Koalitionstalk bei Lanz: Lauterbach: Keine Sozialleistungen aus Sondervermögen | ABC-Z

Am Donnerstag soll der Bundestag in erster Lesung über die beiden Schuldenpakete von Schwarz-rot diskutieren. Zudem beginnen auch die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD. Die Gäste bei Markus Lanz streiten so heftig darüber, dass einer von ihnen kurz verzweifelt ist.
Zwei Ereignisse haben in den letzten Tagen die Berichterstattung in den Medien geprägt: Der Abschluss der schwarz-roten Sondierungsgespräche und das Nein der Grünen zu den beiden Finanzpaketen, mit denen Union und SPD Deutschland sicherer machen und die Wirtschaft stärken wollen. Am Abend hat Markus Lanz zwei Politiker eingeladen, die mehr darüber sagen können. Noch-Gesundheitsminister Karl Lauterbach von der SPD hat an den Sondierungsgesprächen teilgenommen, Ex-Politiker Jürgen Trittin ist ein Alt-Grüner und kann zumindest erklären, was in seiner Partei gerade vorgeht.
„Wolfgang Schäuble würde sich im Grab umdrehen.“ So kommentierte Grünen-Co-Chefin Franziska Brantner die Ergebnisse der Sondierungsgespräche von Union und SPD. „Das kann man nur so unterschreiben“, stimmt ihr Jürgen Trittin zu. Deutschland brauche zusätzliche Investitionen in den Bereichen Sicherheit, Infrastruktur und Klimaschutz. Schwarz-rot habe sich nun aber einen Schattenhaushalt geschaffen, in dem man die Versprechungen des Koalitionsvertrages je nach Bedürftigkeit der Koalitionspartner verteilen könne. „Das geht halt nur, wenn man darauf rechnet, dass diesem Entwurf die Grünen zustimmen.“ Selbst nach der Wahl hatte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann bei Lanz erklärt, die Union werde alles dafür tun, dass die Schuldenbremse nicht angetastet wird. Nun soll sie reformiert werden.
Von einem Wortbruch mit Ansage spricht Trittin. „Die Union wusste, dass sie die hundert Milliarden Euro Steuergeschenke, die sie im Wahlprogramm stehen hatte, nicht finanzieren kann. Sie hat dann das gemacht, was viele Kanzler vorher auch gemacht haben, nämlich im Zweifelsfall pragmatisch gehandelt. Der Kern der CDU ist nicht eine konservative Grundüberzeugung, Sie können das auch Ideologie nennen, sondern der Umstand, dass sie den Kanzler stellen muss. Das hat Friedrich Merz in der Wahlnacht begriffen, und er hat sich entsprechend verhalten.“ Das Wahlprogramm der CDU sei mit dem geplanten Bundeshaushalt nicht zu vereinbaren gewesen. Die Union habe einen Koalitionspartner gebraucht. Der einzig mögliche sei die SPD gewesen. Mit der habe man sich dann auf Punkte wie die Pendlerpauschale einigen müssen.
Lauterbach verteidigt die Union
Gesundheitsminister Lauterbach will nicht von einem Wortbruch sprechen, wenn es um die Schuldenbremse geht. Die Lage habe sich verändert, sagt der SPD-Politiker. Die Vereinigten Staaten würden Europa nicht mehr unterstützen. „Wir müssen im Verteidigungshaushalt massiv zusätzlich investieren. Hier geht es um hunderte Milliarden Euro. Und dass die nicht aus dem Haushalt mobilisiert werden können, damit hat Friedrich Merz recht.“ Die zusätzlichen 500 Milliarden Euro für die Investitionen in die Infrastruktur habe die SPD gefordert. „Das sind Summen, für die wir angetreten sind. Nicht mit dem Betrag, aber die Größenordnung war eigentlich immer die, die wir auch im Kopf gehabt haben.“
Trittin weist darauf hin, dass schon seit mindestens fünf Jahren klar gewesen sei, dass es einen Investitionsbedarf im Infrastrukturbereich gebe. Spätestens mit der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten sei auch klar gewesen, dass Deutschland und Europa sich unabhängiger von den Vereinigten Staaten machen müssten. „Darauf haben Sozialdemokraten und Grüne im Wahlkampf hingewiesen, und das ist von der Union immer bestritten worden“, betont Trittin.
Trotzdem bleibt Lauterbach dabei: Er wolle nicht von einem Wortbruch des wahrscheinlich zukünftigen Kanzlers reden. „Die Schuldenbremse wird nicht abgeschafft“, erklärt er. „Wir haben ein Sondervermögen, das die Schuldenbremse zulässt.“ Lanz wirft Lauterbach Wortklauberei vor.
Investitionen oder zusätzliche Investitionen?
Dann mischt sich auch Eva Quadbeck ein. Die Chefredakteurin des Redaktionsnetzwerks Deutschland kann verstehen, dass Deutschland mehr Geld für Verteidigung braucht. Ihrer Ansicht nach funktioniert jedoch das Investitionspaket für Wirtschaft nicht. „Was in dem Sondierungspapier steht: 500 Milliarden zusätzlich aufnehmen, dann Mütterrente, Pendlerpauschale, Agrardiesel, all diese Dinge – wir haben das Institut der deutschen Wirtschaft mal gebeten, das für uns zusammenzurechnen, und die kommen auf 50 bis 80 Milliarden Euro jährlich. Und wenn die 500 Milliarden Euro auf zehn Jahre angelegt werden sollen, dann ist das Ganze verfrühstückt. Und dann haben wir noch nichts digitalisiert, dann haben wir noch keinen Industriestandort gesichert, und dann haben wir noch keinen Euro investiert.“ Lauterbach traut der Rechnung der Wissenschaftler nicht. Er rechnet für Mütterrente und Co. mit einem Betrag von 10 bis 12 Milliarden Euro pro Jahr. Dann bliebe immer noch genug Geld übrig für die restlichen geplanten Investitionen.
Noch mehr Geld bliebe jedoch, wenn die Ausgaben für Sozialleistungen erst gar nicht aus dem Fonds für Infrastruktur bezahlt würden. „Das ist in diesem Papier so nicht festgeschrieben. Und das ist der Grund, weswegen wir sagen: Dieser Investitionsfonds dient dazu, Investitionen, die bisher im regulären Haushalt waren, da reinzuschieben.“ Das müsse in den laufenden Verhandlungen mit den Grünen ausgeräumt werden, fordert Trittin. „Es muss klargestellt werden: Es geht hier um zusätzliche Investitionen. Denn nur, wenn wir zusätzliche Investitionen haben, generieren wir auch zusätzliches Wachstum, das wir brauchen.“
„Wir werden das Geld zusätzlich ausgeben“, verspricht Lauterbach. „Dass das im Sondierungspapier nicht als Wort drinsteht, das werden wir klarstellen.“ Und dann fügt er hinzu: „Wir wollen die Mittel zusätzlich ausgeben. Das ist hier angekündigt.“ Gleichzeitig verspricht Lauterbach auch Steuersenkungen für mittlere Einkommen oder die Gastronomie, um nur zwei Punkte zu nennen. Die sollen mit dem Wirtschaftswachstum finanziert werden, das Deutschland durch das Konjunkturpaket erreichen werde. „Das ist Originalton Merz“, so Trittin. „Aber wir haben das auch gesagt“, antwortet Lauterbach, der inzwischen ein wenig verzweifelt wirkt, weil er die Pläne der zukünftigen Regierung so sehr verteidigen muss.
Die Milliardenpläne
Die Pläne sollen am Donnerstag in erster Lesung im Bundestag debattiert werden. Am Dienstag darauf sollen die Pakete beschlossen werden. Dazu brauchen Union und SPD eine Zweidrittel-Mehrheit, die sie nur mit den Grünen bekommen können. „Dann muss man, bevor man einen solchen Vorschlag präsentiert, mit uns darüber reden, wie ein solcher Vorschlag aussehen könnte, und das hat nicht stattgefunden“, kritisiert der Grünen-Politiker Trittin. „Es ist in der vergangenen Woche signalisiert worden: Wenn ihr auf diesem Vorschlag besteht, dann werden wir nicht zustimmen. Das ist schlicht und ergreifend nicht ernst genommen worden.“ Nun werde über mögliche Lösungen gesprochen. Das sei erst einmal sinnvoll, so Trittin.
Am Donnerstag sollen auch die schwarz-roten Koalitionsverhandlungen beginnen. Dabei sollte vorab klar sein, welcher Politiker welches Ministeramt bekommt, rät Trittin. „Wenn das schon entschieden ist, dann besteht eine Chance, dass Merz vor Ostern von der SPD und der Union zum Kanzler gewählt wird. Wenn es nicht ist, dann kann es mit den 256 Verhandlern noch Chaos geben“, befürchtet er. „Die Erfahrung aus Koalitionsverhandlungen zeige: Die Frage für die Zuständigkeiten muss zwischen den Kernverhandlern geklärt sein. Das erleichtert manche Einigung in der Sache.“