Kultur

George Clooney: George Clooney macht ernst | ABC-Z

Am Ende ist die Gegenwart doch unvermeidlich. Knapp anderthalb Stunden sind in New Yorks Winter Garden Theatre während der Inszenierung von Good Night, and Good Luck vergangen, in denen bessere, vielleicht auch bloß heroischer ausschauende Zeiten des amerikanischen Journalismus beschworen werden, die Fünfzigerjahre. Erzählt wird, wie der US-Fernsehjournalist Edward R. Murrow im Jahr 1954 in einer Ausgabe seiner CBS-Sendung See It Now dem Kommunistenjäger Joseph McCarthy und dessen Methoden der Hetze und Falschbezichtigung entgegentrat. Der Fall des Senators aus Wisconsin, das wäre historisch präziser, war damals längst im Gang. Doch die bessere Geschichte ist es allemal, den Sturz McCarthys als das Ergebnis eines Bildschirmduells zweier maximal ungleicher Männer zu schildern: ein aufrechter Journalist gegen einen finsteren Politiker, dessen Vermächtnis es war, dass sein Nachname auf alle Zeiten mit der staatlichen Verfolgung Andersdenkender verbunden würde: der McCarthyismus.

Im Theater am Broadway wird nun im Jahr 2025 von der Bühnendecke eine riesige Videoleinwand herabgesenkt, und auf der flimmert die Zeit in rasender Geschwindigkeit vorüber, sie verlässt die auf der Bühne erzählte in Richtung Gegenwart, in einer Montage kaum erträglicher Fernsehbilder: die Ermordung John F. Kennedys im Jahr 1963, eines der beiden Flugzeuge, wie es am 11. September 2001 von den Entführern in einen der Zwillingstürme des World Trade Center gelenkt wurde, und als Letztes sieht man eine nur wenige Wochen alte Aufnahme: Elon Musk zeigt den Hitlergruß, vor Anhängern des alten, neuen US-Präsidenten Donald Trump.

Dieses schockierende Bild wird im Winter Garden Theatre dadurch noch brisanter, dass in der Projektion davor die Silhouette eines Mannes zu erkennen ist, der ähnlich berühmt ist wie Musk, nur als dessen denkbar größter Gegenpart. Seine physische Präsenz selbst hat etwas Schockierendes. Es gibt ihn also wirklich: Da steht George Clooney, Schauspieler, Drehbuchautor, Regisseur, Filmproduzent, linker Aktivist und nun sogar so etwas wie ein Dramatiker. Die Sequenz der Fernsehbilder wirkt hier wie eine Rückversicherung ans Theaterpublikum: Was ihr auf der Bühne gesehen habt, war kein Geschichtsexkurs, sondern es ist auf die Gegenwart gemünzt, mögen die historischen Analogien noch so vage sein. Der Hitlergruß als gestischer Rückgriff auf das ultimativ Böse bringt alle Zeitdimensionen zum Einsturz. Nichts ist demnach wirklich je vergangen, und die amerikanische Jetztzeit ist offenbar zu bedrohlich, als dass man sie unkommentiert stehen lassen könnte.

Vor zwanzig Jahren hat Clooney auf einen solchen direkten Gegenwartsbezug noch verzichtet. Da kam sein Film Good Night, and Good Luck in die Kinos, Clooney hatte das Drehbuch mit seinem Schreibpartner Grant Heslov verfasst, hatte die Regie übernommen und eine Nebenrolle. Heslov und Clooney haben das Filmskript nun fürs Theater adaptiert, Regie führt diesmal der erfahrene Broadwaymann David Cromer. Dafür spielt Clooney die Hauptrolle, jenen Edward R. Murrow, den im Film noch David Strathairn brillant gegeben hat – als standhaften wie lakonischen, melancholisch dreinblickenden Kettenraucher.

Clooney habe vor zwanzig Jahren bei den ersten Proben zur Verfilmung des Stoffes erkannt, dass ihm die Gravitas für die Verkörperung Murrows gefehlt habe, wurde Heslov vor ein paar Wochen in der New York Times zitiert. Nun fühlt sich Clooney mit 63 offenbar alt genug. Nur die weltberühmten grauen Haare mussten weggefärbt werden.

Doch die eigentliche Veränderung ist die Verschiebung der Außenwirkung Clooneys. Mag er als Schauspieler auch bloß eine weitere Rolle übernommen haben, so lässt sich die Wahl des Stoffs und der Darbietungsform doch als ein weiterer Beleg für eine Ernstwerdung verstehen. Lange Jahre hat Clooney den ruhmbedingten Teil der eigenen Existenz stets zugleich anerkannt und ironisch kommentiert, mit Lächeln und Schulterzucken, mit Unterspielen. Das machte seine berückende Schönheit und seine eindeutige politische Parteinahme als Linker überhaupt erst erträglich für ein größeres, auch andersdenkendes Publikum. Clooney rettete sich immer in die Uneigentlichkeit. Doch dann hat er im Juli vergangenen Jahres seine politische Nebentätigkeit als Parteispendensammler für die Demokraten genutzt, um per Meinungsbeitrag in der New York Times Joe Biden den Verzicht auf eine weitere Präsidentschaftskandidatur nahezulegen. Dass Biden elf Tage nach Erscheinen des Textes dann auch tatsächlich aufgab, war keine unmittelbare Folge von Clooneys öffentlicher Intervention. Relativieren ließ die sich aber mit keinem Lächeln und Schulterzucken. George Clooney war damit endgültig in der Eigentlichkeit angekommen.

Und nun steigt er von der Leinwand herab, steht bis Juni leibhaftig auf einer Bühne in New York City und erinnert in exakt 99 Vorstellungen von Good Night, and Good Luck ohne jegliche ironische Brechung an ein Amerika, in dem der Fernsehjournalismus seine Kontrollfunktion noch ernst nahm und einen Mächtigen für dessen Fehlverhalten zur Rechenschaft ziehen konnte. Jedenfalls in seiner künstlerischen Nacherzählung.

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