„Merz sollte mit den Linken reden“ | ABC-Z

Berlin. Ex-Verteidigungsminister zu Guttenberg findet bei „Maischberger“ Gemeinsamkeiten mit Gregor Gysi. Zwischendurch geht es unter die Gürtellinie.
Aus Saudi-Arabien kamen von den USA und der Ukraine die Signale, dass eine Einigung auf eine Waffenruhe mit Russland möglich sei – aber noch hat Moskau nicht reagiert. Gleichzeitig ringt Friedrich Merz (CDU) in Berlin darum, seine avisierte Koalition mit der SPD an den Start zu bringen und noch im alten Bundestag eine Mehrheit für die geplanten Schuldenpakete für Verteidigung und Infrastruktur zu finden.
Die beiden heiße Themen im ARD-Talk von Sandra Maischberger am Dienstagabend bargen Überraschungen und die brachte der Linken-Politiker Gregor Gysi zunächst mit dem Bekenntnis, dass man dringend eine „verteidigungsfähige Bundeswehr und eine europäische Sicherheitsarchitektur“ brauche.
Karl-Theodor zu Guttenberg: „Da fand faktisch eine Erpressung statt“
Fast einig war sich Gysi mit seinem Duzfreund und Podcast-Partner, dem Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, auch in der Analyse der Konferenz von Saudi-Arabien: Die Ukraine sei von Trump „unter Druck“ gesetzt worden, mit dem Stopp der Waffenlieferungen und dem Aussetzen der Geheimdienstinformationen, meinte Gysi. Im Übrigen sei das jetzt ein „wesentlich schlechteres Ergebnis“ als das, was unter einer europäischen Friedensinitiative zu erwarten gewesen wäre, für die die Linke sich ja „den Mund fusselig geredet“ habe, sie sei aber nicht gehört worden.
In Zukunft werde die Ukraine aber Sicherheitsgarantien brauchen, sagte Gysi, „sonst hat der Frieden keinen Wert“. Von zu Guttenberg war von dem Linken da gar nicht so weit entfernt, sprach das Manko der Vereinbarung von Riad aber deutlicher aus: „Da fand faktisch eine Erpressung statt, wir müssen abwarten, wie die Russen reagieren. Das steht auf wackligen Füssen.“ Man sei nun in einer Situation, wo eine Aggression eine Legitimation erfahre und die Ukraine es wohl hinnehmen müsse, dass Teile ihres Staatsgebietes russisch werden.
Auch interessant
Auch innenpolitisch schienen die Distanzen zwischen dem Unionspolitiker und dem Linken – der anfangs mit seinem Erfolg durch die Aktion „Silberlocke“ etwas kokettierte – nicht allzu groß. „Wir müssen die Bundeswehr wieder in die Lage versetzen, unser Land zu verteidigen“, sagte Gysi. Frankreich habe 2023 den Betrag von 62 Milliarden Euro für seine Armee ausgegeben, Deutschland aber 66 Milliarden Euro, und da stelle sich die Frage, ob die Menge des Geldes wirklich „alles“ sei. Frankreich habe eine funktionierende Landesverteidigung, Deutschland aber nicht und im übrigen sei unsere Infrastruktur so marode, „dass unsere Brücken kaum noch einen Trabant tragen können“.
Marode Bundeswehr? Zu Guttenberg übernimmt Verantwortung
Eine mangelhafte Bundeswehr? Ob dies nicht auch Schuld des damaligen Verteidigungsministers zu Guttenberg gewesen sei, fragte Maischberger. Der antwortet mit einem „Ja“, da liege die Verantwortung bei denjenigen, die in den letzten 20 Jahren die Regierung gestellt hätten.
Gysi wendete ein, dass die Union auch mit den Linken über das Sondervermögen reden könnte, denn man sei ja auch fürs Schuldenmachen für Investitionen aber nicht für Konsum. Allerdings dürfe eine Abstimmung im Bundestag jetzt nicht „überstürzt“ stattfinden. Sandra Maischberger stellte daraufhin eine interessante Zwischenfrage: Ob sich Merz nicht von Gysi überzeugen lassen könnte, fragte sie und zu Guttenberg antwortete: „Ja, sie sollten miteinander reden, das ist wichtig.“ Auch die Linke habe eine Oppositionsverantwortung.
Wissing spricht über den Bruch der Ampel-Koalition
Noch in der Regierungsverantwortung steht Volker Wissing (parteilos), der Verkehrs- und Justizminister im Kabinett von Olaf Scholz. Wissing war aus der FDP ausgetreten, weil er den von den Liberalen mit „nicht einigungsfähigen“ Forderungen avisierten Bruch der Ampel-Regierung nicht mitmachen wollte. Die Schuldenbremse habe nie die Handlungsfähigkeit des Staates infrage stellen wollen, deshalb erlaube sie Ausnahmen, so Wissing, und „bietet immer eine Lösung“ an.
Sein Parteichef Lindner aber sei für eine „enge Auslegung der Schuldenbremse“ gewesen, ihn selbst habe das nicht überzeugt, so Wissing. Wenn rundum in Europa kräftig investiert werde, „schwächen wir unser Land, wenn wir die Sparweltmeister sind“. Den Bruch der Ampel-Regierung habe er für „falsch“ gehalten, die Demokratie sei dadurch „ärmer“ geworden, es sei Aufgabe von Politikern, Brücken zu bauen und die Gesellschaft zusammenzuhalten.
Dreimal geht es unter die Gürtellinie
Begleitet war die Sendung von einigen Verbalinjurien, mit denen in der Journalistenrunde der Autor und Schauspieler Oliver Kalkofe begann, der den von Horst Seehofer thematisierten „Wahlbetrug“ von Friedrich Merz in Sachen Schuldenbremse erneut thematisierte. Merz stehe jetzt mit „heruntergelassenen Hosen da“, man sehe seine stachligen Männerbeine und „die Flecken auf der Unterhose“, was Maischberger mit der Bemerkung rüffelte, „das war jetzt einer zu viel“.

Später bezichtigte zu Guttenberg den US-Präsidenten Trump, dass der mit der Behauptung fehlender Bündnissolidarität des Nato-Mitglieds Frankreich einen „Schafscheiß“ erzählt habe, eine Wortwahl, die bei Maischberger erneut Stirnrunzeln provozierte, wobei sie sich später von der Sprachverrohung anstecken ließ. Als auch zu Guttenberg indirekt dem Wahlbetrug-Vorwurf Seehofers zustimmte und meinte, so was sei doch bei jeder Wahl der Fall, dass Versprechen nicht haltbar seien, rief Maischberger erstaunt aus: „Das ist doch Scheiße!“
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
Hinter den Kulissen der Politik – meinungsstark, exklusiv, relevant.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der
Werbevereinbarung
zu.
Zu Guttenberg attestierte Merz immerhin, dass er seine Einstellung zur Schuldenbremse erst nach der „dramatischen Szene“ im Oval Office getroffen habe, der Demütigung von Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj durch Trump. Das transatlantische Verhältnis, so zu Guttenberg, „gibt es so nicht mehr.“