News

Petro Poroschenko: Trumps Gesprächspartner in der Ukraine ist Selenskyjs Erzfeind | ABC-Z

In der Ukraine ist allgemein bekannt, dass Präsident Selenskyj und sein Vorgänger Poroschenko einander hassen. Eine Regierung der nationalen Einheit, der beide angehören, ist unvorstellbar. Ausreisen darf Poroschenko nicht. Das hindert ihn nicht daran, sich international zu profilieren.

Es ist die härteste persönliche Rivalität in der Geschichte der ukrainischen Politik: der amtierende Präsident Wolodymyr Selenskyj gegen seinen Vorgänger Petro Poroschenko. Dass der fünfte und der sechste Präsident der Ukraine einander hassen, ist im politischen Kiew kein Geheimnis.

2019 war es Poroschenkos Team, das unter anderem das später von der russischen Propaganda übernommene Gerücht über eine angebliche Kokainabhängigkeit Selenskyjs in die Welt setzte. Im damaligen Präsidentschaftswahlkampf kam es daher sogar zu einem Drogentest der Kandidaten. Anfang 2022 wurde Poroschenko wegen des angeblichen Hochverrats beinahe am Flughafen in Kiew festgenommen. Und erst kürzlich wurden gegen Poroschenko rechtlich fragwürdige Sanktionen verhängt.

Aus Poroschenkos Partei wird Selenskyj immer wieder trotz des Kriegs offen und nicht selten unter der Gürtellinie attackiert. Poroschenko selbst bleibt in der öffentlichen Rhetorik eher vorsichtig, wenn es um Selenskyj geht. So war auch in seinem jüngsten Interview mit RTL/ntv direkte Kritik am heutigen Präsidenten Fehlanzeige. Dennoch legte der 59-Jährige einen größeren Akzent darauf, wie erfolgreich er – aus seiner Sicht – im Umgang mit dem damaligen und heutigen US-Präsidenten Donald Trump gewesen sei. Sein erstes Treffen mit Trump sei nur für fünf Minuten geplant gewesen, habe jedoch länger als eine Stunde gedauert. Die Folge sei gewesen, dass die USA der Ukraine Panzerabwehrraketen vom Typ Javelin zur Verfügung stellten – die ersten Waffen dieser Größenordnung. Es habe zudem weitere Erfolge gegeben, wie die Verhängung von Sanktionen gegen Russland.

Alles nur im Dienste der Ukraine

Zudem signalisierte Poroschenko die Bereitschaft, in die USA zu reisen und dort Gespräche zu führen. Aktuell darf Poroschenko die Ukraine nicht verlassen. Und obwohl er Selenskyj kein einziges Mal namentlich erwähnte, war sein Unterton deutlich: Ich kann es besser.

Am Donnerstag veröffentlichte dann das US-Medium Politico einen Bericht, demzufolge das Trump-Team Gespräche mit hochrangigen Vertretern der Poroschenko-Partei Europäische Solidarität sowie mit der ehemaligen Ministerpräsidentin Julija Tymoschenko führt. Dabei soll es auch darum gegangen sein, ob die Ukraine trotz geltenden Kriegsrechts bald Präsidentschaftswahlen abhalten könnte. „Wir arbeiten öffentlich und transparent mit amerikanischen Partnern zusammen und streben danach, die überparteiliche Unterstützung der Ukraine in den USA aufrechtzuerhalten“, kommentierte Poroschenko den Artikel. „Unser Team war und ist weiterhin kategorisch dagegen, im Krieg eine Wahl auszutragen.“ Rein rechtlich ist es in der Ukraine auch gar nicht vorgesehen, im Krieg Wahlen durchzuführen.

Poroschenko und Selenskyj sind sich ähnlicher als sie zugeben würden

Bei aller Konkurrenz: Ironischerweise hätten die Werdegänge Poroschenkos und Selenskyjs im Präsidentenamt kaum ähnlicher sein können. Poroschenko ist explizit als pragmatischer Friedenspräsident angetreten, der den Donbass-Krieg so schnell wie möglich beenden wollte. Als jedoch klar wurde, dass die Gespräche mit Russland nicht wirklich vorankommen, drehte er seine Linie um – und kandidierte für eine zweite Amtszeit unter dem patriotischen Slogan „Armee! Sprache! Glaube!“ In der Stichwahl unterlag er Selenskyj. Dieser hatte dem Präsidenten im Wahlkampf vorgeworfen, den Krieg aus Eigeninteresse nicht beenden zu wollen.

Genau dies wird Selenskyj nun von Trump vorgeworfen. Und auch Selenskyj ist als Friedenspräsident angetreten. Unter anderem hatte er versprochen, eine liberalere Sprach- und Geschichtspolitik zu betreiben. Damit war spätestens mit dem russischen Großüberfall vom 24. Februar 2022 Schluss.

Damals bot Poroschenko Selenskyj zunächst eine Zusammenarbeit an. Daraus wurde allerdings nicht. Trotzdem konzentrierte sein Lager die weiterhin harte Kritik zunächst nicht auf Selenskyj, sondern nahm seinen mächtigen Stabschef Andrij Jermak ins Visier. Vor dem russischen Überfall hatte die Poroschenko-Partei Jermak oft als eine Art „russischer Agent“ gebrandmarkt. Spätestens seit Mitte 2023 ist offene Kritik an Selenskyj aber kein Tabu mehr.

Ein Poroschenko-Comeback ist unwahrscheinlich

Eine ernsthafte politische Konkurrenz für Selenskyj ist Poroschenko nicht. Obwohl Poroschenko formell der Oppositionsführer ist und in vielen Umfragen auf Rang drei steht, liegt er weit hinter Selenskyj und Walerij Saluschnyj, dem beliebten Ex-Armeechef und heutigen Botschafter in Großbritannien. Poroschenko kann auf eine kleine, treue Anhängerschaft zurückgreifen, die ausgesprochen nationalorientiert und von Poroschenko persönlich überzeugt ist. In der Ukraine wird diese Gruppe scherzhaft als „Porochoboty“ bezeichnet – als „Poroschenko-Bots“.

Es ist davon auszugehen, dass Poroschenko in Zukunft im patriotischen Milieu der Ukraine eher die zweite oder dritte Geige spielen wird. Denn genau diese Wählerschaft würde auch Saluschnyj ansprechen, wenn er in die Politik ginge. Ob das geschieht, ist bislang unklar. Aber auch nach dem Krieg dürfte die Nachfrage nach Militärs in der Politik groß sein. In Umfragen, die vor dem Eklat im Oval Office durchgeführt wurden, lag Saluschnyj vor Selenskyj. Glaubwürdige Umfragen zum Stand nach der Trump-Krise liegen nicht vor. Es ist jedoch davon auszugehen, dass der Eklat Selenskyj innenpolitisch gestärkt hat.

Rein theoretisch hätte die Ukraine auf den Druck aus Washington, der in Teilen offener Erpressung ähnelt, mit einer „Regierung der nationalen Einheit“ reagieren können. Eine solche Regierung hätte Poroschenko mit seiner außenpolitischen Erfahrung verstärken können. Sie wäre zudem international ein starkes Argument gegen die Durchführung von Wahlen im Krieg. In Wirklichkeit aber ist eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Poroschenko und Selenskyj kaum vorstellbar – und eine solche Konstellation würde dem Land auch eher schaden als nutzen. Nur einen Schuldigen gibt es dabei nicht. Denn die Schuld liegt eindeutig auf beiden Seiten.

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"