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Sinfonietta Isartal: Eine Gemeinschaft mit Vorbildcharakter – Bad Tölz-Wolfratshausen | ABC-Z

In der Mitte des Konzerts kommt es zu einer Begegnung unvorhergesehenen Charmes. Da begegnen sich auf der Aufführungsfläche der Wolfratshauser Loisachhalle ein Blechblasinstrument und ein Gartengerät. Vielleicht liegt darin das Erfolgsgeheimnis der Sinfonietta Isartal, die mit diesem Konzert ihr 20-jähriges Jubiläum feiert: Auch nach zwei Jahrzehnten überrascht das Nachwuchsorchester des Ickinger Vereins Musikwerkstatt Jugend mit witzigen, facettenreichen, anspruchsvollen Programmen. Und mit fantastischer Musizierkunst. Aber eine Überraschung ist das eigentlich nicht mehr.

Denn unter der Leitung von Sophia Herbig hat das immer junge Ensemble eine natürliche Sicherheit gewonnen, die es vorher nicht hatte. So schweißt die Geigerin, die als Konzertmeisterin und prima inter pares mitspielt, mit einer beherzten Bewegung des Bogens die zwei Dutzend Personen starke Gruppe zusammen. Den Marsch aus Mozarts Faschingskomposition, der „Serenata notturna“ (KV 239), interpretiert man mit vitalem, pulsierendem Rhythmus, kernig, aber nie grob. Davon setzen sich in feinem Pianissimo die bewundernswert präzise gezupften Pizzicato-Passagen ab – der Marsch findet hier auf Zehenspitzen statt. Ein elegantes Menuett und ein heiter fließendes Schluss-Rondeau machen dem Publikum in Wolfratshausen Freude mit flexiblem, transparentem, schönem Gruppenklang. Die Sinfonietta ist in ihrem Jubiläumsjahr weit mehr als ein Lern-Ensemble für begabte Jungmusizierende.

Manche der jungen Musikerinnen und Musiker kommen seit Jahren zu den Probenphasen

„Es ist mehr als musikalische Ausbildung“, sagt die Orchesterleiterin Sophia Herbig. „So ein Orchesterprojekt ist auch ein Rahmen für Austausch, Kommunikation und Wachstum. Es ist eine Begegnungsstätte.“ Die jungen Musikerinnen und Musiker sehen das genau so, kommen einige doch seit Jahren zu den Probenphasen. Als sie die Orchesterleitung übernommen habe, im Jahr 2022, sei es bei den gemeinsamen Mittag- und Abendessen noch recht still gewesen, sagt Herbig. Inzwischen gehe es dabei lebendiger zu. Einige Sinfonietta-Spieler lächeln vielsagend zu diesem Satz.

Manchmal lädt die Sinfonietta, eigentlich ein Streichorchester, auch Leute aus anderen Instrumentenfamilien ein. In Mozarts Serenade etwa darf die Pauke geschmackvoll knallen. Doch für das Werk, das in Georg Philipp Telemanns höchst umfangreichem Werkverzeichnis die Chiffre „TWV 52:D2“ erhalten hat, kommen gleich zwei Neue auf die Bühne, David Fliri und Erik Košak. Ihre Barockhörner haben sie auch dabei. „Keine Ventile, keine Löcher, keine Tricks“, erklärt Fliri. In Telemanns Konzert für zwei Hörner ist das dann zu hören. Ein warmer, schlanker Klang verbreitet sich in der Loisachhalle, etwas dumpfer als der Klang moderner Hörner. Doch die beiden Solisten gleichen das aus durch makellose Artikulation. Besonders im tänzerischen Finale glänzen Fliri und Košak mit rasenden Terzketten, engagiert begleitet von der Sinfonietta.

„Keine Ventile, keine Löcher, keine Tricks“: David Fliri und Erik Kosak glänzten als Solisten an den Barockhörnern. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Für das kurze Telemann-Konzert gibt es Beifall. Gerne würde man noch mehr Horn-Musik hören. Gut, dass man noch etwas von Leopold Mozart auf dem Programm hat. Vollmundig kündigt Fliri seinen Kollegen Košak an, dieser werde nun die „Sinfonia pastorella“ von Mozart senior präsentieren. Košak stutzt. Wollte nicht Fliri den Solo-Part in diesem Alphorn-Konzert spielen? Nein, sagt dieser. Das große Instrument hätte auch gar keinen Platz in seinem kleinen Auto. Was tun? Die beiden Hornisten verschwinden kurz hinter der Bühne, während eine junge Musikerin Mozarts Konzert kurz charakterisiert. An den kundigen Wortbeiträgen, die die Konzerte der Sinfonietta schon länger bereichern, hält man fest.

Da kommt Košak auf die Bühne. Offensichtlich wusste man zu improvisieren. Um den Hals hat er einen aufgerollten Gartenschlauch, einen Trichter an der einen, ein Blechblas-Mundstück an der anderen Seite. So geht’s auch, Physik sei Dank. Beschwingt trötet sich Košak durch den ersten Satz, als plötzlich auf der Bühne hinter ihm doch ein Schallbecher auftaucht. Lauter, voluminöser und auch ein bisschen wohlklingender tönt das echte Alpeninstrument in David Fliris Händen und sucht den Dialog mit dem Gartenschlauch, zumal im Finale, einem robust aufgespielten Bauerntanz.

Der Scherz ist geglückt. Aber der kleine Sketch hat noch eine andere Folge neben allseitiger Heiterkeit. In der Pause nähern sich vorsichtig einzelne, dann immer mehr Konzertbesucher dem drei Meter langen Instrument. Ja, natürlich dürfe man mal probieren, sagt Fliri. Einer nach dem anderen setzt an, und so wird die Pause untermalt von zittrigen Alphorn-Tönen.

Zum Abschluss wird es tiefgründig. Mit Carl Reineckes „Serenade“, einem Spätwerk des Romantikers, beweist die Sinfonietta aufs Neue, dass sie alle Fähigkeiten hat, die ein Kammerorchester braucht. Im Arioso etwa zwingt das Orchester schmerzhafte Sehnsucht in lange, organisch konstruierte Phrasen, artikuliert trennscharf im Scherzo, zeigt klangfarbliche Fantasie in der Cavatine, wenn nach einem bestürzend melancholischen Cello-Solo von Katja Deutsch schimmerndes H-Dur auftaucht.

„Hier kommen unterschiedlichste Menschen zusammen und werden eine Gemeinschaft.“

Mit unermüdlicher Freude am Spiel und der Energie guten Miteinanders gestaltet die Sinfonietta Isartal den brausenden Schluss der Reinecke-Serenade. „Das Orchester kann Vorbildcharakter haben. Hier kommen unterschiedlichste Menschen zusammen und werden eine Gemeinschaft. Das würde ich mir auch für die Gesellschaft wünschen“, hat Herbig am Anfang gesagt. Das Konzert hat diese Botschaft in jedem Moment mit Leben erfüllt. Auf die zahlreichen Bravo-Rufe reagiert das Ensemble mit Reineckes „Frieden der Nacht“ (aus Opus 75) – ein kostbares Schlaflied nach einem fulminanten Jubiläumskonzert.

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