Kanada: Carney ersetzt Trudeau als Parteichef der Liberalen und vorübergehend als Regierungschef – Politik | ABC-Z

Der ehemalige Zentralbankchef Mark Carney wird neuer Vorsitzender der Liberalen Partei in Kanada. Das ergab eine Abstimmung unter Parteimitgliedern. Der 59-Jährige setzte sich mit 86 Prozent der Stimmen gegen die frühere Finanzministerin Chrystia Freeland durch, wie die Partei am Sonntag mitteilte.
Als Nachfolger von Justin Trudeau wird der 59-jährige Wirtschaftsexperte vorübergehend auch das Amt des Ministerpräsidenten übernehmen und als Spitzenkandidat seiner Partei bei Neuwahlen antreten. Spätestens im Oktober muss es in Kanada eine Parlamentswahl geben, voraussichtlich finden die Neuwahlen aber bereits in wenigen Wochen statt.
Kanada steht wegen der aggressiven Zollpolitik und Annexions-Drohungen von US-Präsident Donald Trump derzeit stark unter Druck. „Wir haben das hier zum besten Land der Welt gemacht und nun wollen unsere Nachbarn uns übernehmen. Auf keinen Fall!“, hatte Carney kurz vor der Bekanntgabe der Ergebnisse gesagt. Im Handelskrieg mit den Vereinigten Staaten will er den Trudeau-Kurs des entschlossenen Widerstands fortsetzen. Auch andere Kandidaten hatten sich in ihren Abschlussreden deutlich gegen die USA positioniert. Justin Trudeau sagte: „Wir sind ein diplomatisches Land, wenn wir können, aber wenn wir müssen, kämpfen wir – Ellenbogen nach oben!“
Carney, der auch die Bank of England leitete, ist im Politikbetrieb ein Neuling. Seine Erfahrung als Chef zweier G7-Notenbanken mache ihn zum besten Kandidaten für den Umgang mit US-Präsident Trump, hatte Carney für sich geworben. Dieser hatte unter anderem mit Kanada einen Zollstreit vom Zaun gebrochen. Trump erhob auch wiederholt Anspruch auf Kanada und bezeichnete es als 51. Bundesstaat der USA.
Carney folgt auf Justin Trudeau, der nach neun Jahren im Amt im Januar seinen Rücktritt erklärte. Trudeau hatte in Umfragen zuletzt deutlich an Zustimmung verloren.
Wie es jetzt weitergeht
Als Nächstes muss Premierminister Trudeau mit Carney ein Datum für die Übergabe der Regierungsgeschäfte festlegen und formell zurücktreten. Dies dürfte in den kommenden Tagen passieren. Der neue Premier wird möglicherweise das Kabinett anpassen wollen, wobei bestehende Minister angesichts der bald erwarteten Neuwahl auch im Amt bleiben könnten. Das Parlament in Ottawa tagt wieder am 24. März. Für diesen Tag plant die Opposition ein Misstrauensvotum, was Neuwahlen in den kommenden Monaten auslösen dürfte.
Carney könnte aber auch bereits vor diesem Termin seine Minderheitsregierung für gescheitert erklären und Neuwahlen ausrufen. Taktisch sehen Beobachter dies als möglicherweise klugen und proaktiven Zug, weil die Liberalen in den Umfragen zuletzt deutlich zulegten.