Bezirke

Oktoberfest München: Angeklagter sagt: Freund war der Wiesn-Grapscher – München | ABC-Z

Drei Freunde besuchen das Oktoberfest, ziehen von Zelt zu Zelt, sind fröhlich und bechern auch nicht zu knapp – bis am späten Abend die Polizei vor ihrem Wiesntisch steht und einen von ihnen mitnimmt. Jener Stefan W. soll einer Studentin zweimal an den Po gefasst haben, wofür ihn das Amtsgericht München wegen sexueller Belästigung zu einer Geldstrafe von 6400 Euro verurteilte. Dagegen gingen sowohl der 50-Jährige als auch die Staatsanwaltschaft in Berufung, weshalb der Fall nun in zweiter Instanz vor dem Landgericht München I verhandelt wird. Und dort präsentierte Stefan W. zur Überraschung aller eine ganz neue Geschichte: Nicht er, sondern einer seiner Freunde sei der Po-Grabscher gewesen, sagte der Angeklagte. Infolge dieser neuen Wendung setzte das Gericht die Verhandlung aus, um sein Handy auszuwerten.

Im ersten Prozess vor dem Amtsgericht habe er sich „wie im falschen Film gefühlt“, sagte der Mann aus dem Raum München zu Beginn der Verhandlung. „Ich wusste nicht, wie mir geschieht.“ Damals hatte die 22-jährige Luisa T. (Name geändert) geschildert, wie sie an jenem Oktobertag 2023 mit ihrem Freund und zwei Bekannten im Augustiner-Zelt war, wo sich gegen Abend drei fremde Herren zu ihnen setzten. Auf dem Rückweg von der Toilette sei sie im Gang vor ihrem Wiesntisch von einem der Männer zweimal am Po betatscht worden, berichtete die 22-Jährige. Und kurz darauf habe sich Stefan W. zu ihr gebeugt und so etwas wie „ja, sorry“ gerufen.

Wenig später verließ die junge Frau das Zelt – völlig aufgelöst, wie sie sagte. „Ich hab nur noch geweint und wollte nach Hause.“ Mit ihrem Freund ging sie zum „Safe Space“, einer Anlaufstelle auf dem Oktoberfest, wo Mädchen und Frauen in Notlagen geholfen wird. Luisa T. erstattete Anzeige, woraufhin die Polizei Stefan W. aus dem Zelt holte und auf die Wiesn-Wache mitnahm. Sowohl dort als auch später vor dem Amtsgericht beteuerte der 50-Jährige seine Unschuld. Doch der Richter schenkte ihm keinen Glauben, sondern verurteilte den mittlerweile arbeitslosen Grafiker zu einer Strafe von 80 Tagessätzen à 80 Euro.

Diese erschien der Staatsanwaltschaft als deutlich zu milde, weshalb sie in Berufung ging – ebenso wie Stefan W. Er habe im Nachgang des Prozesses mehrere „Ungereimtheiten“ in den Aussagen der Studentin entdeckt, sagte er nun in der Verhandlung vor dem Landgericht. Vor allem aber erzählte er eine komplett neue Version der Geschehnisse im Augustiner-Zelt.

So habe einer seiner Freunde, der „ziemlich betrunken war“, der Studentin an den Po gefasst. Stellvertretend für ihn habe er sich danach „vorsorglich schon mal entschuldigt“. Das alles, sagte der 50-Jährige, „ist mir erst wieder eingefallen, als ich die Frau im Gericht gesehen habe“. Nach der Verhandlung habe ihm sein Freund angeboten, die Hälfte der Strafe zu übernehmen, was Stefan W. als „Schuldeingeständnis“ wertet. Um seine Aussage zu untermauern, zückte er im Gerichtssaal sein Handy und präsentierte einen längeren Chatverlauf der beiden. Darin geht es unter anderem um das Angebot der Kostenteilung; zugleich schreibt der Freund aber auch: „Ich habe ganz sicher nie jemanden an den Hintern gefasst, das mache ich nie.“

Die Schilderung des Mannes, der eigenen Angaben zufolge inzwischen mit seinem Freund gebrochen hat, riefen bei den Prozessbeteiligten – vorsichtig gesagt – Erstaunen hervor. „Das ist schon ein starkes Stück, dass der Angeklagte damit in der Berufungsverhandlung kommt“, sagte Staatsanwalt Tobias Fleißner. Und Nebenklage-Anwältin Antje Brandes, die Luisa T. vertritt, ergänzte: „Vor allem, weil davor etwas ganz anderes ausgesagt wurde.“ Der Staatsanwalt beantragte schließlich die Aussetzung der Verhandlung, um das Handy des 50-Jährigen polizeilich auswerten zu lassen. Dem stimmte Stefan W. zu, worauf der Richter eine Pausierung des Prozesses verkündete. „Wahrscheinlich nicht vor August“ werde die Verhandlung fortgesetzt.

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"