US-Milliardär McCourt plant neue Generation des Internets | ABC-Z

Das Schicksal von Tiktok in den USA ist weiter in der Schwebe – und auch Gesprächsthema auf dem Festival South by Southwest in Austin. Für die Video-App tickt wieder einmal die Uhr: Bis zum 5. April muss der chinesische Mutterkonzern Bytedance einen Käufer für sie gefunden haben, andernfalls droht ihr die Schließung. Es gibt mehrere Kaufinteressenten, und einer von ihnen, der amerikanische Milliardär Frank McCourt, war nun in Austin. Er beschrieb es als seinen Plan, Tiktok zu einem Baustein einer „nächsten Generation des Internets“ machen zu wollen, die sich von anderen großen Plattformen wie Facebook oder Instagram abgrenzt. McCourt führt ein Bieterkonsortium an, zu dem auch der Investor Kevin O’Leary gehört. O’Leary ist aus der Fernsehshow „Shark Tank“ bekannt, dem amerikanischen Vorbild für „Die Höhle der Löwen“ in Deutschland. Er nannte den möglichen Verkauf von Tiktok in Austin den „ungewöhnlichsten Deal in der Geschichte von sozialen Medien“.
Das gegenwärtige Tauziehen um die App, die in den USA 170 Millionen Nutzer hat, datiert auf ein im vergangenen April verabschiedetes Gesetz zurück. Darin wurde zunächst eine Frist bis zum 19. Januar für einen Verkauf oder eine Schließung von Tiktok festgelegt. Das Gesetz wurde mit Sorgen um die nationale Sicherheit begründet. US-Politiker argumentierten, die chinesische Regierung könnte versuchen, über die App an amerikanische Nutzerdaten herankommen. Zudem könnte sie den Algorithmus manipulieren und die Plattform damit zu einem Propagandakanal machen. Tiktok scheiterte kurz vor Ablauf der Frist vor dem Obersten Gerichtshof mit einer Klage gegen das Gesetz, und die App wurde tatsächlich für einige Stunden abgeschaltet. Dann aber kam ihr Donald Trump zu Hilfe, der am 20. Januar, dem Tag seiner abermaligen Vereidigung als US-Präsident, per Dekret eine Verlängerung der Frist um 75 Tage anordnete.
Verkauf des US-Geschäfts von Tiktok an Elon Musk?
McCourt hat sein Kaufangebot schon kurz vor dem Regierungswechsel vorgelegt, mittlerweile sind auch eine Reihe anderer potentieller Käufer im Gespräch. Einige von ihnen wie das auf Internetsuche mit Künstlicher Intelligenz spezialisierte Unternehmen Perplexity haben Interesse bestätigt. Trump hat gesagt, auch Microsoft sondiere eine Übernahme von Tiktok, der Softwarekonzern hat das aber nicht kommentiert. Medien berichteten außerdem, die chinesische Regierung prüfe einen Verkauf des US-Geschäfts von Tiktok an Elon Musk. Erst vor wenigen Tagen wiederholte Trump, es gebe viele Interessenten für die App. Er sagte aber auch, er könne sich eine weitere Verlängerung der Frist über den 5. April hinaus vorstellen.
Auf der South by Southwest sagte McCourt, im Ringen um Tiktok seien weiterhin gewichtige Fragen offen. Es sei noch immer unklar, ob Bytedance die App verkaufen würde, und wenn ja, was ein Verkauf beinhalten würde, also ob zum Beispiel die Algorithmen Teil des Geschäfts wären. Man wisse auch nicht genau, welche Rolle die chinesische Regierung in den Verhandlungen spiele. Sollte es aber auf einen Verkauf hinauslaufen, sieht sich McCourt als „führender Bieter“. Sein Konsortium erfülle alle notwendigen Kriterien. In der Vergangenheit hat die chinesische Regierung gesagt, sie würde einen Verkauf der Plattform und ihrer Algorithmen nicht akzeptieren. In jüngster Zeit gab es aber Anzeichen, dass Tiktok inmitten des Handelskonflikts mit den USA zur Verhandlungsmasse werden könnte. Erst vor wenigen Tagen hat Trump Zölle für Einfuhren aus China erhöht.
Vision eines dezentralen und „besseren“ Internets
McCourt ist Immobilienunternehmer, ihm gehört zudem der Fußballverein Olympique Marseille, und zeitweise war er auch Eigentümer des Baseballclubs Los Angeles Dodgers. „Forbes“ beziffert sein Vermögen auf 1,4 Milliarden Dollar. Er hat gesagt, er habe in seiner Bietergruppe vorläufige Finanzierungszusagen von mehr als 20 Milliarden Dollar. Analysten haben den Wert des US-Geschäfts von Tiktok noch deutlich höher geschätzt, wobei McCourt die App nach eigener Darstellung auch ohne ihren Algorithmus kaufen würde. Erst vor wenigen Tagen hat sich dem Konsortium auch Alexis Ohanian angeschlossen, ein Investor, der einst das Online-Diskussionsforum Reddit mitgegründet hat und der mit dem ehemaligen Tennis-Star Serena Williams verheiratet ist.
Das Tiktok-Angebot hat McCourt über die von ihm gegründete Organisation Project Liberty abgegeben. Damit verfolgt er die Vision eines dezentralen und „besseren“ Internets. Wie er in Austin sagte, wolle er Nutzern Kontrolle über ihre eigenen Daten geben, die „Billionen von Dollar“ Wert seien. Das heutige Geschäftsmodell von vielen Internetkonzernen sei „ausbeuterisch“ und eine „Maschinerie, die uns alle kontrolliert“. Zum Gegenentwurf von McCourt gehört es zum Beispiel, das bisher gängige Werbemodell zu verändern. Viele Plattformen werten heute Nutzerdaten aus, auf deren Basis dann möglichst passende Anzeigen ausgewählt werden. McCourt will zwar auch Werbung schalten, stellt sich aber vor, dass Nutzer erst ausdrücklich signalisieren, woran sie Interesse haben. Project Liberty hat im Werben um Tiktok auch die Unterstützung des britischen Informatikers Tim Berners-Lee, der als Erfinder des Internets gilt. Auch er propagiert seit einiger Zeit Ansätze, Internetnutzern mehr Kontrolle über ihre Daten zu geben.