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Markus Söder als Elvis: So war die Veitshöchheimer Fastnachtsshow – Bayern | ABC-Z

Einen Hüftschwung wie einst Elvis? Sozusagen einen Söder-Move? Alle auf der Bühne versuchen ihn zu überreden. Und Markus Söder scheint tatsächlich einen Moment zu überlegen, ob er es versuchen soll – oder wie er aus der Nummer wieder rauskommt.

Er entscheidet er sich für Gesang. „You are always on my mind“, schmachtet er knapp in das Mikrophon, eine der ganz großen Balladen des Countryrock. Als Elvis Presley verkleidet ist Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef zur Fastnacht in Franken in die Veitshöchheimer Mainfrankensäle gekommen, nun muss er liefern. Die Livekameras des BR sind zwar seit ein paar Minuten aus, doch Söder verzichtet bei der Aftershow-Party auf Verrenkungen vor Publikum. Lieber singt er nicht ganz textsicher weiter: „Tell me if you love me anytime“.

So erfüllt sich die Prophezeiung von Julia Lehner, Nürnberger Bürgermeisterin, Kulturreferentin und langjährige Söder-Begleiterin in der CSU. „Das Kostüm ist eine Verheißung, irgendwann singt er auch noch“, hatte sie fünf Stunden vorher im Foyer gefrotzelt, als Söder kostümiert als King of Rock’n‘Roll Einzug gehalten hatte. Wobei der Nürnberger Elvis und seine Fans den Rock’n’Roll-Zusatz elegant unter den Tisch fallen ließen. Markus, the King. Das muss reichen. Damit ist alles gesagt, zwei Tage vor der Bundestagswahl.

Diese bildete zwar das Grundrauschen bei der Veitshöchheimer Karnevals-Show des Fastnacht-Verband Franken (FVF) und des BR. Einmal mehr war sie ein Quotenhit. Drei Millionen Menschen schauten bundesweit zu, in Bayern lag die Einschaltquote bei 46,8 Prozent. Die Beliebtheit der Sendung ist auch nach fast 40 Jahren ungebrochen, 21 000 Bewerbungen für die wenigen hundert Eintrittskarten lagen dem FVF bereits im vergangenen Oktober vor, doppelt so viele wie in früheren Jahren.

Berlin  bekommt einiges ab, Trump und Musk sowieso

Bundestagswahl hin oder her – es gebe keinen Maulkorb für die Kabarettisten, Komiker und Büttenredner, hatten FVF-Präsident Marco Anderlik und die fränkische BR-Chefin Anja Miller stets versichert, man lasse ihnen die freie Rede. Sie hielten Maß und einige sich sogar zurück. So politsatirisch giftig, wie viele angesichts des Termins erwartet und manche erhofft hatten, geriet die Show nicht. Vielleicht, weil vielen Menschen gerade nicht zum Lachen ist, vielleicht aber auch, weil die Trumps und Weidels dieser Welt Realsatire im Übermaß bieten. Also feierten die Närrinnen und Narren in Veitshöchheim eine Art vorweggenommene Wahlparty in schlimmen Zeiten, Motto: Jetzt erst recht.

Gewiss, die „Berliner Ampelmännchen“ bekamen allerhand ab, Trump sowieso, und natürlich auch Elvis „The King“ Söder. Büttenredner Peter Kuhn stichelte als an Harald Glööckler angelehnter Modezar hintersinnig gegen den Stoff der AfD („Da schaut inmitten all des Blaus, stets irgendwo das braune Futter raus“). Und die gewagteste Nummer des Abends legte die Altneihauser Feierwehrkappel’n hin, als eine mit Grünzeug an den Helmen getarnte, elfköpfige Oberpfälzer Musikarmee im Kriegszustand. „Ihr Narren stimmt mit ein: Wir müssen wieder kriegstüchtig sein“, reimten sie in bitterer Mehrdeutigkeit und richteten ihre Gesangs-Bazooka auf die Elon Musks dieser Welt: „Heuchler“, „machtbesoffenes Pack“.

Büttenredner Peter Kuhn, für die Fastnacht mittlerweile unverzichtbar (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Ansonsten aber vermieden es die Künstlerinnen und Künstler, die ohnehin seit Monaten hitzige politische Stimmung im Land närrisch weiter anzufachen. Manche treibt angesichts der Wahl ohnehin ein eher handwerkliches Problem um, wie etwa Büttenredner Peter Kuhn: „Ich habe noch vier Auftritte nach diesem Wahlsonntag. Je nach Ausgang muss ich mein ganzes Programm umschreiben.“

Obwohl im Dritten ausgestrahlt, unterlief die Sendung elegant das Dogma der ohnehin spaßbefreiten ARD, sechs Wochen vor der Wahl keine Politiker mehr in Unterhaltungsshows auftreten zu lassen. In Veitshöchheim sitzen sie einfach nur als Zuschauer da – und trotzdem sind sie Teil der Show. Denn die Frankenfastnacht lebt auch vom Wechselspiel zwischen Showbühne und Saalbühne. Manch einer, der da hockt, hofft inständig, wenigstens einen Gag gewidmet zu bekommen, um auch mal vor Millionen Menschen über sich lachen zu dürfen. Manchen gelingt das nur einmal. Wie Bayerns Bauminister Christian Bernreiter von der CSU, den Sitzungspräsident Christoph Maul für das Versagen beim staatlichen Wohnungsbau in nur zwei Sätzen abwatscht. Fall erledigt.

Der stellvertretende Ministerpräsident Hubert Aiwanger und Sabrina Neckov von den Freien Wählern Unterfranken (Foto: IMAGO/Julien Becker/IMAGO/HMB-Media)

Andere müssen erstaunlich lange warten, bis sie dran sind. An diesem Freitag ist das Bayerns Wirtschaftsminister und FW-Chef Hubert Aiwanger. Veitshöchheim ist eben auch ein Seismograph für die Bedeutung, die das Narrenvolk einem Politiker zubilligt. Und mit dem Bundestag wird es an diesem Sonntag für die Freien Wähler vermutlich nix werden, für den als Handwerksburschen verkleideten Bauernführer aus Niederbayern.

Macht aber nix, in Veitshöchheim hat „der Hubsi“ schließlich seine eigene, kleine Boys- and Girls-Fangroup aus Kabinettsmitgliedern und Abgeordneten der Freien Wähler um sich, die ihn derart anhimmeln, dass Elvis Söder am Nachbartisch beunruhigt einen Käsewürfel nach dem anderen einwirft.

So viel unterwürfige Verehrung würde er sich auch wünschen, doch Siegesgöttin Ilse „Nike“ Aigner am Nebentisch hat sich diesbezüglich im Griff. Nach der Sendung ging das Gerücht im Saal um, dass der mit einem Dracula-Umhang über dem Anzug opulent und phantasievoll kostümierte Finanzminister Albert Füracker (CSU) tatsächlich einmal gelacht haben soll; beim Auftritt seiner Oberpfälzer Landsleute aus Altneihaus.

Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Grünen, als strahlende Taylor Swift. (Foto: IMAGO/Julien Becker/IMAGO/HMB-Media)

Erkennbar Spaß hatten BR-Intendantin Katja Wildermuth und BR-Kulturchef Björn Wilhelm als Witwen Waltraud und Mariechen, wofür die Senderchefin sich sogar das Original-Ersatzkostüm von Waltraud-Darsteller Martin Rassau organisiert hatte. Und Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze (heuer als Taylor Swift) lacht sowieso immer.

Die Frankenfastnacht hat sich seit ihrer Premiere 1987 immer wieder neu erfunden – und ist sich trotzdem treu geblieben. Es gibt unverzichtbare Größen wie Peter Kuhn, der seinen 33. Auftritt hatte. Es gibt Künstlerinnen wie die stehend gefeierte Putzfraa Ines Procter, die sich binnen weniger Jahre unverzichtbar machen. Es gibt Trash, für den Gankino Circus sorgt. Es gibt karnevalistischen Hochleistungssport wie von der Garde der Nürnberger Karnevalsgesellschaft Buchnesia, die für ihren Auftritt gefeiert wurde wie keine andere Nummer an diesem Abend. Es gibt gefühlige Momente, als Komiker Oti Schmelzer abtritt und Orchesterchef Pavel Sandorf seinen Taktstock weiterreicht, und beeindruckende, als etwa der erst 13-jährige Finn Reichert eine kleine Büttenrede hält als sähen ihm nicht gerade ein paar Millionen Menschen zu.

Es wird gelacht und geblödelt. Es gibt aber auch Roland Hanke. Er ist weder Komiker, noch Politiker oder prominent. Sondern Arzt in Fürth und war lange Motor des Hospizvereins. In den Mainfrankensälen sitzt er auf dem Stamm-Platz, den es gibt, seit die Veitshöchheimer Frankenfastnachtkönigin Barbara Stamm 2022 gestorben ist. Seither darf darauf jedes Jahr ein Mensch Platz nehmen, der sich im Sinne der zeitlebens sozial engagierten Landtagspräsidentin um andere verdient macht. Und zwar ganz unabhängig davon, ob gerade Wahlkampf ist oder nicht.

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