazu sollen sich Präsident Peseschkian und die Spitzen von Justiz und Parlament laut zwei iranischen Beamten im vergangenen Monat mit dem obersten Führer getroffen haben. Die Botschaft soll laut US-Zeitung eindeutig gewesen sein: Falls Chamenei keinen – falls nötig auch direkten – Verhandlungen zustimmt, müsse er damit rechnen, dass die aktuelle iranische Herrschaft gestürzt würde.
Iranische Wirtschaft würde umfassenden Krieg nicht verkraften
Die Kriegsgefahr mit den USA und Israel sei äußerst ernst, sollen die Regierungsvertreter gewarnt haben. Sollten die Verhandlungen scheitern, seien Militärschläge auf die beiden wichtigen iranischen Atomanlagen Natanz und Fordo unvermeidlich. Weil der Iran dann gezwungen sei, einen Gegenschlag durchzuführen, bestünde die Gefahr eines umfassenden Krieges, der die ohnehin am Boden liegende iranische Wirtschaft weiter schwächen und Unruhen befeuern würde. Der Iran leidet unter einer schweren Wirtschaftskrise, verstärkt durch die internationalen Sanktionen nach Scheitern des ersten Atomabkommens. Zudem gibt es massive Engpässe bei Gas, Strom und Wasser.
Erst am Ende des stundenlangen Gesprächs soll Chamenei nachgegeben und indirekten Gesprächen, zunächst über einen Vermittler, zugestimmt haben – offenbar aus purer Angst. Schließlich hatte US-Präsident Trump in den vorangegangenen Tagen bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit Militärschlägen gedroht, sollten die Gespräche scheitern. Ein Eskalationsrisiko, das das iranische Regime offenbar nicht bereit ist zu tragen. Die Zeitung berichtet weiter, dass beide Seiten vorerst in getrennten Räumen tagen und omanische Diplomaten Botschaften austauschen werden. Trump behauptet hingegen, die Gespräche würden direkt stattfinden.
Direkt oder indirekt sind die beginnenden Verhandlungen zwischen den USA und dem Iran ein entscheidender Schritt zur Lösung des drängenden Atombomben-Problems. „Herrn Chameneis Kehrtwende zeigt, dass er seit Langem an seinem Grundprinzip festhält, dass ‚die Erhaltung des Regimes das Notwendigste ist‘“, sagte Hossein Mousavian, ein ehemaliger Diplomat, der 2015 im iranischen Atomverhandlungsteam für ein Abkommen mit dem Iran saß, der „New York Times“.
Das Nachrichtenportal Axios berichtet außerdem, dass der Iran auf Zeit spielen könnte. So habe Trump in seinem Brief erklärt, er wolle keine Verhandlungen mit offenem Ende und habe deshalb eine zweimonatige Frist für die Erzielung einer Einigung gesetzt. Diese Frist wäre inzwischen zur Hälfte abgelaufen. Das Mullah-Regime könnte demnach nun eine Interimslösung anstreben, um Zeit für Verhandlungen über ein umfassendes Atomabkommen zu gewinnen. Ein Scheitern der Verhandlungen mit den USA, so scheint es vor der Zusammenkunft im Oman, will und kann sich der Iran nicht mehr leisten.
Sandra Hackenberg ist Redakteurin im Wirtschaftsressort. Sie schreibt über den Standort Deutschland, internationale Wirtschaftspolitik und Immobilien. Aktuell arbeitet sie für mehrere Monate für WELT in den USA.