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KI und Kunst von Sougwen Chung in der Münchner Muffathalle – München | ABC-Z

Längst schafft Künstliche Intelligenz (KI), was man in früheren Zeiten ausschließlich dem Menschen, dieser „Krone der Schöpfung“, zutraute: Nicht nur etwas zu reproduzieren, sondern Neues zu schaffen. Oder doch nicht? Wenn Chat-GPT ganze Bücher schreibt und mithilfe von KI Kunstwerke entstehen, dies aber nur dank der Abermillionen, auf menschliches Wissen und Erfahrung basierenden Daten, mit denen sie gefüttert wurde – hat sie dann Neues erschaffen? Oder doch nur eine der Millionen möglichen Varianten produziert, die dank der – ebenfalls von Menschen – programmierten Algorithmen machbar sind? Ein Thema, das noch lange nicht ausdiskutiert ist.

Über die Verbindung und die Möglichkeiten von Kunst und KI hatte der Künstlerverbund im Haus der Kunst anlässlich der Ausstellung „Götzendämmerung“ vor vier Jahren trefflich reflektiert und eine ganze Bandbreite von Künstlerinnen und Künstlern eingeladen, die in ihren Arbeiten KI verwenden. Damals war unter anderem eine Künstlerin in München zu Gast, die seit Jahren sehr eng an der Schnittstelle von Kunst und KI arbeitet: Sougwen Chung. Nun wird Chung mit einer Einzelausstellung in der Muffathalle zu sehen sein (von 30. August an).

Sougwen Chung malt mit Robotern und trainiert dabei die von ihr entwickelte KI. (Foto: Scilicet LLC / Sougwen Chung)

Chung, die sich als non-binäre Person versteht, wurde in Kanada geboren, ist in China aufgewachsen und lebt in London. Seit Jahren beschäftigt sie sich mit KI sowohl als Künstler als auch als Forscherin (am Media Lab des Massachusetts Institute of Technology). Sie hält Vorträge und publiziert Artikel zu KI. Das Time Magazine zählt Chung seit Kurzem zu den 100 einflussreichsten Personen im Bereich von Kunst und KI. Ihr Name wird in einem Zug mit weltweit bekannten KI-Künstlern wie Refik Anadol genannt. Ihn kennt man in München vor allem durch seine großformatige KI-generierte Daten-Skulptur, mit der er vor zwei Jahren im Vorbereich der Pinakothek der Moderne für Furore sorgte.

Doch während Anadol ausschließlich am Computer arbeitet, malt Sougwen Chung auch selbst. Ihre zeichnerischen Gesten trainiert sie der KI an. Sie misst ihre Gehirnströme und überträgt sie auf die KI, die ihre Werke weiterentwickelt. Und sie experimentiert weiter an der Schnittstelle der Bewegung menschlicher Hand und der Umsetzung durch Roboterarme, die durch KI gesteuert werden.

In die Muffathalle kommt Chung mit mehreren Arbeiten, von denen man sich einen guten Einblick in ihr Schaffen versprechen kann: „Genesis: Stage I“ ist ein Performance-Film. Er wird begleitet von einer 3D-gedruckten Skulptur, die ihre digitalen Zeichnungen im dreidimensionalen Raum zeigen. „Spectral“ ist Chungs neueste kinetische Installation, bestehend aus dem Robotersystem D.O.U.G._4, das mit den Gehirnströmen der Künstlerin verbunden ist und deren Bewegungen auf einer Leinwand wiedergibt. Ihre neue Serie digitaler Zeichnungen nennt sich „Body Machine“ und legt den Körper als (re)generatives System zugrunde. Die Arbeit basiert auf dem ständig wachsenden räumlichen Datensatz D.O.U.G._6. Dabei steht D.O.U.G. für das von ihr entwickelte Robotersystem „Drawing Operations Unit Generation“.

Das klingt alles furchtbar technisch. Doch wer Sougwen Chungs Arbeitsweise sieht, wer sie inmitten biomorpher Roboterarme sitzen und zeichnen sieht, empfindet das alles viel mehr menschlich als technisch – oder als künstlich intelligent. Oder wie Chung sagt: „Wenn wir anfangen zu sehen, dass die Systeme, die wir aufbauen, eigentlich wir selbst in einer anderen Form sind, in einem anderen Modus der Zeitlichkeit, dann bewegen wir uns in Richtung einer Vielzahl von Intelligenzen und Ansätzen zur Intelligenz.“

Sougwen Chung: Genesis, Muffathalle, Zellstr. 4, Eröffnung: Freitag, 30. August, 19 Uhr; danach Samstag 14–23 Uhr, Sonntag 11–20 Uhr, Montag bis Donnerstag, 19–23 Uhr, bis 5. September

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