Migration, Rente, Deutschlandticket – Sondierungspapier im Wortlaut | ABC-Z

Berlin. Die Spitzen von CDU/CSU und SPD machen den Weg frei für Koalitionsgespräche. Das steht im Sondierungspapier der Parteien.
Um kurz nach 15 Uhr traten CDU-Chef Friedrich Merz, Markus Söder (CSU), Lars Klingbeil und Saskia Esken von der SPD am Samstag vor die Kameras und verkündeten, dass sie sich auf ein Sondierungspapier geeinigt haben. Söder zufolge sei das ein „hartes Stück Arbeit“ gewesen, bei dem es keine Gewinner und Verlierer, sondern „neue Partner“ gebe. Der Weg für Koalitionsgespräche ist damit frei. In unserem Blog zu den erfolgreichen Sondierungsgesprächen bleiben Sie auf dem Laufenden.
Doch was nehmen sich Union und SPD vor, sollte es zu einer schwarz-roten Koalition unter dem voraussichtlich künftigen Kanzler Friedrich Merz kommen? Das Sondierungspapier können Sie hier im Wortlaut nachlesen.
Auch interessant
Sondierungspapier im Wortlaut: Das haben Union und SPD vor
Ergebnisse der Sondierungen von CDU, CSU und SPD
„Deutschland steht vor historischen Herausforderungen. Die wirtschaftliche Lage ist angespannt, die weltpolitischen Entwicklungen fordern uns heraus, massive Investitionen sind nötig, um den Alltag der Menschen in unserem Land zu verbessern. Unser Anspruch ist klar: Deutschland braucht Stabilität und Aufbruch – für eine sichere Zukunft, für wirtschaftliche Stärke und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
In einer Zeit wachsender Unsicherheit in Europa und weltweit übernehmen wir Verantwortung. Der Schutz von Freiheit und Frieden, der Erhalt unseres Wohlstands und die Modernisierung unseres Landes dulden keinen Aufschub. Unser Ziel ist es, die innere und äußere Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zu stärken, massiv in unsere Infrastruktur zu investieren und die Grundlagen für dauerhaftes und nachhaltiges Wachstum zu legen. Wir wollen Verantwortung in Europa übernehmen und gemeinsam mit unseren Partnern die Verteidigungsfähigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union stärken. Klar ist: Deutschland steht weiter an der Seite der Ukraine.
Die Grundlage für eine stabile Regierung ist eine solide Finanzierung. Deshalb haben wir uns darauf verständigt, dass zentrale Investitions- und Finanzierungsfragen Vorrang haben. Mit einem Sondervermögen von 500 Milliarden Euro bringen wir unser Land wieder in Form – durch Investitionen in Straßen, Schienen, Bildung, Digitalisierung, Energie und Gesundheit. Gleichzeitig sichern wir mit zusätzlichen Mitteln die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und Europas, denn der Schutz unserer Freiheit ist unverzichtbar. Klar ist, dass wir die Ukraine weiter unterstützen wollen.
Uns eint der Wille, neue Zuversicht zu schaffen. Wir wollen den gesellschaftlichen Zusammenhalt festigen, indem wir Familien entlasten, die soziale Sicherheit stärken und die Leistung der hart arbeitenden Menschen anerkennen. Wir wollen das Leben der Menschen in unserem Land einfacherer und besser machen. Im 35. Jahr der Deutschen Einheit sehen wir die vielen gemeinsamen Erfolge und werden weiter in die wirtschaftliche Stärke der östlichen Bundesländer investieren. Wir wollen unseren Staat wieder leistungsfähig machen durch eine grundlegende Modernisierung, Reformanstrengungen, einen umfassenden Rückbau der Bürokratie und durch Digitalisierung. Wir setzen uns für eine starke wettbewerbsfähige Wirtschaft ein, die von einer gut ausgebildeten und fair bezahlten Arbeitnehmerschaft getragen wird. Wir wollen ein weltoffenes Land bleiben, Einwanderung in unseren Arbeitsmarkt fördern und zugleich die irreguläre Migration deutlich reduzieren. Wir wollen die Polarisierung in unserem Land zurückdrängen, die durch die irreguläre Migration verursachte Belastung unserer öffentlichen Infrastruktur beenden und auch damit den Zusammenhalt unseres Landes dauerhaft stärken.
Mit diesem Sondierungsergebnis gehen wir den ersten wichtigen Schritt. Wir wissen, dass noch große Aufgaben vor uns liegen. Aber wir sind entschlossen, sie gemeinsam anzupacken – verantwortungsvoll, solidarisch und mit dem klaren Ziel, Deutschland zu modernisieren und für die Zukunft stark zu machen. Wir wollen unsere Demokratie stärken und schützen.
Die Sondierungsgespräche waren von Verantwortungsbewusstsein und gegenseitigem Vertrauen geprägt. Auf dieser Grundlage und auf Basis des Sondierungsergebnisses können wir einen ambitionierten und tragfähigen Koalitionsvertrag schließen. Dabei ist uns bewusst, dass wir nicht alle kommenden Herausforderungen schon jetzt vorsehen können. Eine verlässliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit, die von gegenseitigem Respekt geprägt ist, wird deshalb auch in Zukunft unsere Basis für gutes Regierungshandeln sein.
Folgende Ergebnisse halten wir fest:
I. Finanzierung
CDU, CSU und SPD einigen sich darauf, noch vor der Konstituierung des Deutschen Bundestages folgende Maßnahmen umzusetzen:
1. Die Verteidigungsausgaben im Einzelplan 14 werden in der Höhe von 1 Prozent des BIP innerhalb des Geltungsbereichs der grundgesetzlichen Schuldenbremse abgebildet. Darüber hinausgehende Ausgaben für Verteidigung im Einzelplan 14 werden nicht bei der Schuldenbremse angerechnet.
2. Es wird ein Sondervermögen Infrastruktur Bund/Länder/Kommunen geschaffen, das mit einem Volumen von 500 Milliarden Euro ausgestattet wird und eine Laufzeit von 10 Jahren hat. Dieses Sondervermögen soll für Investitionen in die Infrastruktur dienen. Dies umfasst insbesondere Zivil- und Bevölkerungsschutz, Verkehrs-Infrastruktur, Krankenhaus-Investitionen, Investitionen in die Energieinfrastruktur, in die Bildungs-, Betreuungs- und Wissenschaftsinfrastruktur, in Forschung und Entwicklung und Digitalisierung. Davon sollen 100 Milliarden Euro den Ländern und Kommunen für die genannten Bereiche zur Verfügung stehen.
3. Die Schuldenbremse wird dahingehend konkretisiert, dass den Ländern zukünftig eine jährliche Neuverschuldung in Höhe von 0,35 Prozent des BIP ermöglicht wird.
4. Die Mittel aus dem Sondervermögen Bundeswehr müssen zügig abfließen. Deshalb werden CDU/CSU und SPD noch im ersten halben Jahr nach der Regierungsbildung ein Planungs- und Beschaffungsbeschleunigungsgesetz für die Bundeswehr sowie eine Prioritätenliste mit schnell zu beschaffenden Rüstungsgegenständen vorlegen, die die Verteidigungsbereitschaft unseres Landes schnell und effizient erhöhen. Die Prioritätenliste wird in enger Abstimmung mit dem BMVg entworfen.
5. Die erforderlichen einfachgesetzlichen Regelungen zu den Punkten 1, 2 und 3 werden zu Beginn der Wahlperiode umgesetzt.
6. Es wird eine Expertenkommission eingesetzt, die einen Vorschlag für eine Modernisierung der Schuldenbremse entwickelt, die dauerhaft zusätzliche Investitionen in die Stärkung unseres Landes ermöglicht. Auf dieser Grundlage wollen wir die Gesetzgebung Ende 2025 abschließen.
7. Wir werden im Rahmen der Haushaltsberatungen auch Einsparungen vornehmen und darüber hinaus schrittweise auf eine ziel- und wirkungsorientierte Haushaltsführung umstellen.
8. Mit einem Zukunftspakt von Bund, Ländern und Kommunen werden wir die finanzielle Handlungsfähigkeit stärken und eine umfassende Aufgaben- und Kostenkritik vornehmen.
II. Wirtschaft
Wir werden den Standort Deutschland wettbewerbsfähig machen – mit Vertrauen, Entschlossenheit und Planungssicherheit. Unser Ziel ist es, das Potenzialwachstum in Deutschland wieder auf deutlich über ein Prozent zu erhöhen. Wir fördern Investitionen und Innovationen für nachhaltiges Wachstum, neuen Wohlstand und Arbeitsplätze. Wir stärken Mittelstand und Handwerk den Rücken. Wir wollen, dass Deutschland ein starkes Industrieland bleibt und dass Fleiß sich lohnt.
Deshalb werden wir unter anderem folgende Maßnahmen umsetzen:
Wettbewerbsfähige Energiekosten/Industriestrompreis: Für schnelle Entlastungen um mindestens fünf Cent pro kWh wollen wir in einem ersten Schritt die Stromsteuer für alle auf das europäische Mindestmaß senken und die Übertragungsnetzentgelte halbieren. Ziel ist eine dauerhafte Deckelung der Netzentgelte. Wir streben eine Ausweitung der Regelungen der Strompreiskompensation auf weitere energieintensive Branchen an und wollen die Kompensation verlängern. Den notwendigen Netzausbau treiben wir zügig, zielgerichtet und kosteneffizient voran. Unser Ziel sind dauerhaft niedrige und planbare, international wettbewerbsfähige Energiekosten.
Energieangebot erhöhen: Ein größeres Energieangebot dient der Stabilisierung und Reduzierung der Stromkosten. Dazu sollen künftig Reservekraftwerke nicht nur zur Vermeidung von Versorgungsengpässen, sondern auch zur Stabilisierung des Strompreises zum Einsatz kommen. Den Bau von bis zu 20 GW an Gaskraftwerksleistung bis 2030 wollen wir im Rahmen einer zügig zu überarbeitenden Kraftwerksstrategie anreizen. Diese sollen vorrangig an bestehenden Kraftwerksstandorten entstehen. Wir wollen alle Potentiale der Erneuerbaren Energien nutzen. Dazu gehört neben dem entschlossenen und netzdienlichen Ausbau von Sonnen- und Windenergie u.a. auch der Ausbau von Bioenergie, Wasserkraft, Geothermie und Speicherkapazitäten.
Energieintensive Industrie CO₂-neutral machen: Wir werden umgehend nach Beginn der Wahlperiode ein Gesetzespaket beschließen, das die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (CCS) insbesondere für schwer vermeidbare Emissionen des Industriesektors ermöglicht. Das Wasserstoffkernnetz muss deutschlandweit die industriellen Zentren anbinden, auch im Süden und Osten Deutschlands.
Leitmärkte für klimaneutrale Produkte: Wir wollen als marktgerechtes Instrument Leitmärkte für klimaneutrale Produkte schaffen, z.B. durch Quoten für klimaneutralen Stahl, eine Grüngasquote oder vergaberechtliche Vorgaben.
Bekenntnis zu Klimazielen: Wir stehen zu den deutschen und europäischen Klimazielen, wohlwissend, dass die Erderwärmung ein globales Problem ist und die Weltgemeinschaft es gemeinsam lösen muss. Wir arbeiten entschlossen daran, diese Klimaziele einzuhalten. Wir wollen Klimaschutz, soziale Ausgewogenheit und wirtschaftliches Wachstum pragmatisch und unbürokratisch zusammenbringen.
Strategische Industrien stärken: Es ist in unserem Interesse, strategisch wichtige Branchen in Deutschland zu halten bzw. neu anzusiedeln, z.B. die Halbleiterindustrie, Batteriefertigung, Wasserstoff oder auch Pharma. Dabei kann uns die Clusterarbeit u.a. der ostdeutschen Länder für Halbleiter ein gutes Beispiel sein. Wir nutzen dabei die Möglichkeiten des European Chips Act sowie der IPCEI.
Automobilindustrie als Leitindustrie erhalten: Wir bekennen uns klar zum Automobilstandort Deutschland und seinen Arbeitsplätzen. Dabei setzen wir auf Technologieoffenheit. Wir wollen uns aktiv dafür einsetzen, Strafzahlungen aufgrund der Flottengrenzwerte abzuwehren. Gleichzeitig wollen wir die E-Mobilität durch einen Kaufanreiz fördern. Bei der Bewältigung der Transformation unterstützen wir auch die Zulieferer.
Die Mitte entlasten: Wir werden die breite Mittelschicht durch eine Einkommensteuerreform entlasten und die Pendlerpauschale erhöhen.
Investitionen anreizen: Wir werden sofort nach Regierungsübernahme spürbare Anreize für unternehmerische Investitionen in Deutschland setzen. Wir steigen in der kommenden Legislaturperiode in eine Unternehmenssteuerreform ein.
Investitionen hebeln: Zur Vergabe von Eigen- und Fremdkapital bei Investitionen wollen wir im Zusammenspiel von öffentlichen Garantien (z.B. KfW) und privatem Kapital Investitionsfonds auflegen, z.B. für Venture Capital, Wohnungsbau und Energieinfrastruktur.
Gastronomie unterstützen: Um Gastronomie und Verbraucher zu entlasten, werden wir die Umsatzsteuer für Speisen dauerhaft auf sieben Prozent reduzieren.
Landwirten den Rücken stärken: Wir werden die Agrardiesel-Rückvergütung vollständig wieder einführen.
Bürokratie rückbauen: Überbordende Bürokratie werden wir zurückbauen, etwa durch die Abschaffung von Berichts-, Dokumentations- und Statistikpflichten. Zudem werden wir die Zahl der gesetzlich vorgeschriebenen Betriebsbeauftragten signifikant reduzieren. Wir orientieren uns dabei am Vorschlag des Normenkontrollrates, die Bürokratiekosten für die Unternehmen in den nächsten vier Jahren um 25 Prozent zu reduzieren.
Innovation und Forschung Vorrang geben: Wir legen ein schlagkräftiges Programm für Forschung, Innovationen, Technologien, Transfer und Entrepreneurship vor – eine Hightech-Agenda für Deutschland. Wir wollen die Fusionsforschung stärker fördern. Unser Ziel ist: Der erste Fusionsreaktor der Welt soll in Deutschland stehen. Wir wollen die Chancen von Künstlicher Intelligenz und Digitalisierung stärker nutzen. Dazu braucht es eine massive Aufstockung der Mittel für Forschung und Entwicklung.
Wissenschaftsfreiheit erhalten: Die grundgesetzlich garantierte Freiheit der Wissenschaft ist das Fundament für Fortschritt und Innovation, die es zu schützen gilt. Sie ermöglicht eine unabhängige Forschung und den Gewinn neuer Erkenntnisse, frei von politischer Einflussnahme und Ideologie.
Digitalisierung voranbringen: Die Digitalisierung ist zentral für die Modernisierung des Staates – sie macht Verwaltung effizienter, transparenter und bürgerfreundlicher. Dazu müssen digitale Behördengänge flächendeckend ermöglicht, Datenregister vernetzt und Verwaltungsprozesse automatisiert werden. Ein einheitliches Bürgerkonto soll den Zugang zu digitalen Diensten erleichtern. Zudem braucht es neue Kompetenzzuordnungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen.
Freihandel ausbauen: Die vier von der amtierenden Regierung in den Bundestag eingebrachten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen werden wir wortgleich wieder einbringen und beschließen. Wir setzen uns zudem ein für ein Inkrafttreten des Mercosur-Abkommens und den Abschluss neuer Freihandelsabkommen, darunter auch mit den USA. Gleichzeitig wollen wir unsere Industrie vor unfairen Handels- und Subventionspraktiken schützen.
III. Arbeit und Soziales
Mit starken Wachstumsimpulsen und einer Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit sichern wir Beschäftigung und schaffen die Voraussetzungen für neue Arbeitsplätze. Mit einer aktiven Arbeitsmarktpolitik wollen wir erwerbsfähige Arbeitslose in dauerhafte Beschäftigung bringen.
Das bisherige Bürgergeldsystem gestalten wir zu einer neuen Grundsicherung für Arbeitssuchende um. Es muss sichergestellt werden, dass die Jobcenter für die Eingliederung ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt bekommen. Wir stärken die Vermittlung in Arbeit. Für die Menschen, die arbeiten können, soll der Vermittlungsvorrang gelten. Diese Menschen müssen schnellstmöglich in Arbeit vermittelt werden. Für diejenigen, die aufgrund von Vermittlungshemmnissen keinen Zugang zum Arbeitsmarkt finden, werden wir vor allem durch Qualifizierung eine dauerhafte Integration in den Arbeitsmarkt ermöglichen. Wir werden Vermittlungshürden beseitigen, Mitwirkungspflichten und Sanktionen im Sinne des Prinzips Fördern und Fordern verschärfen. Bei Menschen, die arbeiten können und wiederholt zumutbare Arbeit verweigern, wird ein vollständiger Leistungsentzug vorgenommen. Für die Verschärfung von Sanktionen werden wir die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beachten.
Großangelegter Sozialleistungsmissbrauch, im Inland sowie durch im Ausland lebende Menschen, muss beendet werden. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit wollen wir weiter stärken und so härter gegen diejenigen vorgehen, die illegale Beschäftigung betreiben oder „schwarz“ arbeiten.
Viele soziale Leistungen sind unzureichend aufeinander abgestimmt. Wir wollen Leistungen zusammenfassen und besser aufeinander abstimmen, etwa durch die Zusammenführung von Wohngeld und Kinderzuschlag. Wir wollen, dass – wo immer möglich – Leistungen und Beratung aus einer Hand erbracht werden. Die Prozesse müssen digitalisiert werden.
Mindestlohn und Stärkung Tarifbindung: Gute Löhne sind eine Voraussetzung für die Akzeptanz der Sozialen Marktwirtschaft. Der gesetzliche Mindestlohn ist dabei die Untergrenze. Wir stehen zum gesetzlichen Mindestlohn. Die Entwicklung des Mindestlohns muss einen Beitrag zu stärkerer Kaufkraft und einer stabilen Binnennachfrage in Deutschland leisten. An einer starken und unabhängigen Mindestlohnkommission halten wir fest. Für die weitere Entwicklung des Mindestlohns wird sich die Mindestlohnkommission im Rahmen einer Gesamtabwägung sowohl an der Tarifentwicklung als auch an 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten orientieren. Auf diesem Weg ist ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 erreichbar.
Unser Ziel ist eine höhere Tarifbindung. Tariflöhne müssen wieder die Regel werden und dürfen nicht die Ausnahme bleiben. Deswegen werden wir ein Bundestarifgesetz auf den Weg bringen.
Sicherheit und Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt: Die Arbeitswelt ist im Wandel. Beschäftigte und Unternehmen wünschen sich mehr Flexibilität. Deshalb wollen wir im Einklang mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie die Möglichkeit einer wöchentlichen anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit schaffen – auch und gerade im Sinne einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dabei werden wir die hohen Standards im Arbeitsschutz wahren und die geltenden Ruhezeitregelungen beibehalten. Kein Beschäftigter darf gegen seinen Willen zu höherer Arbeitszeit gezwungen werden. Deshalb werden wir Missbrauch ausschließen.
Für die steigenden Herausforderungen der Digitalisierung und der KI in der Arbeitswelt wollen wir die richtigen Rahmenbedingungen setzen, damit diese sozialpartnerschaftlich gelöst werden. Wir werden die Mitbestimmung weiterentwickeln.
Damit sich Mehrarbeit auszahlt, werden Zuschläge für Mehrarbeit, die über die tariflich vereinbarte bzw. an Tarifverträgen orientierte Vollzeitarbeit hinausgehen, steuerfrei gestellt. Als Vollzeitarbeit gilt dabei für tarifliche Regelungen eine Wochenarbeitszeit von mindestens 34 Stunden, für nicht tariflich festgelegte oder vereinbarte Arbeitszeiten von 40 Stunden. Wir werden einen neuen steuerlichen Anreiz zur Ausweitung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten schaffen: Wenn Arbeitgeber eine Prämie zur Ausweitung der Arbeitszeit zahlen, werden wir diese Prämie steuerlich begünstigen. Missbrauch werden wir ausschließen.
Rente: Wir werden die Alterssicherung für alle Generationen auf verlässliche Füße stellen. Deshalb sichern wir das Rentenniveau. Nur eine wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik, eine hohe Beschäftigungsquote und eine angemessene Lohnentwicklung ermöglichen es, dies dauerhaft zu finanzieren. Zusätzlich werden wir die betriebliche Altersvorsorge stärken und die private Altersvorsorge reformieren. Ein abschlagsfreier Renteneintritt nach 45 Beitragsjahren wird auch künftig möglich bleiben. Gleichzeitig schaffen wir zusätzliche finanzielle Anreize, damit sich freiwilliges längeres Arbeiten mehr lohnt.
Statt einer weiteren Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters, wollen wir mehr Flexibilität beim Übergang vom Beruf in die Rente. Dabei setzen wir auf Freiwilligkeit. Arbeiten im Alter machen wir mit einer Aktivrente attraktiv. Wer das gesetzliche Rentenalter erreicht und freiwillig weiterarbeitet, bekommt sein Gehalt bis zu 2.000 Euro im Monat steuerfrei. Darüber hinaus verbessern wir die Hinzuverdienstmöglichkeiten bei der Hinterbliebenenrente.
Wir wollen Selbstständige besser fürs Alter absichern. Wir werden alle neuen Selbstständigen, die keinem obligatorischen Alterssicherungssystem zugeordnet sind, in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen. Andere Formen der Altersvorsorge, die eine verlässliche Absicherung für Selbstständige im Alter gewährleisten, bleiben weiterhin möglich.
Wir vollenden die Mütterrente mit drei Rentenpunkten für alle – unabhängig vom Geburtsjahr der Kinder –, um gleiche Wertschätzung und Anerkennung für alle Mütter zu gewährleisten.
Das Konzept einer Frühstartrente soll Bestandteil der Koalitionsverhandlungen werden.
Fachkräftesicherung: Die Sicherung der Fachkräftebasis ist ein entscheidender Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes. Deshalb ziehen wir alle Register, damit Fachkräftesicherung in den nächsten Jahren gelingt.
Wir wollen Familien helfen, den alltäglichen Spagat zwischen Kindererziehung, Arbeit, Haushalt, Pflege und auch Erholung besser bewältigen zu können. Deshalb prüfen wir ein jährliches Familienbudget für Alltagshelfer, das wir digital zugänglich machen. Das hilft auch im Kampf gegen Schwarzarbeit.
Ergänzend braucht Deutschland qualifizierte Einwanderung. Dazu gilt es bürokratische Hürden einzureißen, etwa durch eine konsequente Digitalisierung der Prozesse und eine beschleunigte Anerkennung der Berufsqualifikation. Dafür schaffen wir eine digitale Agentur für Fachkräfteeinwanderung als einheitliche Ansprechpartnerin für ausländische Fachkräfte.
Inklusion: Wir setzen uns ein für eine inklusive Gesellschaft, in der Menschen mit Behinderungen ihr Recht auf volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe verwirklichen können. Dazu werden wir die Barrierefreiheit im privaten und im öffentlichen Bereich verbessern und die Aufnahme einer Arbeit für Menschen mit Behinderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verstärkt fördern.
IV. Migration
Deutschland ist ein weltoffenes Land und wird es auch bleiben. Wir stehen zu unserer humanitären Verantwortung und wollen Integration ermöglichen. Wir wollen ein einwanderungsfreundliches Land bleiben und eine qualifizierte Einwanderung in unseren Arbeitsmarkt attraktiv machen. Wir werden Migration ordnen und steuern und die irreguläre Migration wirksam zurückdrängen.
Begrenzung der Migration: Das Ziel der „Begrenzung“ der Migration wollen wir – zusätzlich zur „Steuerung“ – wieder ausdrücklich in das Aufenthaltsgesetz aufnehmen.
Zurückweisungen an den Staatsgrenzen: Wir werden in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn Zurückweisungen an den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen vornehmen. Wir wollen alle rechtsstaatlichen Maßnahmen ergreifen, um die irreguläre Migration zu reduzieren.
Integration fördern: Wir werden mehr in Integration investieren, Integrationskurse fortsetzen, die Sprach-Kitas wieder einführen, das Startchancen-Programm fortsetzen und auf Kitas ausweiten. Eine verpflichtende Integrationsvereinbarung soll künftig Rechte und Pflichten definieren.
Fachkräfteeinwanderung vereinfachen: Wir werden den gesamten Fachkräftegewinnungsprozess vereinfachen und durch umfassende Digitalisierung beschleunigen. Dabei beziehen wir die Berufsanerkennung ausdrücklich ein.
Freiwillige Aufnahmeprogramme beenden: Wir werden freiwillige Bundesaufnahmeprogramme, soweit wie möglich, beenden und keine neuen Programme auflegen.
Familiennachzug aussetzen: Wir setzen den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten befristet aus.
GEAS-Reform umsetzen: Wir werden GEAS noch in diesem Jahr ins nationale Recht umsetzen.
Rückführungsoffensive starten: Wir erarbeiten umfassende gesetzliche Regelungen, um die Zahl der Rückführungen zu steigern. Dabei nehmen wir auch die Sekundärmigration in den Blick. Den verpflichtend beigestellten Rechtsbeistand vor der Durchsetzung der Abschiebung schaffen wir ab. Die Bundespolizei soll die Kompetenz erhalten, für ausreisepflichtige Ausländer vorübergehende Haft oder Ausreisegewahrsam zu beantragen, um ihre Abschiebung sicherzustellen. Wir wollen eine Möglichkeit für einen Ausreisearrest für ausreisepflichtige Gefährder und Täter schwerer Straftaten nach Haftverbüßung schaffen. Wir werden alle Möglichkeiten ausschöpfen, um die Kapazitäten für die Abschiebehaft deutlich zu erhöhen. Die Möglichkeiten zur Aberkennung des Schutzstatus bei Straftätern wollen wir konsequenter anwenden. Zudem werden wir verstärkt Migrationsabkommen abschließen, um legale Zuwanderung zu steuern und die Rücknahmebereitschaft sicherzustellen. Aus dem „Amtsermittlungsgrundsatz“ muss im Asylrecht der „Beibringungsgrundsatz“ werden.
Bezahlkarte: Wir wollen, dass die Bezahlkarte deutschlandweit zum Einsatz kommt, und werden ihre Umgehung unterbinden.
Herkunftsländer in die Pflicht nehmen: Wir wollen mit allen Politikfeldern eine bessere Kooperationsbereitschaft der Herkunftsländer erreichen, einschließlich der Visa-Vergabe, Entwicklungszusammenarbeit, Wirtschafts- und Handelsbeziehungen. Nach Afghanistan und Syrien werden wir abschieben – beginnend mit Straftätern und Gefährdern.
Liste der sicheren Herkunftsstaaten erweitern: Wir werden die Liste der sicheren Herkunftsstaaten und die Zahl der Migrations- bzw. Rückführungsabkommen fortlaufend erweitern.
Staatsangehörigkeitsrecht: Wir halten an der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts fest. Wir werden verfassungsrechtlich prüfen, ob wir Terrorunterstützern, Antisemiten und Extremisten, die zur Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung aufrufen, die deutsche Staatsbürgerschaft entziehen können, wenn sie eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen.
Westbalkan-Regelung begrenzen: Reguläre Migration nach Deutschland im Rahmen der sogenannten Westbalkan-Regelung werden wir auf 25.000 Personen pro Jahr begrenzen.
V. Weitere ausgewählte Vorhaben
Über die großen Themenkomplexe Finanzierung, Wirtschaft, Arbeit und Soziales sowie Migration hinaus haben wir uns auf die folgenden Vorhaben bereits verständigt:
Pflege und Gesundheit: Die Gesundheitsversorgung muss für alle gesichert bleiben. Wir wollen eine große Pflegereform auf den Weg bringen. Wir stehen für eine bedarfsgerechte Krankenhausversorgung in der Stadt und auf dem Land.
Bauwirtschaft ankurbeln: Wohnen wollen wir für alle Menschen bezahlbar, verfügbar und umweltverträglich gestalten. Dabei setzen wir auf Anreize und Innovationsoffenheit. Alle Wohnformen, ob Eigentum oder Mietwohnung, sehen wir als gleichwertig an. Hierfür ist die Ausweitung des Angebots von Wohnraum entscheidend. Deshalb müssen Verfahren beschleunigt und Standards vereinfacht werden, zum Beispiel durch eine schnelle Einführung des Gebäudetyps E. Mieterinnen und Mieter müssen wirksam vor Überforderung durch immer höhere Mieten geschützt werden. Die Mietpreisbremse wollen wir zunächst für zwei Jahre verlängern. Zur Stabilisierung des Wohnungsmarktes wird der soziale Wohnungsbau als wesentlicher Bestandteil der Wohnraumversorgung ausgebaut.
Deutschlandticket: Wir beraten über die Fortsetzung des Deutschlandtickets sowie den Ausbau und die Modernisierung des Öffentlichen Personennahverkehrs.
Grenzüberschreitende Verkehrsinfrastruktur: Wir werden die Verkehrsinfrastruktur zwischen Deutschland und unseren östlichen Nachbarn Polen und der Tschechischen Republik zügig ausbauen. Ziel ist ein vergleichbar gutes Niveau wie zwischen uns und unseren westlichen Nachbarn zu erreichen.
Startchancen für Kinder verbessern: Als rohstoffarmes, von Industrie geprägtes, exportorientiertes Land sind wir auf ein leistungsfähiges, innovatives Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungssystem angewiesen. Eine hervorragende Bildung auf allen Ebenen ist dafür das Fundament.
Alle Kinder und Jugendliche in Deutschland sollen gerechte und gleiche Bildungschancen für ein selbstbestimmtes Leben haben. Dazu gehören Lernfreude und Leistungsbereitschaft.
Wichtig ist eine frühe Sprachdiagnostik und Förderung in der Kita und im Übergang zur Grundschule, die Sicherung des Kompetenzerwerbs in Lesen, Schreiben, Rechnen und Kommunizieren bis zum Ende von Klasse 4. Wir werden die Anzahl der Schulabbrecher deutlich reduzieren.
Dafür werden wir die Sprachkitaprogramme wieder einführen und das Startchancenprogramm fortführen und weiterentwickeln sowie auf Kitas ausweiten.
Damit der Übergang ins Berufsleben besser gelingt, wollen wir gemeinsam mit den Ländern ermöglichen, dass jeder junge Mensch einen Schulabschluss und eine Ausbildung machen kann. Dafür werden wir die frühe Berufsorientierung in Schulen, in Kooperation mit den beruflichen Schulen und der Bundesagentur für Arbeit, weiter stärken, ebenso wie die Jugendberufsagenturen.
Gleiche Rechte und gleiche Chancen für Frauen schaffen: Unser Ziel ist eine Gesellschaft, in der Frauen und Männer gleichberechtigt und respektvoll miteinander leben – im Beruf, in der Familie und in der Politik. Dazu gehört gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Gesetzliche Schritte, um dieses Ziel zu erreichen, wollen wir prüfen. Mit dem Gewalthilfegesetz haben ab 2032 alle von Gewalt betroffenen Frauen und ihre Kinder bundesweit einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung. Das war ein wichtiger Schritt. Um Frauen noch weiter vor Gewalt zu schützen, wollen wir schnellstmöglich das Gewaltschutzgesetz verabschieden.
Partnerschaftlichkeit in Familien unterstützen: Wir wollen, dass Familien Kindererziehung, Pflege und Beruf partnerschaftlich vereinbaren können. Deshalb werden wir gemeinsam mit Ländern und Kommunen für verlässliche Kitas, Ganztagsschulen und Tagespflege sorgen.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
Hinter den Kulissen der Politik – meinungsstark, exklusiv, relevant.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der
Werbevereinbarung
zu.
Desinformation zurückdrängen: Die gezielte Einflussnahme auf Wahlen sowie die inzwischen alltägliche Desinformationen und Fakenews sind ernste Bedrohungen für unsere Demokratie, ihre Institutionen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. In Zeiten geopolitischer Spannungen müssen wir entschiedener denn je dagegen vorgehen. Dafür müssen wir den Digital Service Act (DSA) der EU auf nationaler Ebene konsequent durchsetzen.
Wahlrecht überprüfen: Wir prüfen eine erneute Reform des Wahlrechts.“
pvt/FMG