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Bundeswehr bei Caren Miosga: „Wir stehen vor einer echten Kriegsgefahr im Herbst“ | ABC-Z

Deutsche Soldaten im Krieg mit Russland? Die ARD-Talkrunde bei „Caren Miosga“ sieht zwei kurz bevorstehende neue Kriegsziele Putins und fordert mehr als die Wehrpflicht. Markus Söder antwortet auf die Seehofer-Kritik, wirbt für das Schuldenpaket und sagt: „Schwäche wird nicht belohnt!“

„Boah, Sie fangen gleich hart an, mit Verbrechen und so weiter.“ Markus Söder fühlt sich bei „Caren Miosga“ am Sonntagabend direkt unter Druck gesetzt. Die ARD-Talkmasterin will in ihrer Sendung wissen, was dem bayerischen Ministerpräsidenten bevorstünde, wenn Wortbruch ein Verbrechen wäre. Schließlich haben sich Union, die im Wahlkampf genau dies ablehnte, und SPD auf ein rekordverdächtig hohes Schuldenpaket für Investitionen in Verteidigung und Infrastruktur geeinigt in einer Regierung unter dem künftigen Bundeskanzler Friedrich Merz.

Söder erklärt Miosga, der Kurswechsel habe mit der „besonderen Lage“ zu tun, die sich durch die jüngsten Aktionen von US-Präsident Donald Trump „verschärft“ hätte. Die „tiefe Erschütterung im Grundvertrauen mit Amerika“ sei dem CSU-Vorsitzenden erst nach Trumps Auftritt mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Oval Office klargeworden.

Die Attacke seines Vorgängers Host Seehofer, der Söder Wortbruch vorwirft, kanzelt er wie folgt ab: „Ich habe mich gefreut, ihn mal wieder zu sehen. Wir haben eigentlich abgesprochen, dass wir nicht übereinander sprechen, ich habe mich daran gehalten.“ Und auf die Frage Miosgas, wie es sich anfühle, nun eine zentrale Forderung von Intimfeind Robert Habeck durchzusetzen, antwortet Söder: „Das würde ich so nicht sehen. Ich fühle mich okay, weil wir in Deutschland Kompromisse finden können.“ Um die Grünen werben, die unbedingt den Plänen von Union und SPD zustimmen sollen, solle aber lieber Merz. „Das passt besser.“

Söder geht in die ARD-Sendung, um Werbung für das 500-Milliarden-Sondervermögen und die Verteidigungs-Schuldenbremsenreform zu machen. Sein Grundsatz lautet: „Wir dürfen unser Land nicht wehrlos machen.“ Die Bedrohung durch Russland sei so groß, dass alle über „ihren Schatten springen müssen, egal ob dieser schwarz, grün oder rot ist“. Auch mit Blick auf die USA sagt er: „Schwäche wird nicht belohnt!“ Aufrüstung ja, aber wie? Beim Thema Finanzierung liefert der CSU-Mann keine Details. Steuererhöhungen kann er sich zwar „nicht vorstellen“, schließt sie aber auf mehrfache Nachfrage hin auch nicht aus.

Um die Wehrlosigkeit zu bekämpfen, fordert Söder die Wehrpflicht zurück, die derzeit ausgesetzt ist. „Wir brauchen sie“, sagt er. Zur „Verteidigung der Landesgrenze“ und der „NATO-Grenze“ und zur „Abschreckung“. Das Thema werde die Union mit der SPD in den Koalitionsverhandlungen konkretisieren.

„Die Bundeswehr ist mit Igitt-Faktor belegt“

Sabine Adler fordert nicht nur die Wehrpflicht, sondern eine andere Einstellung der Gesellschaft zur Armee. „Die Bundeswehr ist mit Igitt-Faktor belegt, das geht überhaupt nicht in heutigen Zeiten“, sagt die Deutschlandradio-Journalistin und Osteuropa-Expertin. Miosga zeigt eine Grafik einer repräsentativen Umfrage, die zeigt, dass nur 30 Prozent der Befragten Deutschland im Kriegsfall an der Waffe verteidigen würden. „Wenn die Souveränität Europas in Gefahr ist, weil ein Überfall Russlands nicht weit weg ist, dann zu sagen, das interessiert nicht“, sagt Adler, „das versteht in Polen, Finnland und im Baltikum niemand.“ Und in Richtung Söder fügt sie hinzu: „Geld verteidigt noch kein Land.“

Ein Einspieler der ARD zeigt in Litauen stationierte Bundeswehrsoldaten, 5000 werden es bis 2027 sein. „Das ist Europas Achillessehne“, erklärt Adler, genau dort „könnte es bald um Europas Sicherheit gehen“. Denn Russland will im benachbarten Belarus im November ein großes Manöver starten. Die Journalistin erinnert daran, wie beim letzten großen Manöver dieser Art 2021 an der Grenze zur Ukraine die russischen Soldaten einfach dortblieben und wenig später angriffen. „Wir stehen vor einer echten Kriegsgefahr im Herbst“, warnt sie.

Herfried Münkler glaubt ebenfalls, dass Wladimir Putin bald das nächste Land angreifen wird. Allerdings nicht Litauen, sondern zuerst Estland, wegen der russischen Minderheit dort. „Putin wird behaupten, er wolle die Russen dort schützen“, erklärt der Politikwissenschaftler, „und wird dann schauen, wie Europa reagiert.“ Der Westen dürfte in dem Fall nicht wieder zur „Appeasement-Politik“ greifen, „sondern muss klarmachen, dass man das Land verteidigt“. Sonst könne sich das „ausweiten zu einem großen Krieg“, so Münkler.

Der Politikwissenschaftler sieht eine Wehrpflicht-Armee allerdings durchaus kritisch, weil dies eine „Ausbildungsarmee“ mit einer personellen Tiefe sei, „also für einen langanhaltenden Konflikt“. Eine Berufsarmee sei dagegen eine befähigtere Armee, die zwar mehr kosten würde, aber „eine größere Abschreckung“ wäre. Markus Söder fordert daraufhin eine „eine andere Bundeswehr, Drohnen und einen Raketenschirm“.

Französisch-britischer Schirm „besser als nichts“

Talkmasterin Miosga fragt prompt nach dem Angebot Frankreichs nach, Deutschland unter den nuklearen Schirm des Nachbarn zu nehmen. „Friedrich Merz wird sagen: Ja, wir nehmen das Angebot von Emmanuel Macron an“, glaubt Söder. „Wir können unter den französisch-britischen Schirm kriechen, auch wenn er klein ist, das ist besser als nichts“, urteil Osteuropa-Expertin Adler. Dennoch solle Deutschland das, was an Beziehungen zu den USA noch vorhanden ist, weiter pflegen.

Beim Thema USA sieht Münkler Deutschland als den „großen Verlierer“. Neben Polen haben „wir mehr als jeder andere auf die USA gesetzt“, das war „falsches Kalkül“, sagt der Politikwissenschaftler, der schon vor Jahren Angela Merkels Regierung beraten und zur Anschaffung von Kampfdrohnen geraten hatte.

Die langsame Abkehr von Europa habe schon unter Barack Obama begonnen, Trump mache dies nun ungleich disruptiver. Die Politik des jetzigen US-Präsidenten „ist für Europa brandgefährlich“, meint Münkler, denn wenn Putin mit dem Angriff auf die Ukraine erfolgreich sei, „dann ist es für ihn eine Aufforderung, das zu wiederholen“. Und auf die USA können man sich nun nicht mehr verlassen, um Europa zu verteidigen.

Deshalb, so das Resümee des weitestgehend unspektakulären Talkrunde bei „Caren Miosga“ von Markus Söder, wolle die kommende Regierung vor allem eines. Eine fähige Bundeswehr, um abzuschrecken und im Ernstfall Deutschland und die NATO-Partner zu verteidigen: „Ohne ausreichende Armee, werden wir ein leichteres Ziel für Putin.“

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