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Ohne Gift keine Banane? Pestizide im Anbau | ABC-Z

Pestizide im Anbau

Ohne Gift keine Banane?


Fr 07.03.25 | 11:53 Uhr | Von Fabian Grieger, rbb24 Recherche

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Video: rbb24 Inforadio | 07.03.2025 | Fabian Grieger | Bild: picture alliance/dpa/EUROPA PRESS/Kike Rincón

Auf der Beliebtheitsskala für Obst steht die Banane ganz weit vorne. Kaum bekannt: Bei der Produktion wird massiv auf gesundheitsschädliche Pestizide gesetzt, unter denen Plantagenarbeiter und Anwohner vor Ort leiden. Von Fabian Grieger

Leuchtend gelb, groß und perfekt gekrümmt sind die Bananen im lateinamerikanischen Pavillon auf der Fruit Logistica, der internationalen Leitmesse des Fruchthandels in Berlin. Von Chiquita bis Edeka sind alle Großen der Branche in den Messehallen am Funkturm vertreten und stellen in Showrooms ihre Früchte aus. Doch zwischen den polierten Ständen, lächelnden Hostessen und anzugtragenden Managern fällt ein Mann mit dunkelgrüner Jacke besonders auf, als er vor einigen Wochen die ausgestellten Früchte betrachtet. „Ich komme nach Deutschland und sehe hier diese riesigen, schönen Bananen, aber als Arbeiter auf einer Bananen-Plantage weiß ich, wieviel Chemie zum Einsatz kam, damit sie so aussehen“, sagt Didier Leiton, Bananen-Gewerkschafter aus Costa Rica, im Interview mit rbb24 Recherche.

Unter den zahlreichen Pestiziden, die auf den Plantagen eingesetzt werden, gilt eines als das Wichtigste: Mancozeb. Das Pestizid gilt als massiv fruchtbarkeitsschädigend und kann laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit Schilddrüsenkrebs hervorrufen. Deshalb ist es in der EU seit 2022 verboten.

Doch in Lateinamerika, wo auch die meisten Bananen für die Berliner und Brandenburger Supermärkte produziert werden, wird Mancozeb weiter massiv eingesetzt. Der Grund: Es ist derzeit das effektivste Mittel gegen die Schwarze Blattfleckenkrankheit, einen Pilz, der die Bananenblätter angreift. Sterben zu viele Blätter ab, produziert eine Bananenstaude keine Früchte mehr. Mancozeb wird in der Regel in einem Cocktail mit anderen Pestiziden gemixt und dann per Flugzeug über den riesigen Plantagen ausgebracht.

Didier Leiton ist Bananengewerkschafter aus Costa Rica hier auf der Fruit Logistica. (Quelle: RBB).
Gewerkschafter Didier Leiton auf der Fruit Logistica | Bild: rbb

Arbeiter:innen klagen über Gesundheitsbeschwerden

Doch Mancozeb macht nicht nur den Pilz kaputt. „Die Arbeiter klagen über Übelkeit, Hautausschläge und Kopfschmerzen, nachdem gespritzt wurde“, sagt der Gewerkschafter Didier Leiton. Nicht nur die Arbeiter:innen auf den Plantagen sind dem Gift ausgesetzt. Über die Luft gelangt es auch in die Nachbarschaft: „Wenn ich morgens mit dem Motorrad zur Arbeit fahre, läuft mir eine gelbliche Flüssigkeit über den Helm“, berichtet Leiton über seine alltäglichen Erfahrungen mit Pestiziden.

Seit 2012 untersucht eine Forschungsgruppe der National-Universität von Costa Rica die Auswirkungen von Mancozeb auf Frauen, die in der Nähe von Bananen-Plantagen wohnen. Das Ergebnis: Je näher sie an den Plantagen wohnten, desto höher war der Gehalt des Mancozeb-Abbauproduktes Ethylenthioharnstoff in ihrem Urin. Die Frauen waren bis zu fünfmal so stark belastet wie die Durchschnittsbevölkerung. Die Studien weisen außerdem eine Schädigung der Schilddrüsenfunktion und bei Kindern verstärkt Lernschwächen nach. Auch eine teilweise über den Grenzwerten liegende Trinkwasserbelastung mit Mangan – einem Bestandteil von Mancozeb – belegen Analysen.

Für die Verbraucher:innen in Deutschland wiederum besteht durch den Mancozeb-Einsatz so gut wie keine Gesundheitsgefahr – auf der Bananenschale bleiben höchstens minimale Rückstände. Das Problem liegt in den Anbauländern.

Supermärkte kennen das Problem

Auf eine rbb-Anfrage zu den Auswirkungen von Mancozeb schreibt Edeka: „Wir sind uns der ökologischen und sozialen Risiken von Mancozeb sehr bewusst, weswegen es auf unseren Projektfarmen keinesfalls leichtfertig eingesetzt wird.“ Ein gänzlicher Verzicht auf Mancozeb sei aber wegen drohender Ernteausfälle nicht möglich. Rewe geht auf die Problematik vor Ort nicht ein, Lidl verweist lediglich auf allgemeine Bemühungen zum Arbeitsschutz bei Lieferanten. Aldi Süd und Nord verweisen darauf, dass ihre Bananen Nachhaltigkeitszertifikate haben.

Denn trotz der Gesundheitsrisiken kann ein Bananen-Produzent, der Mancozeb einsetzt, ein Nachhaltigkeitssiegel erhalten. Zum Beispiel den Aufkleber mit dem grünen Frosch, den die „Rainforest Alliance“ vergibt, der weltweit größte Nachhaltigkeitszertifizierer im Bananen-Sektor. Das Siegel soll für faire Arbeitsbedingungen und nachhaltige Landwirtschaft stehen. Trotzdem können Landwirte bei der „Rainforest Alliance“ Ausnahmegenehmigungen für den Einsatz von Mancozeb beantragen. Eigentlich sollten diese bis 2024 auslaufen, aber nun entschied das Unternehmen, Mancozeb noch bis 2028 zu akzeptieren.

Zertifizierer sehen aktuell keine Alternative zum Gifteinsatz

Zur Begründung erklärt die „Rainforest Alliance“ auf Anfrage von rbb24 Recherche, dass „ein kostendeckender Betrieb ohne Pestizide unter den aktuellen Bedingungen“ im Bananen-Anbau nicht möglich sei. Er gehe davon aus, dass ein Verzicht auf Mancozeb zu Ernteausfällen von mehr als der Hälfte und in manchen Fällen zum Verlust der gesamten Ernte führen könnte, so der Zertifizierer weiter. Die „Rainforest Alliance“ setze sich aber für die Einhaltung von Sicherheitsstandards bei der Anwendung ein.

„Fairtrade Deutschland“, das für sein Fairtrade-Siegel ebenfalls Ausnahmegenehmigungen bei Mancozeb vorsieht, argumentiert ähnlich: Bei einem sofortigen Anwendungsverbot ohne geeignete Alternativen, „hätten Bananen-Arbeitende (…) kein Einkommen mehr, ihre Existenzgrundlage wäre akut bedroht. Dies muss bei der Abwägung von Gesundheitsschutz mitbetrachtet werden“.

Die Zertifizierer stecken in einem Dilemma: Auf der einen Seite brauchen sie glaubwürdige Nachhaltigkeitsstandards, auf der anderen Seite aber auch Produzenten, die bereit sind, sie umzusetzen.

Pestizid-Experte kritisiert Verlängerung der Ausnahmegenehmigung

In Deutschland kennt sich kaum jemand so gut mit Schädlingsbekämpfung im Bananen-Anbau aus wie Lars Neumeister. Der Pestizidexperte berät Landwirte, Zertifizierer und Einkäufer. Er kritisiert die Entscheidung, die Ausnahmegenehmigungen noch einmal zu verlängern: „Ich hätte es gut gefunden, wenn die ‚Rainforest Alliance‘ gesagt hätte: Jetzt ist mit Mancozeb erst einmal Schluss.“ Auch wenn er nach eigener Aussage glaubt, dass die Produzenten in der Konsequenz eher auf das Siegel als auf Mancozeb verzichten würden – zumindest in besonders feuchten Regionen, in denen aufgrund des massiven Pilzbefalls kein großflächiger Bio-Anbau existiert. Dazu gehören neben Costa Rica auch der Norden Ecuadors. Aus diesen beiden Ländern stammt fast die Hälfte der deutschen Bananen-Importe.

Costa Rica gilt als ein Land, in dem besonders viel Gift auf den Feldern landet. Wöchentlich werden im Durchschnitt knapp 70 Kilogramm Mancozeb pro Hektar [sciencedirect.com] auf den Bananen-Plantagen versprüht. Das ist notwendig, weil es im internationalen Exporthandel nur eine einzige Bananensorte gibt: die Cavendish. „Alle Bananenstauden sind Klone von sich selbst“, erklärt Pestizidexperte Neumeister. Sie seien genetisch identisch, das mache es Schädlingen leicht. Alles im Bananen-Export ist auf die Cavendish ausgelegt: Die Packgröße der Kartons, der Nachreifeprozess – letztlich auch die Gewöhnung der Verbraucher an die Sorte. „Das ist eine Industrie, die im Prinzip wie eine Art Fließband funktioniert“, sagt Neumeister. Kontrolliert wird sie von wenigen großen Bananen-Produzenten, die an wenige große Supermarktketten liefern. „Da gibt es ein Festhalten an einer funktionierenden Industrie und solange es nicht weh tut, wird sich nicht viel ändern.“

Oxfam baut Druck gegen Handelsketten auf

Auch Zertifizierer unterstützen Verbotsforderungen

Die Zertifizierer „Fairtrade“ und „Rainforest Alliance“ gehen trotz ihrer aktuellen Genehmigungspraxis noch einen Schritt weiter. Sie unterstützen Forderungen nach einem Importverbot von Produkten, bei denen Mancozeb eingesetzt wurde. Zuvor, so „Fairtrade“, sei jedoch ein Exportverbot von Mancozeb, das bisher auch von europäischen Unternehmen in der EU hergestellt und dann nach Lateinamerika verkauft werde, durchzusetzen: „Gewinne werden hier abgeschöpft, während für die Folgen keine Verantwortung übernommen wird und die Anbauländer durch Importverbote zusätzlich bestraft werden.“ Gleichzeitig müsste die EU mehr Geld für die Einführung von Alternativen zu Mancozeb zur Verfügung stellen.

Durch die Klimakrise steigt ohnehin die Gefahr, dass das Cavendish-System irgendwann kollabiert. Trotzdem schrecke „die Bananen-Industrie wegen des Aufwands und Kosten vor der Einführung weiterer Sorten zurück“, so Fairtrade gegenüber dem rbb.

Dabei findet sich die Alternative zum Monokultur-Cavendish-System oft sogar in der Nachbarschaft der industriellen Großplantagen: In Lateinamerika bauen Kleinbäuer:innen in Agroforstbetrieben eine Vielzahl an Bananensorten gemeinsam mit anderen Früchten an – ganz ohne Einsatz von Pestiziden.

Allerdings müsste sich dafür das Preisgefüge ändern. Seit Jahren stagniert der Bananen-Preis trotz steigender Kosten. Im Supermarkt werden Bananen teilweise unter dem Produktionspreis verkauft. Würde sich der Exportmarkt an ökologisch verträglichen, vielfältigen Bananen ausrichten, würde die Banane kein ständig verfügbares Billigobst mehr sein, sondern deutlich teurer – aber ohne Mancozeb.

Korrekturhinweis: In einer früheren Version dieses Textes hieß es, Leiton und Oxfam hätten eine gemeinsame Beschwerde gegen Rewe und Edeka eingereicht. Richtig ist: Sie haben die Beschwerde gegen Aldi Nord, Aldi Süd und Lidl eingereicht. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 07.03.2025, Fabian Grieger

Beitrag von Fabian Grieger, rbb24 Recherche


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