Wegen Putin: Deutschlands Waffenimporte auf Rekordstand | ABC-Z

Brüssel. Neuer Sipri-Bericht: Wie Europa wegen des Ukraine-Krieges aufrüstet, warum vor allem die USA profitieren. Und was Deutschland liefert.
Der Ukraine-Krieg und die angespannte Sicherheitslage haben einen massiven Anstieg der Rüstungsimporte in Deutschland und Europa ausgelöst: Die europäischen Nato-Staaten haben ihre Waffeneinfuhren in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt, Deutschland hat sie sogar vervierfacht. Die Ukraine ist jetzt der größte Waffenimporteuer weltweit, wie aus einem neuen Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri hervorgeht.
Gleichzeitig bauen die USA ihre Position als mit Abstand größter Rüstungslieferant der Welt aus, Europa ist erstmals seit Jahrzehnten wieder wichtigster Abnehmer der US-Hersteller. „Die Zahlen spiegeln die Wiederbewaffnung wider, die in Europa als Antwort auf die russische Bedrohung stattfindet“, sagt Sipri-Programmdirektor Mathew George.
Der Bericht vergleicht immer Fünfjahreszeiträume, um Trends jenseits einzelner Mega-Deals zu erkennen. Insgesamt blieb das Volumen des internationalen Waffenhandels in den Jahren 2020 bis 2024 stabil, vergleicht man es mit dem Zeitraum 2015 bis 2019. Aber der Ukraine-Krieg sorgt für eine Umwälzung: Die USA konnten ihre internationalen Waffenexporte um ein Fünftel steigern, von 2020 bis 2024 kamen 43 Prozent aller Rüstungsausfuhren aus den USA – im Vergleichszeitraum 2015 bis 2019 waren es erst 35 Prozent.
Die USA haben ihre Position als größter Waffenexporteur weltweit ausgebaut
Die Vereinigten Staaten, in denen die fünf größten Rüstungskonzerne beheimatet sind, exportieren damit mehr als Waffen als die sieben nächstplatzierten Staaten zusammen: Frankreich (9,6 Prozent der Exporte weltweit), Russland (7,8 Prozent), China (5,9 Prozent), Deutschland (5,6 Prozent), Italien (4,8 Prozent), Großbritannien (3,6 Prozent) und Israel (3,1 Prozent). „Die USA sind in einer einzigartigen Position bei den weltweiten Waffenexporten. Sie sind der Lieferant der Wahl für moderne weitreichende Angriffswaffen, besonders für Kampfflugzeuge“, sagt Sipri-Rüstungsexperte George.
Gefechtsbereite Flugabwehrraketensysteme vom US-Typ Patriot des Flugabwehrraketengeschwaders 1 der Bundeswehr.
© picture alliance/dpa | Axel Heimken
Erstmals seit Jahrzehnten ist Europa nun wieder Hauptabnehmer der amerikanischen Rüstungsgüter, sein Anteil an den US-Ausfuhren stieg auf 35 Prozent, auf Platz zwei folgt der Mittlere Osten. Die europäischen Nato-Staaten haben in den vergangenen fünf Jahren ihre Rüstungskäufe im Ausland verdoppelt – zwei Drittel ihrer Importe stammten aus den USA. Deutschland steigerte seine Einfuhren sogar um gigantische 334 Prozent – 70 Prozent dieser Lieferungen stammen aus den USA. „Die Nato-Staaten in Europa haben Schritte unternommen, um ihre Importabhängigkeit zu verringern und die europäische Waffenindustrie zu stärken“, sagt Sipri-Forscher Pieter Wezeman. „Aber die transatlantische Beziehung im Rüstungsgeschäft hat tiefe Wurzeln.“
Und der Boom hält an. Die Europäer hätten in den USA noch 472 Kampfflugzeuge, 150 Kampfhubschrauber und viele andere Waffen bestellt. Deutschland hat, wie Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vor einigen Monaten berichtete, in den USA Waffen und Ausrüstung für die Bundeswehr im Wert von 23 Milliarden Euro geordert, 380 Verträge mit amerikanischen Rüstungsunternehmen wurden abgeschlossen – darunter für 35 Tarnkappen-Kampfjets F-35, 60 Chinook-Kampfhubschrauber und neue Patriot-Luftabwehrsysteme. Weitere wichtige Waffenlieferanten für Deutschland waren laut Sipri-Report Israel, etwa mit dem Arrow-Raketenabwehrsystem, und Schweden.
Deutschland bleibt der fünftgrößte Waffenexporteur: Bestellliste ist lang
Allerdings gibt es Pläne in der Europäischen Union, im Zuge der weiteren Aufrüstung vor allem die europäische Verteidigungsindustrie zu fördern. Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, mit einem Kreditprogramm und einer Lockerung der Schuldenregeln die Waffenkäufe der Mitgliedstaaten anzukurbeln.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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Russlands Waffengeschäfte nahmen laut Sipri-Bericht ab, die Exporte sanken um zwei Drittel – wegen des Eigenbedarfs im Ukraine-Krieg und der westlichen Sanktionen, aber auch, weil China und Indien schon zuvor ihre Bestellungen reduziert hatten. Die Ukraine hat kriegsbedingt ihre Importe um das Hundertfache gesteigert, knapp 9 Prozent aller Waffeneinfuhren weltweit entfallen jetzt auf das angegriffene Land. Mindestens 35 Staaten haben der Ukraine Waffen geschickt, voran die USA, Deutschland und Polen.

Leopard- und Puma-Panzer bei einem Manöver der Bundeswehr. Die Panzer sind ein wichtiges Exportgut der deutschen Rüstungsindustrie.
© dpa | Philipp Schulze
Ungeachtet der eigenen Aufrüstung bleibt Deutschland aber auch einer der wichtigsten Waffenexporteure, im Sipri-Ranking steht es wie in früheren Jahren auf Platz fünf der Waffen-Lieferanten: Wichtigste Abnehmerstaaten in den vergangenen fünf Jahre waren die Ukraine, Ägypten und Israel, wichtigste Absatz-Region ist der Mittlere Osten. Deutsche Rüstungsunternehmen haben oder erwarten demnach Bestellungen für 26 Kriegsschiffe, 33 Flugabwehrsysteme, 416 Panzer, 1400 gepanzerte Fahrzeuge und 72 Artillerie-Systeme.