Kein Tropfen mehr! Was der Alkohol-Alarm konkret für Sie bedeutet | ABC-Z
DEG fordert Null-Promille: Kein Tropfen mehr! Was der Alkohol-Alarm konkret für Sie bedeutet
Montag, 19.08.2024, 15:27
Die Debatte um Alkoholkonsum erreicht einen neuen Höhepunkt. Ernährungswissenschaftler Uwe Knop wirft einen kritischen Blick auf die jüngsten Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung DGE, die vor jedem Tropfen warnt.
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Warum warnt die DGE vor jedem Tropfen Alkohol und empfiehlt null Promille?
Die Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat Mitte August 2024 eine neues „Positionspapier“ veröffentlicht, in dem die „Wächter gesunder Ernährung“ den Bürgern nun sogar Angst vor einem abendlichen Glas Bier oder Wein machen: „Es gibt keine potenziell gesundheitsfördernde und sichere Alkoholmenge für einen risikofreien, unbedenklichen Konsum.“ Die DGE empfiehlt daher, komplett auf alkoholische Getränke zu verzichten: „Am besten null Promille“.
Dieses Beispiel zeigt erneut, dass der moralische Zeigefinger (“Trink´ keinen Alkohol!”) über der wissenschaftlichen Evidenz steht, denn: Es gibt keinen einzigen wissenschaftlichen Beweis, dass ein moderater Alkoholgenuss krank macht oder gar früher sterben lässt. Wichtig ist „moderat“ im Sinne von wenig bis gelegentlichem Trinken in genussvollen Maßen oder ab und zu mal feiern. Wir reden hier nicht von Hardcoretrinkern und Alkoholikern. Deren gesundheitliches und soziales Gefährdungspotenzial für sich selbst, die Familien und Umwelt ist über jede Diskussion erhaben, das ist klar.
Über Uwe Knop
Uwe Knop, Jahrgang 1972, ist Diplom-Ernährungswissenschaftler, Buchautor, und Referent für Vorträge bei Fachverbänden, Unternehmen und auf Ärztefortbildungen. Sein aktuelles Buch “
Wieso gibt es keine Beweise, dass moderater Alkoholgenuss krank macht oder gar „tötet“?
Das ist einfach erklärt: Die Ernährungswissenschaften sind einer sehr bemitleidenswerten Lage, weil sie keine Beweise (Kausalevidenz) sondern nur banale statistische Zusammenhänge (Korrelationen) liefern kann – und diese Beobachtungen lassen ausschließlich Vermutungen, Hypothesen und Spekulationen zu. Die unglaublich zahlreichen Limitierungen (die Sie hier finden) führen dazu, dass dieser Forschungszweig dem Lesen einer Glaskugel gleicht.
Das schreibt im Übrigen auch die DGE in ihrem aktuellen Positionspapier: „Die Aussagekraft von Metaanalysen von Kohortenstudien zur Beziehung zwischen Alkoholkonsum und Gesamtmortalität ist durch methodische Schwierigkeiten stark limitiert … die Schätzungen des alkoholbedingten Sterberisikos variieren je nach Studiendesign zudem erheblich und sind somit schwierig zu interpretieren.“
Auch stellt die DGE klar: „Die Ergebnisse eines systematischen Reviews mit Metaanalyse zeigen keine statistisch signifikanten Unterschiede im Mortalitätsrisiko zwischen Personen mit gelegentlichem Alkoholkonsum (< 1,3 g/d) und Alkoholkonsum in geringen Mengen (1,3– < 25 g/d) bzw. moderatem Alkoholkonsum (25–< 45 g/d) und lebenslanger Abstinenz.“ Also wer wenig bis moderat trinkt, lebt rein statistisch genauso lang wie Abstinenzler.
Und da es keine Kausalevidenz für die krankmachende Wirkung der wenig-moderaten Mengen gibt, muss man sich fragen: Warum auf einmal „null Promille“? Wahrscheinlich vollzieht die DGE einen „Kotau vor dem moralinsauren Zeitgeist“ – also. alles was kulinarischen Genuss bringt, muss gesellschaftlich „geächtet“ werden.
Randnotiz: Eine der wesentlichen Limitierungen ist bereits die Datenbasis, also die stets unüberprüfbaren Eigenangaben sind der „Quell´ allen Übels“ aller Ernährungsregeln – so schreibt auch die DGE: „Bei der Erfassung der Alkoholzufuhr gibt es methodische Schwierigkeiten: Durch Selbstangabe des Konsums kann es zu einer Verzerrung der Daten durch Misreporting, also der Angabe einer geringeren oder höheren als der tatsächlich konsumierten Menge oder der Konsumhäufigkeiten, kommen.“
Kurzum: Es gilt auch beim Alkohol das ökotrophologische Universalcredo: Nichts Genaues weiß man nicht!
Was ist denn von den DGE-Regeln im Allgemeinen zu halten?
Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Antwort ganz einfach: „Kein gesunder Mensch braucht eine einzige Ernährungsregel“. Denn die DGE-Regeln fehlt vollumfänglich die wissenschaftliche Evidenz, dass sie die Gesundheit der Bürger fördern. Hinzu kommt: Es gibt es bis heute weder einen einzigen Nutzennachweis dieser Empfehlungen noch kann ein Schaden sicher ausgeschlossen werden. Niemand kann also sagen, ob diese Essregeln vielleicht gar negative Effekte ausüben werden.
Was generell wundert: Alkohol ist kein Lebensmittel, das zur Ernährung beiträgt. Alkohol ist eine psychotrope, also hirnaktive Droge, die berauscht. Die Menschen trinken Alkohol wegen seiner Wirkung auf die Psyche, auf das Hirn, auf die Emotionen – aber normalerweise nicht, weil sie Hunger oder Durst haben. Die Bewertung des Alkohols wäre demnach eher etwas für die Deutsche Gesellschaft für Psychologie oder themenaffinere Institutionen.
Aber Alkohol macht sicher süchtig, wenigstens das ist wissenschaftlich nachgewiesen, oder?
Das denke ich nicht. Meines Erachtens ist es eine „humanbiologische Weisheit“, dass nicht die psychotropen Substanzen per se abhängig machen, sondern: Suchtaffine Menschen, sogenannte Suchtcharaktere werden abhängig. Hierbei ist das komplexe Zusammenspiel der individuellen Biologie/Genetik mit den persönlichen Lebensstilfaktoren entscheidend.
Hinzu kommt, der gesunde Menschenstand sagt im Umkehrschluss: Wenn Alkohol per se süchtig machen würde, dann wäre halb Deutschland massiv alkoholkrank – und sicher viele andere Länder dito. Dem ist aber nicht so, denn, ich vermute: Die meisten Menschen trinken gelegentlich Alkohol, wenn und weil sie Lust drauf haben ohne dass es Ihrem Leben (und ihrer Leber) schadet – aber die meiste Zeit trinken sie: Nichts. Rein statistisch übrigens ist der Alkoholkonsum in höheren sozialen Schichten höher als in niederen.
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Dieser Text stammt von einem Experten aus dem FOCUS online EXPERTS Circle. Unsere Experts verfügen über hohes Fachwissen in ihrem Themenbereich und sind nicht Teil der Redaktion. Mehr erfahren.