Bäckerei-Monitor: Wie kleine Bäckereien überleben können | ABC-Z

Fast ein Drittel der Betriebe im Bäckereihandwerk hat in den vergangenen zehn Jahren geschlossen. Aber es gibt auch Beispiele für Erfolge – mit innovativen Ideen, auch zur Arbeitszeit.
225 Jahre hat die Familie Mutz die Bäckerei in Herbholzheim nördlich von Freiburg geführt und dabei alle Krisen gemeistert. Am Samstag endet die Ära. Bäckermeister Martin Mutz muss aufgeben. Nachdem zwei erfahrene Mitarbeiter die Firma verlassen haben, findet er keine Mitarbeitenden mehr, die sich den harten Arbeitsalltag antun wollen.
Noch hat Martin Mutz gar keine Zeit zu trauern: „Im Moment geht es nur darum, dass ich hier alles rechtzeitig leer räume“, sagt er im Gespräch mit tagesschau.de.
Die Backstube bleibt künftig kalt
Da sind zum Beispiel noch die Bäckermeister-Urkunde von seinem Großvater und die Ordner mit Bildern der Bäckerei aus dem vergangenen Jahrhundert. Neue Bilder kommen jetzt nicht mehr dazu. Ab April übernimmt ein Konkurrent, der bereits mehrere Filialen in der Region hat und zentral backt. Die Backstube der Bäckerei Mutz bleibt künftig kalt.
So wie der Familien-Bäckerei Mutz geht es vielen kleinen Bäckereien in Deutschland. In den vergangenen zehn Jahren mussten 30 Prozent der Betriebe des Bäckerhandwerks schließen, wie der Bäckerei-Monitor der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) zeigt. Nach der heute erschienen Branchenanalyse sind zudem 20.000 Arbeitsplätze verloren gegangen.
Martin Mutz in der Backstube
Zahl der Azubis hat sich halbiert
Gleichzeitig sei der Anteil an Teilzeitkräften in der Branche auf knapp 40 Prozent gestiegen. Unter anderem, weil die überregionalen Bäckereien oft nur eine Backstube hätten, die alle Filialen des Unternehmens belieferten.
Ein Problem für die kleinen familiengeführten Bäckereien: Es fehlen die Fachkräfte. Immer weniger Menschen wollen sich die hohe Arbeitsintensität und körperlichen Anforderungen antun. Die Zahl der Auszubildenden im Backgewerbe hat sich nach Angaben der Gewerkschaft NGG seit 2014 auf 8.500 Auszubildende halbiert.
Feige und Walnuss kosten ein paar Euro mehr
Ganz anders läuft es bei den „Wildbakers“ von Stuttgart. Anfang des Jahres haben sie im angesagten Stadtteil Süd ihre erste Bäckerei eröffnet und setzen auf ein ganz anderes Konzept. Der riesige Backofen steht im Verkaufsraum, Kunden können ihrem Brot live beim Wachsen zuschauen. Außerdem gibt es Sauerteig zu kaufen für alle, die lieber selbst zu Hause backen wollen.
Und in der Auslage liegen außergewöhnliche Brote mit Feige und Walnuss, die dann auch mal sechs Euro kosten und damit deutlich mehr als bei der Discounter-Bäckerei. Manche Brote und Kreationen gleichen schon einem Lifestyle-Produkt, für das viele gerne Schlange stehen.
Jörg Schmid von den „Wildbakers“ in Stuttgart.
Trotzdem sei die Auswahl eher klein, sagt Bäckermeister Jörg Schmid zu tagesschau.de: „Es gibt hier keinen Kuchen, es gibt hier keine heiße Theke und auch kein Sitzcafé. Wir haben uns auf ein kleines Sortiment konzentriert.“ Das wiederum führt unter anderem dazu, dass die „Wildbakers“ attraktivere Arbeitszeiten bieten können als Konkurrenten.
Transformation in der Branche
„Wir haben nur einen Bäcker, der um vier Uhr kommt. Die restlichen kommen um sechs oder acht Uhr“, erklärt Schmid. Bei der Eröffnung hatte die Bäckerei auch keine Probleme genügend Mitarbeitende zu finden, wie der Bäckermeister sagt. „Wir sind sehr happy mit dem Interesse.“
Das Bäckerhandwerk wandelt sich, vor allem große Betriebe setzen sich durch. Der Bäckerei-Monitor zeigt aber auch: Kleine Bäckereien haben eine Chance – wenn sie auf Qualität setzen und über Herausforderungen wie die Arbeitszeiten neu nachdenken. Innovative Ansätze wie der Einsatz moderner Kältetechnik könnte dabei weiterhelfen, sodass schon tagsüber Brot und Brötchen für den kommenden Tag vorbereitet werden können.