Trennung Jahre vorher vorhersagbar? Studie findet Punkt, an dem alles zerbricht | ABC-Z

Berlin. Wann fängt eine Trennung wirklich an? Eine neue Studie zeigt, dass Beziehungen schon lange vor dem offiziellen Ende auseinandergehen.
Am Anfang ist es nur ein Gefühl. Eine leise Ungeduld. Gespräche klingen leer, Berührungen fremd. Man kämpft noch, hofft, zögert. Doch irgendwann ist klar: Es geht nicht mehr. Was folgt, ist oft ein Wechselbad aus Erleichterung und Enttäuschung, Trauer, Frustration – manchmal auch Wut und Groll.
Dass Trennungen schmerzhaft sind, weiß jeder, der sie erlebt hat. Doch wann genau geht eine Beziehung zu Ende und wie verändert sich das Erleben von Nähe, Liebe und Leben in dieser Zeit? Diesen Fragen ist die Psychologin Janina Bühler von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz gemeinsam mit ihrem Kollegen Ulrich Orth von der Universität Bern nachgegangen.
Die Ergebnisse, die im renommierten „Journal of Personality and Social Psychology“ veröffentlicht wurden, zeigen: Der eigentliche Bruch beginnt oft lange vor der Trennung – und verläuft in zwei klar unterscheidbaren Phasen.
Anzeichen einer Trennung: Der Abschied beginnt früher, als wir denken
Für ihre Untersuchung wertete das Forschungsduo vier große Langzeitstudien aus Deutschland, Australien, Großbritannien und den Niederlanden aus. In diesen Studien wurden die Teilnehmenden über Jahre hinweg begleitet und regelmäßig zu ihrer Lebens- und Beziehungszufriedenheit befragt. Dadurch ist es möglich, die Entwicklung von Partnerschaften nachzuzeichnen – nicht aus der Erinnerungen, sondern anhand von zeitnah dokumentierten Veränderungen.
Die Analyse ergab: Die Zufriedenheit in einer Beziehung sinkt nicht erst am Ende, sondern bereits ein bis zwei Jahre vor der Trennung. Die Forscher unterscheiden zwei Phasen: eine präterminale Phase, in der die Zufriedenheit leicht, aber messbar abnimmt – und eine terminale Phase, in der sie abrupt zusammenbricht. „Ist diese Phase erreicht, kommt es später ausnahmslos zur Trennung“, sagt Bühler. Von diesem Punkt an, so zeigen die Daten, trennten sich die meisten Paare innerhalb von sieben bis 28 Monaten.
Beziehung am Ende? Diese Phase deutet auf eine bevorstehende Trennung hin
Um sicherzugehen, dass dieser Rückgang nicht auf äußere Faktoren zurückzuführen ist, verglich das Forschungsteam die Daten der sich trennenden Paare mit Kontrollgruppen, die in ähnlich langen Beziehungen lebten, aber zusammenblieben.
Das Ergebnis war eindeutig: In der präterminalen Phase unterschieden sich beide Gruppen kaum. Erst in der terminalen Phase gingen die Zufriedenheitswerte auseinander. Mit anderen Worten: Der Punkt, an dem eine Beziehung kippt, lässt sich messen – allerdings oft erst, wenn es schon zu spät ist.
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Therapie beginnt meist zu spät
Janina Bühler ist nicht nur Forscherin, sondern auch Paartherapeutin. Sie kennt diese Phasen nicht nur aus den Daten, sondern auch aus der Praxis. „Die meisten Paare kommen erst zur Therapie, wenn sie schon mitten in der terminalen Phase stecken – oder sogar am Ende davon“, sagt sie. „Dann ist es oft schwierig, die Dynamik noch zu verändern.“
Gerade deshalb sieht Bühler in den neuen Erkenntnissen ihrer Studie eine Chance – nicht nur für die Forschung, sondern auch für die Praxis. Denn die Daten legen nahe: Paartherapie sollte viel früher ansetzen. Nicht erst, wenn kaum noch gesprochen wird, sondern dort, wo das Schweigen beginnt. Bühler plädiert dafür, Paarberatung neu zu denken: als niederschwelliges Angebot, als präventive Maßnahme – nicht als letzte Rettung. „Man sollte nicht erst dann Hilfe suchen, wenn die Trennung nicht mehr zu vermeiden ist.“
Dass viele Beziehungen in die Brüche gehen, zeigen auch Zahlen: Laut dem Statistischem Bundesamt wurden im Jahr 2023 in Deutschland rund 129.000 Ehen geschieden – ein Rückgang von 6,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das klingt nach einem positiven Trend. Doch diese Zahl zeigt nur einen Ausschnitt: das formale Ende einer Ehe.
Nicht erfasst sind die vielen Trennungen in nichtehelichen Lebensgemeinschaften, die heute einen großen Teil der Beziehungsrealität ausmachen, vor allem bei jüngeren Menschen. Noch weniger sagen die Zahlen etwas über das aus, was vorher passiert: die inneren Monate und Jahre, in denen sich auflöst, was einmal Liebe war.