Bäckerei und Brot in Gefahr? Studie mit erschreckenden Ergebnissen | ABC-Z

Berlin. Nachtarbeit, Überstunden, Personalmangel: Immer mehr Bäckereien schließen. Was wird aus der deutschen Brotliebe? Experten schauen voraus.
Toastbrot mögen die Deutschen besonders gern. Sein Anteil am verkauften Brot insgesamt liegt laut dem Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks bei gut 28 Prozent. Dahinter folgt das Mischbrot mit knapp 25 Prozent. Es schließen sich „Brote mit Körnern & Saaten“ an, dann Vollkorn- und Schwarzbrot. Die Brotliebe der Deutschen ist weltweit berühmt, 40,7 Kilogramm Brot und Backwaren kauft jeder Haushalt hierzulande pro Jahr.
Nur: Wer backt ihnen das Brot für ihre Schnittchen und Stullen künftig noch? Immer mehr Bäckereien machen dicht. Zwar eröffnen in Großstädten vielerorts kleine, oft höherpreisige Betriebe. Sie heißen „Zeit für Brot“ oder „Keit Berlin“. Bei letzterer kostet das 750-Gramm-Roggenbrot satte sieben Euro. Diese Läden sind hip – zumindest am Wochenende stehen die Menschen dort an, es bilden sich Schlangen bis auf die Straßen. Aber die Entwicklung ändert nichts am langjährigen Trend: Die Branche steckt in einem tiefgreifenden Strukturwandel, das traditionelle Bäckerhandwerk schwindet.
Heute verdienen deutschlandweit noch 8100 Betriebe ihr Geld mit Brot, Brötchen oder Kuchen. Vor zehn Jahren waren es noch 12.000 Unternehmen. Dabei mögen die Deutschen die Backwaren nach wie vor, sie geben sogar mehr Geld für sie aus. Der Umsatz der Branche ist gestiegen, er lag 2023 bei 21,8 Milliarden Euro. Doch meistens kommt das Brot heute von großen Filialbetrieben wie Schäfers, Kamps oder Steinecke oder aus dem Supermarkt, in dem abgepacktes Brot von Harry Brot oder Lieken Urkorn angeboten wird. Die Gewinner im Markt sind vor allem große Unternehmen, oft mit vielen Filialen oder auch mehreren regionalen Bäckereiketten.
Bäcker: Immer mehr Arbeitsplätze gehen verloren
Die Zahl der Beschäftigten hat unterdessen abgenommen, seit 2014 gingen rund 20.000 Arbeitsplätze verloren. Noch arbeiten etwa 282.000 Menschen in der Branche. Darunter 81.000 Minijobber, deren monatlicher Verdienst im Jahr 2025 maximal 556 Euro
betragen hat. Das zeigen aktuelle Daten, die die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) zusammen mit der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung im neuen Bäckerei-Monitor vorlegt hat. Experten von der Hamburger Unternehmensberatung wmp consult haben dafür Statistiken ausgewertet, Interviews geführt, bundesweit Beschäftigte online befragt, etwa nach ihrer Arbeitsbelastung.
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Bäckereien klagen seit langem, zum Beispiel über hohe Kosten für Energie und Rohstoffe. Sie gäben aber vor allem auf, weil sie keine Nachfolger fänden, erklärt der NGG-Vorsitzende Guido Zeitler. Es ist in der Branche wie in vielen anderen auch: Es fehlen Leute. „Man nimmt es als selbstverständlich, dass man morgens eine Scheibe Brot isst, sonntags Brötchen vom Bäcker holt“, meint Zeitler. Das sei es aber nicht. Die Arbeitsbedingungen sind hart und nicht für jeden etwas.

Viele Deutsche lieben frisches Brot.
© iStock | Daniela Baumann
Bäcker: Die Arbeitszeiten sind nichts für jederman
Bäcker müssen früh aufstehen, manche schon um 2 Uhr nachts in der Backstube stehen. Wenn der Supermarkt morgens noch geschlossen hat, werden bereits frische Backwaren verkauft. 86 Prozent der für den Bäckereimonitor befragten Beschäftigten gaben an, sehr häufig oder zumindest oft unter Zeitdruck und Stress zu stehen, ebenso viele beklagten, es mangele an Personal. Überstunden waren für mehr als die Hälfte gang und gäbe. Angesichts dieser Belastungen denken manche Betriebe um.
Einige Bäckereien versuchen, die Nachtarbeit in den Tag zu verschieben – zum Beispiel mit „Schockfrostung und Gärunterbrechung sowie Veränderungen der Teigführung“, berichtet Zeitler. „Dadurch können die Teige schon tagsüber vorbereitet und geknetet werden, nachts wird dann nur noch gebacken.“
Auch über neue Arbeitszeiten lasse sich nachdenken – und andere Öffnungszeiten. Warum nicht in Filialen, in denen mittags nur wenig Kundschaft sei, für eine „Siesta“ schließen? Solche Vorschläge kämen von Beschäftigten, erzählt der wmp-Studienleiter Stefan Stracke. In der Industrie, in der die Löhne meist höher sind als in kleineren Bäckereien, belaste die Schichtarbeit. Da helfe es, wenn nach sechs Tagen Arbeit, drei freie Tage sicher seien.
Bäckereien: Auszubildende lassen sich mit besserer Bezahlung locken
Zudem könne in „lebensphasenorientierten Arbeitszeiten“ gedacht werden. Soll heißen: Wer über 60 Jahre ist, arbeitet zum Beispiel nicht bis spät abends. So soll das Bäckereiwesen wieder attraktiver werden – auch für Auszubildende.
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Deren Zahl ging über die vergangenen Jahre rapide zurück. 2024 haben sich dann allerdings wieder deutlich mehr für eine Ausbildung in der Branche entschlossen. Das habe mit neuen Arbeitszeitmodellen, besserer Vergütung zu tun, erklärt Stracke. Mittlerweile schauten die Bäckerbetriebe aber auch über die Grenzen Deutschland hinaus: „Rund ein Viertel der Auszubildenden hat einen Migrationshintergrund, vor zehn Jahren waren es weniger als 9 Prozent.“ Gesucht würden sie mittlerweile über Agenturen etwa in Nordafrika oder auf den Philippinen oder in Vietnam, also Ländern Südostasiens.
„Bei den Arbeitgebern ist angekommen, dass sie attraktiver werden müssen, während und natürlich auch nach der Ausbildung“, sagte der Gewerkschafter Zeitler. Aber lässt sich so der Trend zu wenigen Großbäckereien aufhalten oder müssen sich die Deutschen gar vom Abendbrot verabschieden? Zeitler: „Es wird eine Konzentration geben, zu immer größeren Unternehmen.“ Aber es werde irgendwann eine Grenze erreicht, weil die Kunden nicht nur Toastbrot von Filialisten wollten. „Wir werden weiterhin gutes Brot und Brötchen genießen können.“