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Kommt der Trump-Crash? An den US-Börsen brodelt ein Angst-Eintopf mit vier Zutaten | ABC-Z

In den USA braut sich eine Angst-Eintopf zusammen, der dort die erste große Börsenkrise seit langem auslösen könnte. Europa kann davon profitieren. Wenn wir nicht den gleichen Fehler machen.

Der Angst-Eintopf hat vier Zutaten:

Zutat 1: Ein langer Boom

Seit der Finanzkrise ab 2008 erlebten die US-Bösen einen nur kurz unterbrochenen Aufschwung.

  • Der breit angelegte S&P-500-Aktienindex kletterte von unter 700 Punkten im Jahr 2009 auf über 6000 Punkte Anfang des Jahres 2025.
  • Das entspricht einer Rendite von fast 15 Prozent jährlich, die sich recht gleichmäßig auf Präsidenten beider Parteien verteilt. 

Nach langen Boomphasen droht immer ein Rücksetzer. 

  • Steigen die Märkte über Jahre, haben fast alle, die Aktien kaufen könnten, auch gekauft. Es bleiben also wenige mögliche Käufer.
  • Gleichzeitig können viele Menschen verkaufen, denn es hat ja jeder einen ETF.
  • Dieses Missverhältnis birgt immer die Gefahr, dass das Angebot die Nachfrage für eine gewisse Zeit übersteigt und die Kurse unter Druck geraten.

Derartige Rücksetzer gehen vorüber. Sie sind der Grund, warum Experten meist raten, den Markt nicht zu „timen“. Wer lange investiert bleibt, macht mehr Gewinn als jemand, der auf den richtigen Zeitpunkt zum Investieren wartet.

Die Lage an den US-Börsen macht derzeit besonders, dass noch weitere Zutaten zum Angst-Eintopf hinzukommen. Anleger müssen auch entscheiden, ob dadurch eine größere Krise droht.

Zutat 2: Eine bittere Erkenntnis

Gerade große Investoren wie Banken und Rentenfonds glaubten, der US-Aufwärtstrend setze sich unter Trump fort. Dieser versprach im Wahlkampf Kryptoanlegern und der Wirtschaft, Beschränkungen aufzuheben. Von der Leine gelassen, dürften diese das Wachstum in den USA ankurbeln und damit auch die Börsenkurse, meinten viele Finanzexperten.

Dabei setzten sie voraus, dass Trump die übrigen Wachstumsstützen nicht ansägt: Welthandel, freie Märkte, ausreichend Arbeitskräfte. Zwar kündigte Trump lautstark an, genau dies zu tun: 

  • Er versprach Strafzölle, die den freien Handel ausbremsen und Waren im Inland verteuern.
  • Er versprach, die Wirtschaftsbeziehungen zu Russland zu stärken und jene zur EU zu belasten. Weil Russlands Bruttoinlandsprodukt kleiner ist als das Italiens, wäre ein geregelter Zugang zum EU-Markt für die US-Wirtschaft aber deutlich wichtiger.
  • Er versprach, selbst die Kinder illegaler Migranten aus dem Land zu verweisen, obwohl dieses dadurch wichtige Arbeitskräfte und Konsumenten verliert.

Viele Wähler taten diese für die USA offensichtlich schädlichen Ankündigungen als Wahlkampf ab. Nach der Wahl werde es schon nicht so schlimm kommen.

Nun, einige haarsträubende Eklats und unbegreifliche Entscheidungen später, erkennen diese Wähler langsam, sich bei Trump nicht die Rosinen herauspicken zu können. 

  • Selbst wer Kryptowährungen für eine geniale Idee hält, muss mit einem wankelmütigen US-Präsidenten leben, der sich lieber inszeniert als langfristige Folgen zu durchdenken.
  • In Trumps Regierung sitzen nicht länger erfahrene Politiker, die ihn einbremsen. Dort sitzen Vizepräsident JD Vance, der ihn anstachelt, und ein genauso undurchdacht handelnder Elon Musk. Plötzlich tritt Trump nicht mehr nur hinter den Kulissen launisch auf, sondern vor laufenden Kameras.
  • Trump erlässt Zölle. Trump hofiert Putin. Trump attackiert Europa. Er tut, was den wirtschaftlichen Interessen der USA schadet. Ehemals hoffnungsvolle Investoren bekommen langsam kalte Füße.

Deutlichstes Indiz für diese Sorgen: Nach einem kurzen Höhenflug sanken die Kurse an der Wall Street am Dienstag wie der Dow Jones unter die Kurse des Wahltags im November.

Zutat 3: Grundsätzliche Sorgen

Trumps Unberechenbarkeit verstärkt die Aufmerksamkeit auf ein Problem, das die USA seit langem plagt: die hohen Staatsschulden.

  • Im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt haben die USA rund doppelt so viele Staatsschulden wie die Bundesrepublik. Dafür zahlen sie bereits jetzt mehr als eine Billion Dollar Zinsen im Jahr.
  • Trumps Zölle verteuern Einfuhren und drohen damit die Inflation zu treiben. Beobachter fürchten, die US-Zentralbank FED könnte die Zinsen dadurch nicht senken oder gar erhöhen.
  • Bei höheren Zinsen müssen die USA noch mehr für ihre Staatsschulden zahlen. Das schränkt ihre Handlungsfähigkeit ein.
  • Gleichzeitig drücken höhere Zinsen die Aktienkurse, weil einige Anleger ihr Geld eher festverzinslich anlegen.
  • Zu allem Überfluss will Trump auch noch die Steuern senken. Weniger Einnahmen bei steigenden Ausgaben also.

Einige Beobachter sehen die USA gar auf die Pleite zusteuern. 

Sicher ist: Die Inflation spielt eine wichtige Rolle für künftige Entwicklungen. Bleibt sie niedrig, ist das gut für die Märkte. Steigt sie und steigen die Zinsen, wäre dies ein schlechtes Zeichen.

Zutat 4: Der Irrglaube, ETFs steigen immer

Jahrelang haben vermeintliche Experten wie Finfluencer Anlegern erzählt, dass Aktienmärkte langfristig immer steigen. Ihre Aussagen belegten sie mit Indizes aus den USA, aus Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg oder eine Handvoll weiterer Länder. 

Sie übersehen die wichtigste Lektion:

  • Der britische Leitindex FTSE 100 stieg seit 2001 im Schnitt rund 1,6 Prozent im Jahr. Einen ETF auf den Index anzusparen, lohnte sich, Gebühren eingerechnet, kaum. Je nach Einstiegszeitpunkt verbuchten Anleger wenig Gewinn oder sogar einen Verlust.
  • Der spanische Leitindex IBEX 35 stand 2007 höher als heute. Seit 1997 bewegt er sich weitgehend seitwärts. Auch hier verbuchten ETF-Sparer kaum Gewinn oder Verlust.
  • Der portugiesische Aktienindex PSI dümpelt seit 2009 in etwa halb so hoch wie zu seinen Höchstständen der Jahre 2001 und 2007 vor sich hin. Wieder kaum Gewinn oder Verlust.

Die meisten Aktienindizes entwickelten sich in der Vergangenheit langfristig deutlich schlechter als Dax und Dow Jones. Oft wären Anleger mit festverzinslichen Papieren besser bedient gewesen. Weil Finfluencer aber meist nachreden, was US-Experten für den eigenen Markt berechnet haben, sagen sie Absurdes wie: „Über 15 Jahre ist der Markt bislang immer gestiegen.“ Das stimmt schlicht nicht. 

Was eher stimmt: Der Wohlstand einer Gesellschaft und damit ihre Aktienmärkte steigen, wenn bestimmte Bedingungen gewährleistet sind: 

  • Gleiche Rechte für alle, möglichst viel Teilhabe für alle, unabhängige Gerichte.
  • Freier Handel und ein Markt, bei dem sich die beste Idee durchsetzt.
  • Eine Regierung, die fair und gleich gewählt wird und die sich bemüht, sachlich Probleme zu lösen.
  • Zusammengefasst: Politische Stabilität und alle einbeziehende Institutionen schaffen Wohlstand. Die Ökonomen Daron Acemoglu, Simon Johnson und James Robinson erhielten im vergangenen Jahr den Nobelpreis dafür, diesen Zusammenhang bewiesen zu haben. 

Trump stellt infrage, ob diese Punkte auch künftig für die USA gelten.

Der fertige Eintopf: Angst ersetzt Euphorie

In einer Zeit von Rekordkursen lernen viele Anleger eine Lektion, vor der sie lange die Augen verschlossen: 

  • Ob die Wirtschaft wächst, hängt weniger davon ab, ob ein Demokrat oder ein Republikaner regiert.
  • Es hängt vor allem davon ab, ob die Regierung die Grundlagen des Wachstums wahrt und nichts Dummes tut.
  • Trump zertrampelt diese Grundlagen und tut tägliches Dummes.
  • Mehr und mehr Anleger fürchten daher, die Rendite seiner zweiten Amtszeit dürfte eher der Amtszeit von George W. Bush ähneln.

Fertig ist der Angst-Eintopf.

Weil viele dieser Anleger ETFs im Portfolio haben, die sie im Vertrauen auf stetig steigende Kurse gekauft haben, steigt die Gefahr, sie könnten diese verkaufen und die Kurse drücken. Das besorgt noch mehr Anleger. Schlimmstenfalls droht ein Teufelskreis.

Was jetzt an US-Börsen passiert, weiß niemand

Wie sich die US-Börsen unter diesem Einfluss weiterentwickeln, weiß niemand mit Sicherheit.

Einerseits sind in den USA Privatleute, Rentenfonds und selbst Universitäten viel stärker an der Börse investiert als in Deutschland. Präsidenten müssen Kursgewinne liefern. Tun sie das nicht, rebellieren auch die Abgeordneten ihrer Partei, die auf eine Wiederwahl hoffen. Womöglich bremsen andere Politiker Trump angesichts dieser Einflüsse ein. Womöglich jagen sie ihn aus dem Weißen Haus, sollte er sich nicht einbremsen lassen. Beides dürfte die Märkte langfristig stützen. In diesem Fall dürfte es jeder bereuen, der seine US-ETFs jetzt verkauft.

Andererseits steht hinter Trump ein Medienimperium, das alle seiner Handlungen schönredet: der größte Nachrichtensender FOX News, Elon Musk mit X, zunehmend Facebook und TikTok. Selbst Amazon-Chef Jeff Bezos verbot der traditionell regierungskritischen Washington Post jüngst politische Kommentare. Womöglich bejubeln die US-Amerikaner Trump daher auch mit sinkenden Aktienkursen. In diesem Fall dürfte es jeder bereuen, der seine US-ETFs jetzt behält.

Neu ist an dieser Situation, dass die zweite Option überhaupt besteht. Lange lagen die wahrscheinlichen Ergebnisse am US-Aktienmarkt zwischen „gut“ und „sehr gut“. Mit Donald Trump kommt erstmals auch die Option „(sehr) schlecht“ ins Spiel.

Worauf Anleger achten müssen: Für Anleger steigt in den USA das Risiko. Womöglich bekommen sie bald aber erstmals seit langem nordamerikanische Aktien günstig zu kaufen.

Deutschland und Europa könnten von Trump profitieren – wenn wir ihm nicht nacheifern

Trump bringt auch Europa kurzfristig mehr Risiken. Gerade die Exportnation Deutschland leidet unter Zöllen, wie sie der US-Präsident einführt. Unter einer Wirtschaftsschwäche in ihrem wichtigsten Exportmarkt sowieso.

Allerdings sind die Kurse selbst in Deutschland in der Vergangenheit tendenziell schwächer gestiegen als in den USA. Viele Aktien sind daher vergleichsweise günstig und weniger riskant. Das lässt Gelder nach Europa fließen: Während die US-Börsen schwächeln, ist der Dax seit Anfang des Jahres um über zehn Prozent gestiegen. Anleger könnten hierzulande also bessere Anlagechancen finden.

Ob sie das langfristig tun, hängt vor allem davon ab, ob sich Europa seine politische Stabilität erhält. Auch hier sägen Politiker mit ähnlichen Botschaften wie Trump an den Grundlagen unseres Wohlstands. Viele von ihnen reisten begeistert zu dessen Amtseinführung. Ihre Wahlergebnisse dürften zu einem Großteil entscheiden, ob Europa von der Schwäche der USA profitiert: Je weniger Stimmen sie bekommen, umso besser stehen unsere Chancen. 

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