SPD Top-Favorit – Wo die „CSU des Nordens“ fast unschlagbar ist | ABC-Z

Hamburg. In Hamburg liegt die Hochburg der SPD. Auch am Sonntag wäre alles andere als ein Sieg von Bürgermeister Peter Tschentscher eine Sensation.
- In Hamburg wird seit dem Morgen eine neue Bürgerschaft gewählt
- Peter Tschentscher (SPD) ist der Favorit
- Gelingt dem Seriensieger heute ein erneuter Wahlerfolg?
Vielleicht hatte der scheidende Kanzler Olaf Scholz ja einen Hintergedanken, als er die Neuwahlen zum Bundestag nach dem Ampel-Aus ins Frühjahr legen wollte. Denn schon damals stand ein Wahltermin fest: Am 2. März stehen die Bürgerschaftswahlen in Hamburg an. Dort also, wo Scholz sieben Jahre ein erfolgreicher Bürgermeister war. Vor allem aber dort, wo die SPD als Seriensieger gilt. In Hamburg liegt eine der letzten Hochburgen der Sozialdemokratie.
Auch jetzt, wo die SPD bundesweit durch ein tiefes Jammertal wankt, grüßt die Hamburger SPD aus luftigen Höhen. 32 Prozent trauen die Demoskopen dem Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher zu, während sich CDU und Grüne abgeschlagen um Platz 2 prügeln. Zwar wäre das ein deutlicher Rückgang zur Bürgerschaftswahl 2020, als die SPD an der 40-Prozent-Marke kratzte, aber ein Regierungsauftrag ist ein Regierungsauftrag.
SPD-Bürgermeister Tschentscher kommt auf hohe Zustimmungswerte
Tschentscher ist von Haus Labormediziner, kein Berufspolitiker. Er ist ein stiller, besonnener Mann, keine rhetorisch beschlagene Rampensau. Und er galt nicht als Favorit, als sein Vorgänger und Förderer Olaf Scholz ins Finanzministerium nach Berlin wechselte. Parteiintern setzte sich der 59-jährige vorherige Finanzsenator aber durch und wurde im März 2018 Bürgermeister. Hält er bis zum Ende der Legislaturperiode 2030 durch, wäre er Rekordhalter unter den Hamburger Bürgermeistern.
Die Hamburger schätzen ihr Stadtoberhaupt – während Kanzler Scholz bei den Zufriedenheitswerten zuletzt in den Zwanzigern dümpelte, liegt Tschentscher bei rund 60 Prozent. Über die Grenzen der Stadt bekannt wurde der Vater eines erwachsenen Sohnes in der Pandemie. Wegen seiner fachlichen Expertise und seiner ruhigen Art galt er als Corona-Erklärer, zugleich verfügte er vergleichsweise strenge und umstrittene Regeln in Hamburg – inklusive Maskenpflicht unter freiem Himmel oder Ausgangssperre.
Hamburg-Wahl: In einer Reihe mit Klose, Voscherau und Dohnanyi
Corona ist längst Geschichte, Tschentscher noch immer Bürgermeister. Gerüchte, er wechsele nach dem Wahlsieg der Ampel 2021 als Gesundheitsminister nach Berlin, hat er stets dementiert. Glaubhaft war das, denn er hat an seinem Job Gefallen gefunden – und ist mit der Zeit vom scheuen Zahlenmann zu einem aufgeschlossenen Bürgermeister gewachsen.
Katharina Fegebank (Grüne), Peter Tschentscher (SPD) und Dennis Thering (CDU) treten bei der Hamburg-Wahl gegeneinander an. Der Sieger scheint schon festzustehen.
© FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf
Wie seine großen Vorgänger – dazu zählen Spitzenpolitiker wie Hans-Ulrich Klose, Klaus von Dohnanyi oder Henning Voscherau – hat Tschentscher das Erfolgsmodell der Hamburger Sozialdemokratie trotz seiner Herkunft vom linken Flügel verinnerlicht. Die SPD verbindet hier aus Tradition Kaufmannschaft und Arbeiterschaft, Alstervilla und Plattenbau, Elbphilharmonie und Volksparkstadion.
„Die ganze Stadt im Blick“, lautete der Slogan im vergangenen Wahlkampf. Unkundige würden den stets seriös gekleideten Tschentscher vermutlich auch für einen Christdemokraten halten. Was irgendwie passt: Die SPD versteht sich halb scherzhaft, halb ernst als CSU des Nordens. Und das hat nicht nur mit den Wahlerfolgen zu tun.

Blick über den Rathausmarkt auf das Hamburger Rathaus, den Sitz der Hamburgischen Bürgerschaft und des Senats. Am Sonntag entscheiden die Wähler über die Zusammensetzung.
© picture alliance/dpa/Markus Scholz | Markus Scholz
Union und Grüne tun sich schwer gegen den beliebten Bürgermeister
Entsprechend schwer tut sich die Christdemokratie in Hamburg. Nun versucht es der 40-jährige Dennis Thering, der einst fast im Tor des Hamburger SV gelandet wäre. Seine Chancen, das Ergebnis von 2020 deutlich zu verbessern, als die CDU bei nur noch 11,4 Prozent landete, stehen gut. Seine Chancen auf den Bürgermeisterposten im prächtigen Rathaus mit seinen 647 Zimmern eher schlecht. Derzeit liegt der Vater einer Tochter mit 17 Prozent auf Rang 3.

Ihre Bürgermeisterambitionen muss auch die grüne Spitzenkandidatin Katharina Fegebank wohl aufgeben. Die 47-Jährige ist in der Stadt sehr beliebt und wird als Senatorin fachlich geschätzt – gerade erst hat der Deutsche Hochschulverband (DHV) sie nach 2020 und 2023 bereits zum dritten Mal zur „Wissenschaftsministerin des Jahres“ gewählt. Aber der grüne Zeitgeist ist auch in der Hansestadt verweht, Umfragen sahen die Mutter von Zwillingen zuletzt nur bei 18 Prozent.
Wirtschaftliche Probleme gibt es auch in Hamburg
Wirtschaftlich geht es der Stadt mäßig, die traditionell starke Industrie kämpft mit den hohen Energiepreisen und der Energiewende, der Hafen dümpelt vor sich hin. Der Teilverkauf des städtisches Hafenlogistikers HHLA an die schweizerisch-italienische Großreederei MSC löste einen Proteststurm aus.
Auch interessant

Das Prestigeobjekt von Olaf Scholz, der Bau des drittgrößten Wolkenkratzers Deutschlands an den Elbbrücken, verkommt zur Peinlichkeit. Bei Meter 100 von 245 rutschte der Investor René Benko in die Insolvent, seitdem ruhen die Arbeiten am „Kurzen Olaf“.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
Hinter den Kulissen der Politik – meinungsstark, exklusiv, relevant.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der
Werbevereinbarung
zu.
Andererseits waren es Scholz und der frühere CDU-Vorgängersenat, die das beste Geschäft für Hamburg in diesem Jahrtausend abschlossen. 2008 stieg die Stadt bei Hapag-Lloyd ein, 2012 erhöhte sie ihren Anteil. Nach mageren Jahren lieferte die Reederei zuletzt fabulöse Dividenden beim Finanzsenator Andreas Dressel ab: 2023 waren es mehr als 1,5 Milliarden Euro, im vergangenen Jahr noch einmal 225 Millionen, nun dürften es rund 170 Millionen Euro werden. Der Geldsegen hilft der Stadt bei Investitionen und verschafft ihr Beinfreiheit. Allerdings dürfte diese Quelle nicht ewig sprudeln.
Eine der spannendsten Fragen lautet: Was wird aus der FDP?
Auch das von der Sonne weniger verwöhnte Hamburg muss sich auf schlechtere Zeiten einstellen. Im Wahlkampf ist davon wenig zu spüren. Linke und AfD dürfen sich auf deutliche Zugewinne freuen. Gerade die Grünen fürchten, angesichts des linken Hype Stimmen auf den letzten Metern zu verlieren.
Die Umfragedaten wirken wie festgemauert, daher halten viele die Bürgerschaftswahl schon für gelaufen. Wirklich spannend könnte da das Abschneider der FDP werden.

Die FDP-Spitzenkandidatin Katarina Blume will die FDP zurück in die Hamburgische Bürgerschaft führen
© FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf
Die Mission Wiederauferstehung liegt in den Händen der Schauspielerin Katarina Blume. CDU und FDP kämpfen derzeit erbittert um jede konservativ-liberale Stimme. Hamburg ist die erste Wahl, wo sich die Neuaufstellung des bürgerlichen Lagers zeigt – und die Überlebenschancen der FDP.