Die Serie „Hacks“ über zwei Komikerinnen bei ZDFneo | ABC-Z

Als sich Deborah Vance und Ava Daniels kennenlernen, ist es Hass auf den ersten Blick. Die abgehalfterte Comedienne aus Las Vegas wird von ihrem Agenten dazu verdonnert, mit der jungen Gagschreiberin aus Hollywood zusammenzuarbeiten, die anderweitig gerade nicht mehr vermittelbar ist, nachdem sie in den sozialen Medien einen unanständigen Witz über einen konservativen Politiker und dessen schwulen Sohn gemacht hat. Die erzwungene Zusammenarbeit empfinden beide Frauen als unter ihrer Würde und begegnen sich fortan wie Feuer und Wasser. Viel Humorpotential zieht die Comedyserie über das Comedygewerbe aus dem Jahr 2021 aus dem Generationenkonflikt: In „Hacks“ trifft die Boomer-Generation auf die Zoomer-Generation.
Hannah Einbinder verkörpert die bisexuelle Drehbuchautorin Ava als burschikose Newcomerin, die Carhartt-Jacke und Doc Martens trägt und davon überzeugt ist, dass Pointen Überbleibsel einer traditionell „männlichen“ Witzkultur sind. Jean Smarts Deborah ist dagegen eine kampferprobte Veteranin der Stand-up-Comedyszene mit blonder Hochsteckfrisur und wehendem Kaftan, die hundertmal im Jahr und mit den immergleichen Witzen über Männer und Sex im Palmetto Casino auf der Bühne steht. Nebenbei verkauft sie im Shopping-TV Ramsch und eröffnet im Beisein ihrer mit ihr gealterten Fans Einkaufszentren.
Humor bis unter die Gürtellinie
Deborahs Stern sinkt, als der Besitzer des Palmetto ihre Show zugunsten eines Realityshow-Gewinners absetzen will, den er für den nächsten Kassenschlager hält. So sind die aneinander geketteten Frauen in ihrer drohenden Isolation bald aufeinander angewiesen, sowohl beruflich – Deborah braucht Ava, um relevant zu bleiben, Ava braucht Deborah, um ihren Namen zu retten – als auch persönlich. Denn zwischen beiden entwickelt sich eine Art Mutter-Tochter-Beziehung. Gerade Deborah hat auf diesem Feld einiges nachzuholen, da sie ihre eigene Tochter DJ (Kaitlin Olson) durch Vernachlässigung ziemlich beschädigt hat. Die Serie „Hacks“ basiert in den bisher drei Staffeln auf der Idee, dass die Komödie, wie das Leben, im Fluss ist. So konkurrieren hier nicht nur das Showbusiness alter Schule im Las-Vegas-Stil mit der jungen, progressiven Comedy, sondern auch die Lebensentwürfe zweier Frauen verschiedener Generationen.
Witze bis unter die Gürtellinie werden generiert aus Deborahs Ekel vor Avas woken Nettigkeiten, während Ava Deborahs schroffe Boomerhaftigkeit unerträglich findet. Die Symmetrien der Frauen sind dabei unübersehbar. Beide haben ein angespanntes Verhältnis zu ihren Familien, gescheiterte Liebesbeziehungen hinter sich und eine starke Neigung zu Vorurteilen und Grausamkeit. Während Ava den bissigen Einzeiler favorisiert, glaubt Deborah an den Witz aus dem kollektiven Unterbewusstsein. Dass sie auf die Gunst der Massen spekuliert, verachtet Ava: „Du willst mir also sagen, dass etwas nicht lustig ist, wenn viele Leute es lustig finden?“, keilt Deborah zurück.
Erst als Ava in Deborahs Archiv stöbert und die Pilotfolge einer Talkshow mit ihr findet, die nie ausgestrahlt wurde, erkennt die junge Frau, dass auch Deborah einmal eine feministische Vorreiterin in der sexistischen Comedyszene der Siebziger- und Achtzigerjahre war. Als sie Deborah deshalb drängt, ihre altbackenen Witze aufzugeben und sich stattdessen als Schmerzensfrau vor ihrem Publikum zu entblößen, geht das gründlich schief. Doch wie hier eine Frau auf der Bühne steht, um gerade nicht erkannt zu werden, gehört zu den großen schauspielerischen Momenten von „Hacks“, für die Jean Smart gleich mit mehreren Emmys und Golden Globes ausgezeichnet wurde.
„Hacks“ handelt von Geschlechterpolitik und Geschmacksfragen, im Zentrum aber stehen das Showbusiness und seine geschriebenen und ungeschriebenen Gesetze. „Gut ist das absolute Minimum“, sagt Deborah einmal, und das gelte auch, wenn man großartig sei und Glück habe, man müsse immer noch mehr arbeiten – „und selbst das ist nicht genug“. Bei aller Komik, die „Hacks“ entfacht, geht es am Ende immer um die Angst, die Angst auf einer Bühne zu stehen und die Angst einer Frau, die alleine ist und verloren hat, selbst wenn sie gewonnen hat.
Über den Preis, den Deborah für das Leben gezahlt hat, das sie führen wollte, wächst sich die Serie zuletzt zu einer komplexen Charakterstudie aus. Denn die Frau mit den schnellen Gags ist nicht nur eine kratzbürstige Kämpfernatur mit unerschöpflicher Arbeitsmoral und Liebe zum Handwerk. Sie ist auch eiskalt und schockierend egoistisch. Es ist Jean Smarts nuancierter Darstellung zu verdanken, dass sie in Deborahs Narzissmus immer auch die Zerbrechlichkeit durchscheinen lässt. Ist das nicht erschreckend? Diese Frau ist Mitte siebzig und hat alle Höhen und Tiefen erlebt. Und doch ist sie immer noch verzweifelt und von der Hoffnung beseelt, dass die Bewunderung des Publikums eines Tages die Leere in ihrem Innern füllen wird. Das ist eher traurig als komisch – was jede gute Komödie ausmacht.
Hacks startet beute um 22.30 Uhr bei ZDFneo.