Boris Spasski ist tot: Er spielte das Jahrhundertmatch gegen Bobby Fischer – Sport | ABC-Z

Die Kubakrise lag zehn Jahre zurück, die Abrüstung hatte begonnen, doch im Juli 1972 flammte der Kalte Krieg der Supermächte USA und Sowjetunion noch einmal auf. Und das an einem Schauplatz, mit dem wohl niemand gerechnet hatte: in Reykjavík. In einer schmucklosen Halle namens Laugardalshöll. Vor allem aber: an einem Schachbrett. Boris Spasski und Bobby Fischer trafen sich zum „Jahrhundertmatch“. Zwei Spieler, zwei Systeme.
Am Donnerstag meldete Russlands Schachverband: „Der zehnte Weltmeister Boris Spasski ist im Alter von 88 Jahren gestorben.“ Sein Tod sei ein „großer Verlust für das Land“. Verbandspräsident Andrej Filatow sagte laut der Nachrichtenagentur Tass: „Eine große Persönlichkeit ist von uns gegangen, Generationen von Schachspielern haben seine Spiele und sein Werk studiert und studieren es noch immer.“
Schach-WM: Denken wie ein Weltmeister (XIV)
:Ein Ende, das in die Schachgeschichte eingehen wird
Es ist eine Tragödie für Ding Liren: Im finalen Spiel der Schach-WM deutet alles auf ein Remis hin. Doch im Endspiel unterläuft dem alten Weltmeister ein titelentscheidender Fehlgriff ohne Not. Die 14. WM-Partie in der Analyse mit dem WM-Rätsel des Tages.
Weltweit Bekanntheit erlangt hatte Spasski durch den WM-Kampf mit Fischer. Er war der geniale Weltmeister aus einer Dynastie von Weltmeistern. Seit 1948 kamen alle aus der Sowjetunion, doch dann betrat Fischer die Bühne, 29 Jahre alt, ein Sturkopf aus Chicago, der provozierte, wo er nur konnte. Mal trat er zu einer Partie einfach nicht an, dann fand ein Duell in einem Nebensaal statt, weil sich Fischer von den 2500 Zuschauern gestört fühlte.
Dennoch siegte der Herausforderer. Spasski, einst mit 18 Jahren Juniorenweltmeister und zu seiner Zeit der jüngste Großmeister der Schachgeschichte, gab auf. Telefonisch informierte er den deutschen Schiedsrichter Lothar Schmid in einer Unterbrechung der 21. Partie. Anschließend klagte er: „Fischer ist mir immer wieder wie ein Fisch aus den Händen geglitten.“

Nach dem Match fiel Spasski, geboren am 30. Januar 1937 im damaligen Leningrad, in seiner Heimat in Ungnade. Für Moskau war die Niederlage ein Schlag ins Gesicht, für ihn selbst eine Befreiung: „Sie können sich nicht vorstellen, wie erleichtert ich war, als Fischer mir den Titel abnahm. Ich war von einer sehr schweren Last befreit und konnte frei atmen“, erzählte Spasski fast 40 Jahre später.
1976 wanderte er nach Frankreich aus und erhielt dort die Staatsbürgerschaft. Es wurde ruhiger um ihn, von 1980 bis 1990 spielte Spasski in Deutschland für die Solinger SG und wurde dreimal deutscher Mannschaftsmeister. Erst 1992 trat er wieder ins Rampenlicht – bei einem Showduell mit Fischer, bei dem es in Belgrad um Millionen und nicht um einen Titel ging. Wieder setzte sich Fischer durch.
Das Duell inmitten des Kalten Krieges inspirierte die Nachwelt, es wurde verarbeitet in Büchern, Dokumentationen und Filmen. Bekannt geworden ist der Roman „Das Damengambit“ von Walter Tevis, das 2020 in der gefeierten Netflix-Serie adaptiert wurde. Spasskis letzte Lebensjahre waren von gesundheitlichen Rückschlägen und einem mysteriösen Familienkonflikt geprägt, im Zuge dessen er nach Russland zurückkehrte. 2006 und 2010 erlitt er zwei Schlaganfälle. Später trat er noch im hohen Alter geschwächt und mit eingefallenen Gesichtszügen im Fernsehen auf.
Einige Jahre zuvor hatte er auf dem kleinen Friedhof im isländischen Laugardælir südöstlich von Reykjavík das Grab seines Rivalen und Freundes Bobby Fischer besucht. Fischer starb bereits 2008. „Glauben Sie, dass der Nachbarplatz noch frei ist?“, fragte Spasski sichtlich bewegt die anwesenden Journalisten.