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Alexander Zverev: Keine Antworten in Indian Wells – Sport | ABC-Z

„Das sind alles Fragen …“, sagte Alexander Zverev, dann hielt er inne. Ja, natürlich werden sehr viele Fragen gestellt, wenn der topgesetzte Spieler beim Masters-Turnier in Indian Wells gleich die erste Partie verliert; 6:4, 6:7(5), 6:7(4) gegen Tallon Griekspoor. Und der Niederländer hatte wahrlich nicht die Partie seines Lebens geliefert; es wirkte eher so, als hätte dem 43. der Weltrangliste eine ordentliche Leistung genügt. Zverev wiederum war nicht wütend, sondern resigniert und traurig; mit glasigen Augen sagte er: „Ich habe keine Antworten momentan. Ich habe keine Ahnung, um ehrlich zu sein.“

So wie Zverev da saß; was er sagte, wie er es sagte; da wirkte er nicht wie einer, der jetzt mal eines der Täler durchschreitet, die es nun mal gibt in einer Sportlerkarriere; sondern wie einer, der ahnt, dass diese Karriere nicht so verlaufen wird, wie er sich das vorgestellt und auch jeder mit Blick für Tennistalent einmal prognostiziert hatte. Schlimmer: Er wirkte wie einer, der weiß, dass sie nicht so verlaufen wird. Der weiß, dass er und ein paar andere Spieler nicht, wie er 2021 sagte, Grand-Slam-Titel „unter uns aufteilen“ werden – sondern dass die Wahrscheinlichkeit, überhaupt einen Major-Titel zu gewinnen, immer geringer wird.

Man könnte Zverev, kurz vor seinem 28. Geburtstag im zwölften Jahr seiner Profilaufbahn, einige Fragen stellen und auf Antworten hoffen, vor allem seit den Australian Open, als er nach dem deutlich verlorenen Finale gegen Jannik Sinner die Selbsteinschätzung äußerte, er sei einfach „nicht gut genug“. Die große Frage ist seitdem: Glaubst du selbst noch dran?

Die Nicht-Gut-Genug-Aussage direkt auf dem Platz in Melbourne war verbunden mit der nachdenklich-freundlichen Begegnung mit den Reportern danach. In all den Profijahren davor war die Laune von Zverev nach Niederlagen berüchtigt genervt, diesmal nicht, und das führte unweigerlich zum Gedanken: Ist das Resignation? Wenn diese Wahnsinns-Wut, aus der man Motivation ziehen kann, nicht mehr da ist? Wenn einer akzeptiert, dass diese Tür zum Major-Sieg immer enger wird; zu eng zum Doch-noch-Durchschreiten nach drei verlorenen Finals? Denn: Ja, er hatte das Endspiel erreicht in Melbourne, auf dem Weg dorthin allerdings keinen Top-Ten-Spieler so richtig besiegen müssen; Novak Djokovic musste im Halbfinale verletzt aufgeben. Davor hatte er ordentlich, aber nicht Weltklasse gespielt – und dann gegen Sinner kaum eine Chance gehabt.

Zverev scheint keine Antworten zu haben bei der Frage nach den Ursachen

Zu Saisonbeginn hatte sich Zverev berechtigte Hoffnungen gemacht, als Nummer eins der Weltrangliste, noch so ein Traum für ihn, zu den Frühlings-Sandplatz-Turnieren nach Europa und als einer der ganz großen Favoriten zu den French Open nach Paris zu reisen. Nun befindet er sich Anfang März im tiefsten Krisenmodus. „Ich brauche im Moment nicht an die Nummer eins der Welt denken“, sagte er: „Dafür muss man Turniere gewinnen. Ich verliere ja in den ersten Runden.“ Die Resultate seit Melbourne: In Buenos Aires verlor er seine zweite Partie gegen Francisco Cerundolo (Nummer 28 der Welt). Rio: drittes Match gegen Francisco Comesana. (86). Acapulco: zweites Match, geschwächt von einer Lebensmittel-Vergiftung, gegen Learner Tien (84). Und nun die Niederlage in der kalifornischen Wüste; erste Partie, an eins gesetzt, gegen die Nummer 43 der Weltrangliste.

Er scheint nicht nur keine Antworten zu haben auf Fragen nach den Ursachen. Er selbst sagt, er spiele aktuell „schrecklich, so einfach ist das. Ich bin nicht annähernd dort, wo ich sein will.“ Er scheint auch nicht so recht zu wissen, wo er nach Antworten suchen soll. „Ein bisschen was von allem“, sagte er zum Beispiel auf die Frage, womit er ganz konkret nicht zufrieden sei. Also: der erste Aufschlag („schrecklich“), den zweiten schubste er im dritten Satz mal mit 130 km/h übers Netz. Es gibt Leute, die können einen Ball schneller werfen. Und das Spiel von der Grundlinie aus („nicht gut“). Ja, die deutliche Niederlage gegen Sinner hänge ein bisschen nach, die Lebensmittelvergiftung, vielleicht die Gedanken an den möglichen Aufstieg zur Nummer eins. Aber, wie er sagte: „Ich kann nun hier sitzen und Ausreden suchen. Ich spiele kein gutes Tennis gerade, so einfach ist das.“

Sein Plan: „Trainieren. Ich trainiere sowieso sehr viel, also nach den Australian Open zum Beispiel gleich am nächsten Tag.“ Man wollte ihm, der resigniert-ratlos und mit einem Gefühl der, wie er sagte, „Traurigkeit“ dasaß, zurufen: Such’ doch mal nicht beim Training nach Antworten, sondern anderswo; mit neuen Gedanken, Ideen, vielleicht ein bisschen mehr Optimismus, agiere offensiver und mutiger und nicht in der Komfortzone weit hinter der Grundlinie und damit in der Defensive. Zverev sah jedoch nicht so aus, als wolle er einen Ratschlag hören, und überhaupt: Zu dieser Erkenntnis muss jemand, der im zwölften Jahr der Profilaufbahn feststellt, dass die Karriere anders zu verlaufen droht wie angenommen, entweder selbst oder gar nicht kommen.

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