Seltene Erkrankungen: Wo finden Betroffene Hilfe? | NDR.de – Ratgeber | ABC-Z

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Rund vier Millionen Menschen in Deutschland leiden an einer Seltenen Krankheit. Der Weg zu einer Diagnose ist häufig lang und es gibt nur wenige Therapien. In welchen Zentren bekommen Betroffene Hilfe?
Eine Erkrankung gilt in der Europäischen Union als selten, wenn nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind. Expertinnen und Experten schätzen, dass es etwa 8.000 Seltene Erkrankungen gibt. Etwa 80 Prozent der Seltenen Krankheiten sind genetisch bedingt oder mitbedingt, selten sind sie heilbar.
Wer unter seltenen, aber auch wenig bekannten oder kaum erforschten Krankheiten leidet, hat als Patientin oder Patient in der Regel einen enormen Leidensdruck. Für viele Betroffene folgt eine Ärzte-Odyssee. Da nur jeweils wenige zu behandelnde Menschen mit der Erkrankung leben, gibt es auch nur wenige Expertinnen und Experten. Und auch die Durchführung von Studien wird durch die geringe Anzahl erschwert. Um Betroffenen optimal helfen zu können, gibt es in Deutschland immer mehr Kliniken, sogenannte Zentren, die sich mit Seltenen Erkrankungen befassen.
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Wie meldet man sich im Zentrum für Seltene Erkrankungen an?
Die Anforderungen für eine Anmeldung sind nicht einheitlich. Jedes Zentrum hat eigene Kriterien und informiert darüber auf seiner Internetseite. In der Regel wird aber unterschieden, ob bereits eine Diagnose vorliegt oder nicht:
- Liegt bereits eine gesicherte Diagnose vor, benötigen Betroffene eine Überweisung der behandelnden Ärztin oder des Arztes.
- Bei einer unklaren Diagnose wird ebenfalls eine ärztliche Überweisung benötigt. Eine Anmeldung kann bei einigen Zentren von der behandelnden Ärztin oder dem Arzt vorgenommen werden, bei anderen Zentren können sich die Patientinnen und Patienten selbst anmelden.
Welche Papiere sind erforderlich?
Jedes Zentrum hat eigene Vorgaben, welche Papiere eingereicht werden müssen. Informationen dazu sind auf den entsprechenden Internetseiten der Zentren zu finden. Die häufigsten sind:
- ärztliche Überweisung an das jeweilige Zentrum
- Anmeldebogen des Zentrums
- Fragebogen zur Krankheitsgeschichte
- Kopie von Arztbriefen
- Kopie von bildgebenden Untersuchungen
- Kopie von Ergebnissen der Laboruntersuchungen
- Schilderung der Krankengeschichte
- Kontaktdaten des behandelnden Arztes, der Ärztin
- Einverständniserklärung zur Datenverarbeitung
Es ist sinnvoll, sich im Vorfeld eine private Patientenakte anzulegen, damit bei Anfrage schnell weitere Unterlagen eingereicht werden können.
Lotsinnen und Lotsen sichten die Akten von Patienten und Patientinnen
Sogenannte Lotsinnen und Lotsen sichten die eingereichten Unterlagen. Mit Unterstützung spezieller Computerprogramme werden die Betroffenen nach bestimmten Kriterien für eine Vorstellung in dem jeweiligen Zentrum ausgewählt. Da die Zentren sehr viele Anfragen erreichen, kann die Wartezeit etliche Monate oder Jahre betragen. Nicht immer werden Betroffene in ein Zentrum für Seltene Erkrankungen eingeladen. Manchmal werden sie an andere Anlaufstellen verwiesen oder es gibt Empfehlungen für das weitere Vorgehen. Der Vorteil der Zentren ist, dass sich Spezialistinnen und Spezialisten der verschiedensten Fachgebiete austauschen und zusammen mit einem Labor arbeiten, das auf die Suche nach Seltenen Erkrankungen spezialisiert ist. Der Austausch mit weltweiten Spezialistinnen und Spezialisten unterstützt die Arbeit der Zentren ebenfalls.
Wie erfolgt die Diagnose bei Seltenen Erkrankungen?
Werden Patientinnen und Patienten in ein Zentrum für Seltene Erkrankungen eingeladen, werden sie nach den Verdachtsmomenten der Ärztinnen und Ärzte erneut untersucht und verschiedene Diagnosemethoden durchgeführt. Fachübergreifend werden die Ergebnisse schließlich diskutiert und gegebenenfalls Therapien vorgeschlagen. Ein Vorteil ist zudem, dass an den Zentren Studien durchgeführt werden, an denen Betroffene von Seltenen Krankheiten teilnehmen können.
Zur Diagnose nutzen Ärzte und Ärztinnen beispielsweise Gen-Analysen, um herauszufinden, ob ein Gendefekt vorliegt. Gen-Analysen sind in den vergangenen Jahren deutlich günstiger geworden, Ergebnisse liegen teilweise binnen weniger Tage vor.
Aber auch Künstliche Intelligenz kann heutzutage bei der Diagnose behilflich sein, und zwar über die Gesichtserkennung: Dabei scannt die KI einfache Handy-Fotos vom Gesicht des erkrankten Menschen. Sie registriert etwa die Form des Schädels, den Abstand der Augen, die Form der Augenbrauen, der Nase oder der Lippen. Da einige genetische Erkrankungen Auffälligkeiten im Gesicht vorweisen, kann eine KI das Gesicht mit Daten anderer Erkrankten abgleichen und gegebenenfalls eine Zuordnung vorschlagen. Als nächster Schritt können dann Untersuchungen wie die Gen-Analyse vorgenommen werden.
Solche schnelleren Methoden zur Diagnostizierung sind besonders bei Seltenen Krankheiten wichtig, da viele Betroffene jahrelang auf die Diagnose und dementsprechend auch auf eine passende Behandlung warten.
Selbsthilfegruppen: Austausch zwischen Betroffenen mit Seltenen Erkrankungen hilfreich
Bei Seltenen Erkrankungen sind Selbsthilfegruppen und Patientenorganisationen wichtig. Betroffene und Angehörige können sich gegenseitig unterstützen und Informationen austauschen. Hier werden häufig auch virtuelle Runden angeboten, weil die Teilnehmenden häufig weit auseinander wohnen oder nicht mobil sind.
Liste der Zentren für Seltene Erkrankungen in Deutschland
Mittlerweile gibt es bundesweit über 30 spezialisierte Zentren. Wichtig zu wissen: Die Zentren übernehmen keine Akut- oder Notfallversorgung.
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